– Ein Brief an eine Freundin –
Liebe Dina,
schön, dass Dir mein letzter Brief gefallen hat.
Du schreibst: „Es war bestimmt viel Mühe damit verbunden, diesen Brief zu schreiben.“
Wem sagst Du das!
Nun bist Du also ganz gespannt, was ich als Bücherwurm zu dem Thema „Jesus Christus und die Frauen“ herausgefunden habe.
Ich muss zugeben: Ich war auch gespannt!
Du fragst, ob ich auch etwas über die These schreiben werde, dass Jesus Christus verheiratet war und auch Kinder hatte?
Weißt Du liebe Dina, es steht jedem frei zu glauben, dass Jesus Christus verheiratet war und Kinder hatte, aber ich persönlich halte von dieser These nichts, weil ich gläubig bin.
Natürlich habe ich mich damals als ca. 1993 der Wirbel um die Schriftrollen von Qumran begann, mit dem Thema auseinander gesetzt und wohl auch das bekannteste Buch darüber gelesen.
Mir hat der Schreibstil nicht gefallen. Es wurden Behauptungen aufgestellt, aber nicht begründet. Frei nach dem Motto: „So ist es nicht; es ist so.“
Leider hatte ich mir das Buch nur ausgeliehen. Ich hätte mich sonst bestimmt mit Randbemerkungen und Fragezeichen ausgetobt.
Der Ausgewogenheit wegen, habe ich dann noch ein Buch von einem evangelischen und eins von einem katholischen Theologen gelesen. Beide brachten gut fundierte Gegenargumente.
Die meisten Theologen lehnen die These ab, dass Jesus verheiratet war und Kinder hatte.
So weit zu dieser Frage.
Bevor ich mich aber nun dem Verhalten Jesu gegenüber Frauen gemäß dem Neuen Testament widme, möchte ich noch schnell meine Teemaschine anschalten.
(Unterbrechung durch Musik)
So da bin ich wieder.
Ja, was war denn nun das Besondere an dem Verhalten Jesu gegenüber den Frauen?
Die Einstellung der Juden zu den Frauen hatte sich in der Zeit zwischen der Niederschrift des Alten Testaments und dem Auftreten Jesu völlig verändert.
Es hatte sich eine jüdische Religion entwickelt, die mehr auf mündlichen Überlieferungen beruhte, als auf dem geschriebenen Gesetz Gottes.
Vom 4. Jahrhundert vor unserer Zeit an übernahmen die Juden vieles aus der griechischen Philosophie.
Die griechische Philosophie schenkte den Rechten der Frau nur wenig Beachtung und das Ansehen der Frau sank unter den Juden.
Im 3. Jahrhundert vor unserer Zeit trennte man die Frauen in der Synagoge von den Männern.
Dadurch wurde Frauen eine aktive Teilnahme am Gottesdienst verwehrt.
Dies führte dann dazu, dass nur wenige Frauen gebildet waren.
Joachim Jeremias schreibt auszugsweise in seinem Buch „Jerusalem zur Zeit Jesu“.
„Im ganzen wird die religionsgesetzliche Stellung der Frau am Treffendsten ausgedrückt durch die immer wieder begegnende Formel: ,Frauen, (heidnische) Sklaven und (minderjährige) Kinder´… Nimmt man zu alledem hinzu, dass es an missachtenden Urteilen und Stimmungen gegenüber der Frau nicht fehlt, … so hat man den Eindruck, dass auch im Judentum der Zeit Jesu sich die geringe Wertung der Frau auswirkte.“
Er schreibt auch, dass Unterhaltungen mit einer Frau das Missfallen erregte und es als Schimpf für einen Gelehrtenschüler galt, wenn er auf der Straße mit einer Frau sprach.
Wie anders verhielt sich da doch Jesus!
Einen kleinen Moment, ich hole mir nur meinen Tee.
(Unterbrechung mit Musik)
So, da bin ich wieder.
Jesus verhielt sich gegenüber Frauen ganz anders. Er unterhielt sich auch öffentlich mit Frauen, auch wenn dies das Missfallen erregte.
Im Johannesevangelium im Kapitel 4 wird berichtet, dass er sich mit der Samariterin am Brunnen unterhielt. Selbst seine Jünger fanden dies ungewöhnlich. Sie wunderten sich über sein Verhalten. (Johannes 4:27)
Jesu Verhalten gegenüber Frauen muss zu seiner Zeit wirklich revolutionär gewesen sein!!!
Jesus unterhielt sich nicht nur mit Frauen, sondern er lehrte sie auch hochgeistige Dinge. (Johannes 4:7,25,26)
Die Samariterin war zum Beispiel die erste Person, die von ihm erfuhr, dass er der Messias war.
Er sagte dies nicht einem Mann, sondern einer Frau. Dies zeigt, dass er Respekt vor Frauen hatte.
Für ihn war es auch vollkommen in Ordnung, dass eine Frau sich religiös weiterbilden wollte und dabei ihren Herd verließ.
Als er seine Freunde Lazarus, Maria und Martha besuchte, beschwerte sich Martha beim ihm, weil Maria ihr nicht im Haushalt half und ihm lieber zuhörte.
Er sagte Martha aber, Maria habe das „gute Teil erwählt“. (Lukas 10:38-42)
Ein anderes Mal führte er mit Martha ein hochgeistiges Gespräch über die Auferstehung. (Johannes 11:20-27)
Bevor ich nun über Jesu Mitgefühl mit Frauen schreibe, hole ich mir noch eine Tasse Tee.
(Unterbrechung mit Musik).
Der Tee war lecker, die Kekse auch!
Jesu hatte Mitgefühl mit Frauen. Ich denke da an die Frau, die 12 Jahre an einem Blutfluss litt. Sie war deshalb rituell unrein. Trotzdem hielt sie sich in der Menge um Jesus auf und berührte unerlaubt sein Gewand. Für sie war es die letzte Möglichkeit gesund zu werden.
Beschimpfte Jesus sie aber, als er merkte, dass sie ihn als „Unreine“ berührte und auch unerlaubt in der Menge war?
Nein, sondern er sagte mitfühlend und freundlich: „Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht.“
Das ist übrigens das einzige Mal, dass er eine Frau direkt als Tochter anredete. (Matthäus 9:18-22)
Jesus zeigte bei dieser Gelegenheit bestimmt Mitgefühl und Barmherzigkeit mit Frauen.
Zum Abschluss möchte ich noch auf einen interessanten Gedanken hinweisen.
Gemäß rabbinischer Tradition konnten Frauen nicht als Zeugen vor Gericht aussagen.
Doch wer waren die ersten Zeugen der Auferstehung? Es waren Frauen!!!!
Jesus forderte die Frauen auf seinen Jüngern von der Auferstehung zu berichten.
Wie reagierten die Jünger aber darauf?
Lukas 24:11 berichtet: “Ihnen erschienen diese Reden wie Unsinn und sie wollten den Frauen nicht glauben.“
Vermutlich waren die Jünger auch von der jüdischen Tradition beeinflusst und wollten das Zeugnis der Frauen deshalb nicht glauben.
Jesus dagegen wies die rabbinische Tradition zurück, die den Frauen die Würde nahm.
Er behandelte die Frauen mit Ehre Respekt und Mitgefühl.
So liebe Dina, dies war heute nur ein kleiner Einblick in das Verhalten Jesu gegenüber Frauen.
Mir war früher nie so bewusst gewesen, dass sein Verhalten doch sehr von der Tradition abwich. Ich hatte noch so die emanzipierte Stellung der Frau aus dem Alten Testament im Sinn, als ich begann mich mit dem Neuen Testament zu beschäftigen.
Ich freue mich schon auf Deinen Besuch nächste Woche!
Bis bald.
Tschüß Inge
(c) Ingeborg Lüdtke
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