Hörbuch “ … aber Dora war die Vollstreckung“

" ... aber Dora war die Vollstreckung"

“ … aber Dora war die Vollstreckung“

Hörbuch von Ingeborg Lüdtke

Das KZ-Mittelbau Dora hatte im April 1945 über 40 Außenlager … von August 1943 bis April 1945 hatte das KZ Mittelbau-Dora … 60 000 Häftlinge. Von diesen 60 000 Häftlingen kamen schätzungsweise 20 000 ums Leben.
… Die Häftlinge … mussten Zwangsarbeit im Stollenvortrieb leisten für Untertageverlagerungs-vorhaben, nicht nur (in) der Raketenrüstung, sondern … später auch (in) der Luftrüstung.“
Dr. Regine Heubaum, ehemalig stellvertretende Gedenkstättenleiterin KZ Mittelbau-Dora

Die Göttinger Journalistin Ingeborg Lüdtke führte Interviews mit den ehemaligen Inhaftierten Dick de Zeeuw, Noah Klieger, Georg Leitner und Henryk Dornik. Sie erhielt zusätzliches Tonmaterial von der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora und dem Alternativen Jugendzentrum in Dessau von Noah Klieger, Georg Leitner und Albert van Dyk.
Christian Baumann berichtet, wie er als Kind die Zwangsarbeiter des KZ-Außenlagers Osterhagen bei Bad Sachsa beim Bau der Helmetalbahn beobachtet hat.
Der Göttinger Historiker Georg Wamhof spricht über den Dora-Prozess in Essen und die Strafen für die Täter.
Ingeborg Lüdtke hat für das Feature bewusst die Form eines Gedenkstättenbesuches gewählt. Im Kopf des Hörers entstehen durch wenige akustische Klänge Bilder, die das Leiden der ehemaligen Zwangsarbeiter, ihre Ängste und die Zustände im Stollen lebendig werden lassen. Dr. Jens-Christian Wagner, der ehemalige KZ-Gedenkstättenleiter von Mittelbau Dora [seit Oktober 2020 Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora ] und seine ehemalige Stellvertreterin Dr. Regine Heubaum erläutern ausführlich den historischen Hintergrund.

Das Feature eignet sich besonders gut für den Geschichtsunterricht in Schulen.

KZ-Mittelbau-Dora (MP3-Format)

Teil 1 (44:08 Min)
Track 1 Einführung; Befreiung des KZ; allgemeine Informationen zur Geschichte (12:00)
Track 2 Verwaltung; Opfergruppen (11:00)
Track 3 Ankunft und Behandlung der Häftlinge in Dora (8:34)
Track 4 Tagesablauf; Essen; Schlafstätte; Kleidung; medizinische Versorgung (12:35)

Teil 2 (53:38 Min)
Track 1 Besuch im Stollen; Arbeit; Zustände im Stollen (15:21)
Track 2 Hilfeleistung durch einen Inhaftierten; Erhängungen (6:31)
Track 3 Zustände in der 2. Lagerphase; Widerstand; Arbeitsverweigerung (7:04)
Track 4 Wissen der Bevölkerung; Hilfeleistungen; Frauen, Bombardierung (15:04)
Track 5 Evakuierung; Befreiung; Gesundheit nach der Befreiung; Gardelegen (9:38)

Teil 3 (44:20 Min)
Track 1 Außenlager Osterhagen; Erinnerung eines Dorfbewohners (15:33)
Track 2 Essener Dora Prozess; Strafen (20:79)
Track 3 Verarbeitung der KZ-Haft; Hassgefühle; Rückkehr an Ort des Leidens (7:08)

erschienen bei:

Rhein Mosel TV, C. D. Jentzsch, St. Bernhard Str. 14, 56070 Koblenz, Tel. 0261/82316

Preisinformation: € 12,90

Auch als Download direkt über Kontaktaufnahme mit dem SDK Media Musik- und Hörbuchverlag erhältlich.

Kommentar: Auf die Nennung der verschiedenen Opfergruppen, denen die Interviewten angehören, wurde bewusst verzichtet, da die Kategorien der Opfergruppen von den Nationalsozialisten vorgenommen wurde.

So kann sich der Hörer gut auf die Inhalte der Aussagen konzentrieren.


Inzwischen sind Dick de Zeeuw, Noah Klieger, Albert van Dijk und Henryk Dornik verstorben.

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Stimmen zum Hörbuch „… aber Dora war die Vollstreckung“

Hörbuch "... aber Dora war de Vollstreckung"

Hörbuch „… aber Dora war die Vollstreckung“

Prof. Dr. Stefan Berger, Direktor des Instituts für soziale Bewegungen Ruhr-Universität Bochum:

„Ich muss sagen, dass mir die Sendungen wirklich sehr gefallen haben. Ich finde die Informationen und besonders natürlich die Aussagen der Zeitzeugen ausgesprochen ergreifend. Sie geben auch tiefe Einblicke in die Lagerwirklichkeit und insgesamt scheint mir das Material gerade für den Einsatz im Unterricht ausgesprochen geeignet.“

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Albert van Dijk (ehemaliger Inhaftierter in Mittelbau-Dora):

” … und ich bin der Meinung … , dass Sie die unterschiedlichen Aspekte des KZ, besonders zu Dora,.. noch einmal mündlich mittels Fragen an die letzten Zeitzeugen und Menschen, die die Geschichte des 3. Reiches studiert haben, noch einmal für die Nachwelt festgelegt haben. Das ist sehr wichtig. ”

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Stefan Wimmer:

“Ich habe mir mehrfach dieses neue und bemerkenswerte Hörbuch angehört und bin immer noch in einer Art fasziniert, die einem sehr direkt wahrmacht, was damals passiert ist und dies nun kein Einzelfall war, sondern an vielen Orten geschehen konnte und warum sich alles so entwickelt hat.
Sehr interessant ist vor allem der Aufbau der Sendungen, die einen wie in einer Führung direkt durch alle Bereiche begleitet und durch die Einblicke der Zeitzeugen eine Wirklichkeit offenbart, der wir uns niemals verschließen dürfen.
Gerade auch für den Unterricht und natürlich alle Interessierten ist dieses “zeitgeschichtliche Hörwerk” ein Muss!”

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Michael Gnessner (EPOCHE NAPOLEON):

“Die Sendung hat mir sehr gut gefallen. Insbesondere, dass nicht nur die Verantwortlichen der Gedenkstätte, die ja ebenfalls nachgeborene Personen sind und die Zeit des KZ MIttelbau Dora nur aus Akten und aus Augenzeugenberichten erhalten haben, sondern auch Zeitzeugen und ehemalige Insassen des Terrorlagers zu Wort kamen, macht Ihren Beitrag nach meiner Ansicht sehr wertvoll.”

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Und die Kollegen vom StadtRadio sagen:

…wollte nur mal kurz Feedback weiterleiten: Uli S. (GT-Redakteur) hat mich am Freitag nach der Ratssitzung extra auf deine Sendungen zu Mittelbau-Dora angesprochen. Er konnte nur zwei und die auch nur teilweise hören, weil er im Auto unterwegs war, fand sie aber ausgesprochen gut! Ich selbst habe sie auch nur teilweise nebenbei hören können, schließe mich aber seinem Urteil an. So etwas bräuchten wir häufiger … ”

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” … aber … Dora war die Vollstreckung” – Überlebende des KZ Mittelbau-Dora berichten, 2009 erschienen bei Rhein Mosel TV, C. D. Jentzsch, St. Bernhard Str. 14, 56070 Koblenz, Tel. 0261/82316

 

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„Übrigens, … wir sind die Letzten“ – Ein Hörbuch entsteht

Buchmesse HörbuchDas HÖRBUCH “Übrigens … wir sind die Letzten” – Überlebende des Frauen-KZ Ravensbrück berichten entsteht:

Die Entstehung der Radiosendung über das Frauen-KZ Ravensbrück ist eine kleine Geschichte für sich. Das erste Mal besuchte ich im November 1994 die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück mit einer Gruppe. Von Kindheit an kannte ich Berichte von ehemaligen KZ-Insassen, aber tatsächlich auf dem Boden des Geschehens zu stehen, war sehr beklemmend. Wir standen nach der Führung schweigend im Nebel an dem mit Flutlichtern beleuchteten See und hörten die Wellen klatschen und dachten an die Asche der verbrannten Opfer, die anfangs dort auf den See gestreut wurde. In der Gruppe befand sich auch Annaliese Gerber, die als Kind in der näheren Umgebung von Ravensbrück aufgewachsen ist.

Erst ab 1998 beschäftigte ich mich dann intensiver mit dem Thema Konzentrationslager. Am 7. Januar 1998 besuchte ich im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus 27. Januar“ eine Veranstaltung des gleichnamigen Bündnisses. Die beiden Historiker Dr. Hans Hesse und Jürgen Harder referierten

Dr. Hans Hesse Hörsaal Uni Göttingen

Dr. Hans Hesse Hörsaal Uni Göttingen

über das KZ Moringen. Im gleichen Jahr habe ich in einem Hörsaal der Universität Göttingen im Anschluss an die Filmvorführung „Fürchtet Euch nicht“ von Fritz

Charlotte Tetzner Hörsaal Uni Göttingen

Charlotte Tetzner Hörsaal Uni Göttingen

Poppenberg ein Zeitzeugengespräch mit Charlotte Tetzner geführt, die in dem Film auch zu Wort kommt. Dieses Gespräch wurde mitgeschnitten und war das erste Material zur Radiosendung.

Im Mai 1999 wurde ich dann auch aktiv in dem Bündnis „Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus 27. Januar“ tätig. Da unter anderem die KZ Gedenkstätte Moringen Mitglied des Bündnisses ist, produzierte ich eine 2-teilige Radiosendung über das Frauen KZ Moringen. Die beiden Historiker Dr. Hesse und Jürgen Harder unterstützten mich hierbei. Sie arbeiteten gerade an ihrem Buch „Und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müsste…“, das eine Verbindung zwischen den drei Frauen-KZ´s Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück aufzeigt (2001 veröffentlicht im Klartext Verlag Essen). Sie hatten Änne

Änne Dickmann, Ausstellung Ravensbrück

Änne Dickmann, Ausstellung Ravensbrück

Dickmann über ihre Inhaftierung in den KZ´s Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück interviewt. Das Interview wurde auf Video aufgezeichnet. Dieses Tonmaterial durfte ich für die Radiosendung über das Frauen KZ Ravensbrück verwenden. Einen Teil des Buchtextes trug Dr. Hesse bereits am 7. Oktober 1999 auf einer Tagung im Kunsthaus Zürich vor. Das Referat wurde einige Male durch eine Gedichtlesung der Verse von der Zeitzeugin Klara Schwedler unterbrochen. Martina Müller las die meisten der Verse. Auch dieses Tonmaterial durfte ich verwenden.

Ein weiteres Interview führte ich an einem Sonntag im August 2000 frühmorgens um 8 Uhr am Telefon mit Gertrud Pötzinger. Anlässlich einer Gedenkveranstaltung Anfang  September 2000 machte mich Arno Schelle von der KZ-Gedenkstätte  Moringen auf

Gertud Pötzinger, Ausstellung Ravensbrück

Gertud Pötzinger, Ausstellung Ravensbrück

die anwesende Zeitzeugin Gertrud Müller aufmerksam. Gertrud Müller und ich vereinbarten, dass ich mich bei ihr zwecks Interviews melden solle.

Anfang 2001 war dann endlich die Radiosendung über das Frauen-KZ Moringen fertiggestellt, und ich verabredete mich dann mit Gertrud Müller im April 2001 für ein Treffen anlässlich der Gedenkveranstaltung in Ravensbrück auf dem ehemaligen Gelände des KZ´s. Einen Tag vor dem Treffen, sah ich mir Material in der Bibliothek der Gedenkstätte Ravenbrück an. Als weitere Gesprächsvorbereitung las ich das Buch „Frauen in Konzentrationslagern – Bergen-Belsen-Ravensbrück)“ (hrsg. von Füllberg. Stolberg, u.a., Bremen 1994). Der ehemalige österreichische Gedenkdiener Günther Heilmeyer besorgte mir bei Ilse König in Lychen eine Unterkunft und zeigte mir auf dem Gelände das Gebäude, in dem ich mich mit Gertrud Müller traf und eine Stunde unterhielt. Das Gespräch wurde auch aufgezeichnet.

Im Rahmen der Gedenkveranstaltung vermittelte Cordula Hoffman [Anm.: jetzt Hundertmark] von der Gedenkstätte Ravensbrück mir den Kontakt zu den polnischen

 Gedenkfeier Ravensbrück


Gedenkfeier Ravensbrück

Zeitzeuginnen Hanna Walczuk (geb. Dickhof) und Wanda Rosiewicz, die von Gisela Multhaupt betreut wurden. Außerdem konnte ich die Zeitzeugin Ilse Heinrich interviewen.

Im Mai 2001 erhielt ich von Dr. Hesse den Tipp, mich zwecks genauerer Zahlen an den Historiker Dr. Bernhard Strebel zu wenden, der gerade seine Dissertation über das KZ Ravensbrück schrieb. Dr. Strebel las die von mir inzwischen aufgeschrieben Zeitzeugengespräche gegen und gab mir noch hilfreiche Erklärungen dazu. Außerdem hatte er noch einige wichtige Buchtipps für mich. Auch ihn konnte ich telefonisch interviewen.

Im September 2001 war ich anlässlich der Buchpräsentation von „Und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müsste…“ erneut in Ravensbrück. Günther Heilmeyer und Ilse König stellten für mich den verlorenen Kontakt zu Annaliese Gerber wieder her. Diese konnte mir

Annaliese Gerber u. Anneliese Neukirch

Annaliese Gerber u. Anneliese Neukirch

dann ein Interview mit Anneliese Neukirch vermitteln. Am Morgen der Buchpräsentation begleitete mich Annaliese Gerber zu Anneliese Neukirch.

Ende 2001 begann ich, den Text der Radiosendung zu schreiben. Ich hatte bis dahin ganz gut den Abstand zu dem Gehörten und Gelesenen halten können, aber beim Schreiben des Textes hatte ich Phasen, in denen ich nachts von den Schilderungen meiner Interviewpartnerinnen träumte. Besonders der Teil über die Kinder viel mir schwer zu schreiben.

Nach Fertigstellung des Textes las mir netterweise Martin Guse den Text gegen und half mir durch seine konstruktiven Anmerkungen den Text zu verbessern. Er selbst hat über das Jugend-KZ Uckermarck in der Nähe von Ravensbrück geforscht.

Am 24. Januar 2002 wurde der erste Teil der Sendung im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt.

Seitdem wurde die Sendung in sechs nichtkommerziellen Radiosendern mehrfach ausgestrahlt. Ein besonderes Interesse kam von Hörern aus Braunschweig. Dort wurde sogar eine Kopie der Sendung für die Mitnahme nach Israel erbeten.

Durch Zufall bekam ich telefonischen Kontakt zu Elisabeth Prégardier, die zahlreiche Artikel und Publikationen zu den politischen christlichen Frauen in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus veröffentlich hat. Sie bat mich, ihr den Text meiner Radiosendung zu kommen zu lassen. Nach Erhalt des Textes ermunterte sie mich, ihn mit Fotos der Zeitzeuginnen und Fußnoten zu versehen und einbinden zu lassen, da sie gerne den Text der von ihr konzipierten Frauenausstellung „Christliche Frauen im Widerstehen gegen den Nationalsozialismus“ beilegen wollte. Die KZ Gedenkstätte Ravensbrück und das Geschichtsarchiv der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Selters unterstützten mich mit Fotos. Karlo Vegelahn erstellte dann das Layout. Für die Druckfassung wurden die Interviews der besseren Lesbarkeit wegen leicht überarbeitet.

Den Text tatsächlich mit der CD durch einen Verlag zu veröffentlichen, war für mich recht lange Utopie, aber bedingt durch den Tod von drei Zeitzeuginnen (Gertrud Pötzinger, Änne Dickmann und Anneliese Neukirch) aus der Sendung änderte sich meine Sichtweise.

Ich wollte, dass das Andenken an die Leiden dieser Frauen und die Stimmen der Zeitzeuginnen für spätere Generationen bewahrt werde.

Ich bedanke mich besonders bei den Zeitzeuginnen dafür, dass sie mir so bereitwillig über ihre Erlebnisse berichtet haben. Bedanken möchte ich mich auch bei den Historikern für Ton-und Textmaterial sowie hilfreichen Anmerkungen. Für ihre Hilfe bedanke ich mich auch bei der KZ Gedenkstätte Ravensbrück, besonders bei Cordula Hoffmann [Anm.:jetzt Hundermark], Britta Pawelke und Dr. Horst Seferens sowie dem Geschichtsarchiv der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, insbesondere Johannes Wrobel, und allen, die mir in irgendeiner Weise bei der Erstellung der Radiosendung geholfen haben. Ohne sie alle wäre diese Sendung sicherlich nicht zustande gekommen. Mein Dank gilt auch denjenigen, die mich moralisch unterstützten und immer ein offenes Ohr für dieses Projekt hatten, ich denke da besonders an Gisela Multhaupt und an meine Kollegen Peter Schelwis und Markus Eidt.

Göttingen im Februar 2005 Ingeborg Lüdtke

(C) Ingeborg Lüdtke

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Anmerkung: Inzwischen sind Änne Dickmann, Gertrud Pötzinger, Gertrud Müller, Annaliese Gerber, Anneliese Neukirch und Charlotte Tetzner verstorben.

Kommentar: Die von mir interviewten Zeitzeuginnen kamen aus verschiedenen Gründen in das KZ: Als Kommunistinnen, als Tochter eines Kommunisten (im KZ konventiert zu den Zeugen Jehovas), als asozial abgestempelt, als Zeuginnen Jehovas, und als Polinnnen nach dem Warschauer Aufstand (u.a. der polnischen Intelligenz zugehörig).

Annaliese Gerber berichtet aus der Sicht des Kindes, was sie in Lychen beobachtet hat und Anneliese Neukirch hat als Zivilistin außerhalb der Mauern von Ravensbrück in einer Holzpantinen-Fabrik mit den Inhaftierten zusammengearbeitet.

Übrigens … wir sind die Letzten” – Überlebende des Frauen-KZ Ravensbrück berichten (Hörbuch) Download noch möglich (wenige Restexemplare noch bei mir vorhanden).

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„Küssen oder so …“ Göttinger Gänsellieselfest 2007

Elena Ahlborn ist das neue Gänseliesel

Gänselieselfest 001Neugierig gereckte Hälse, hochgehaltene Handy´s zum Schnappschuss bereit, so stehen Tausende dichtgedrängt vor der Bühne am Alten Rathaus. Jung und Alt möchte Maite Itoiz und John Kelly von der Kelly-Family sehen und hören. Ihre Life-Musik kommt an. Maite singt und tanzt beschwingt und feenhaft, während John voll Hingabe singt. Zuletzt singen sie das Volkslied „Sah ein Knab´ ein Röslein stehn.“ Aber die Rose von Göttingen – das Gänseliesel – muss noch gewählt werden.

Die Göttinger Innenstadtorganisation “Pro City” und das Magazin “Blick” veranstalten zum 12. Mal das “Gänselieselfest“. Die Jury hat die schwierige Aufgabe unter acht Kandidatinnen das Gänseliesel aus zu wählen. Die Gewinnerin wird 2008 die Stadt Göttingen bei Veranstaltungen repräsentieren. 3000 „Blick“-Leser trafen aus den 49 Bewerbungen eine Vorentscheidung. Nun ist es endlich soweit. Paarweise betreten die jungen Frauen den Laufsteg. Durch die lockere Moderation von Christoph Dannowski („Neue Presse“) verlieren die Bewerberinnen schnell ihr Lampenfieber. Sie werden gefragt, warum sie Gänseliesel werden möchten oder wofür sie alles stehen und liegen lassen würden. Die Antworten lassen die Zuschauer schmunzeln. Eine der jungen Damen findet es schön, dass das Gänseliesel so „oft geküsst“ wird, eine andere lässt für „Haxe mit Sauerkraut“ alles liegen. Die Entscheidung ist gefallen. Die angehende Sozialassistentin Elena Ahlborn (19) hat sich gegenüber ihren sieben Mitbewerberinnen durchgesetzt. Constanze Kolb und Laura Weiß belegen die Plätze zwei und drei. Nun darf auch endlich geküsst werden. Oberbürgermeister Wolfgang Meyer küsst als Erster.

Gänselieselfest 004Das neue Gänseliesel erhält den traditionellen Korb mit der Gans. Als Hauptgewinn wird ihr der Schlüssel eines BMW Z4 überreicht. Ein Vierteljahr lang darf sie damit kostenfrei fahren.

Als Mini-Gänseliesel wurde die blonde Sophia Siel im Dirndl gewählt. Ihre kleinen Stellvertreterinnen sind Kira Häcker und Klara Louise Giro.

Obwohl mitten im Gewühl stehend, wird das Mädchen sehr wenig beachtet. Es steht bescheiden mit gesengtem Kopf unter dem gusseisernen Baldachin. Still lächelt es vor sich hin. In dem linken Arm hält es liebevoll eine Gans, während es mit der rechten Hand die Gans fest an den Flügeln packt. Eine dritte Gans lugt neugierig aus dem Korb. Aus den Schnäbeln der Gänse sprudelt Wasser hervor. Auf ihrem Brunnenrand sitzen Zuschauer, die vom langen Stehen müde sind. Sie haben nur Blicke für das lebende Gänseliesel auf der Bühne. Das Gänseliesel war zu Lebzeiten gewohnt, nicht beachtet zu werden. So sagt es die Legende. Die uneheliche Tochter einer berühmten Göttinger Persönlichkeit soll dem Bildhauer Paul Nisse für das Gänseliesel Modell gestanden haben. Verachtet und verarmt habe sie als Gänsehüterin leben müssen. Ihr politisch einflussreicher Vater habe angeblich versucht, das Aufstellen des Gänseliesels zu verhindern.

Besucher lieben das Mädchen. Kopien der Figur stehen sogar in Japan und in Wien. Das heutige Gänseliesel auf dem Brunnen ist auch nur eine Kopie. Trotz Kussverbot von 1926 wurde die Originalfigur immer wieder geküsst und erklettert. Das ging nicht spurlos an ihr vorüber. Ihren wohlverdienten Ruhestand verbringt sie nun im Städtischen Museum. Da sich sowieso niemand an das Kussverbot gehalten hat, darf die Kopie des Gänseliesel nun wieder offiziell geküsst werden. Am kusswütigsten sind die Göttinger Doktoranten. Nach bestandenem Examen muss das Gänseliesel geküsst werden , ob man will oder nicht.

So will es der Brauch. Es ist deshalb nichts Ungewöhnliches, dass eine lärmende Menge mit einem bunt geschmückten Handwagen vor dem Gänselieselbrunnen steht, während ein Mann oder eine Frau im Talar kletternd versucht, dem Gänseliesel einen Kuss geben.

Nur das Gänseliesel weiß, wie oft es geküsst wurde. Es genießt und lächelt bescheiden vor sich hin. Ganz anders reagiert das neugewählte Gänseliesel. Elena Ahlborn ruft laut vor Freude: „Jetzt bin ich´s“.

(c) Ingeborg Lüdtke

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„Gedenk-und Erinnerungskultur … ist mehr … als Kranzabwürfe von Politikern“

BündnisFlyerDas Göttinger Aktionsbündnisses „Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus 27. Januar“ besteht seit 15 Jahren. Die Sendung wurde damals zum 4-jährigen Bestehen des Bündnisses am 10. Dezember 1999 im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt.

Roman Herzog hat den 27. Januar zu einem Gedenktag erklärt.
Der 27. Januar ist nun offiziell ein „Tag des Gedenkens für die Opfer des Nationalsozialismus“.

Was ist das überhaupt für ein Datum?
Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager in Auschwitz befreit.

Vielleicht haben Sie sich auch gerade gedacht:
Schon wieder ein neuer Gedenktag?
Haben wir denn nicht schon genug Gedenktage?
Bürger verschiedener Städte begrüßten diesen neuen Gedenktag.
Sie schlossen sich in Bündnisse zusammen. Sie möchten diesen Gedenktag angemessen begehen.
Auch in Göttingen gibt es ein solches Bündnis.

Es ist das Aktionsbündnis Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus 27. Januar.

Ich hatte Gelegenheit mit Marc Czichy von der Göttinger Geschichtswerkstatt [Anm.:heute Historiker, nicht mehr im Bündnis, Leiter der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen] darüber zu sprechen.

Meine erste Frage an ihn war:

Wer hat dieses Aktionsbündnis „Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus 27.Januar“ ins Leben gerufen und seit wann gibt es dieses Bündnis?

Marc Czichy:

Das Bündnis „Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus 27. Januar“ hier in Göttingen geht auf eine Initiative der Geschichtswerkstatt Göttingen vom Januar 1996 zurück. Am 27. Januar 1996 wurde der von Ihnen bereits angesprochene Gedenktag zum 1. Mal begangen. Seinerzeit hat die Geschichtswerkstatt mit Absprache mit der Göttinger Gesellschaft für christliche jüdische Zusammenarbeit mehrere Göttinger Gruppen und Initiativen eingeladen, um sich über Sinn und Zweck des ja sozusagen damals neuen Gedenktages auszutauschen. Es ging dabei vor allem um die Frage wie mit einem Gedenktag umzugehen ist, der zunächst einmal von oben gesetzt worden ist und eine breite gesellschaftliche Diskussion. Letztendlich entschieden sich die damals Anwesenden, sich zu einem Aktionsbündnis zusammen zu schliessen und dem verordneten Gedenken von oben eine Veranstaltungsreihe entgegen zu setzten, die sich in ihrer Konzeption und Inhalten eben kritisch mit Gedenken und Erinnern im Nachkriegsdeutschland bis heute auseinandersetzt, aber eben auch die Schwierigkeiten des 27.Januars als Gedenktag thematisiert. Inzwischen findet die Veranstaltungsreihe zum 4. Mal [Anm.:2011 zum 15. Mal] statt und es bleibt außerdem festzuhalten, dass die Initiative der Göttinger Gruppen zum 27.Januar in Niedersachsen bisher unseres Wissens einzigartig ist.

Ingeborg Lüdtke:

Welche Gruppen oder Personen gehören dem Bündnis an?

Marc Czichy:

Dem Bündnis gehören zunächst Gruppen und Initiativen an, die als Vertreter von Opfergruppen im Bündnis sind oder von Opfergruppen, die unter deutschen Faschismus verfolgt und ermordet wurden. Hier ist zunächst die jüdische Gemeinde Göttingen zu nennen, die Zeugen Jehovas [Anm.:seit 2007 nicht mehr] und der DGB [Anm.: Dt. Gewerkschaftsbund] für die Verfolgten aus der Arbeiterschaft. Anfangs gehörten auch die Beratungsstelle für Sinti und Roma [Anm.: nicht mehr] und das Göttinger Schwulenzentrum [Anm: nicht mehr] zum Bündnis. Außerdem sind die beiden nahen KZ-Gedenkstätten Mittelbau Dora und Moringen im Bündnis vertreten, darüber hinaus die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Göttingen, das Göttinger Friedensbündnis [Anm.: nicht mehr], der ASTA, der Göttinger Universität, die Hochschulliste OLAFA, das ist eine Abkürzung für Offene linke Liste ASTA für alle, die Göttinger Zeitschrift Pampa [Anm.: nicht mehr] sowie die Geschichtswerkstatt und mehrere Einzelpersonen.

Ingeborg Lüdtke:

Welches Ziel hat das Bündnis?

Marc Czichy:

Zunächst haben wir ein Anliegen, das schon durch die Konzeption der Veranstaltungsreihe vorgegeben ist, den 27. Januar als den Tag der Befreiung von Auschwitz in einen historischen politischen Kontext zu stellen, deshalb findet die Veranstaltungsreihe zwischen dem 9. November, dem Jahrestag des Pogroms von 1938 und dem 30. Januar, dem Jahrestag der Machtübertragung an Hitler statt. Dabei geht es uns auch darum, unsere Schwierigkeiten mit dem Gedenktag zu artikulieren. Inwiefern ist es möglich, dass die Bundesdeutsche Gesellschaft, die hauptsächlich aus Täterinnen und Mitläuferinnen und deren Nachkommen besteht sich eines Tages erinnern kann, der zunächst den Überlebenden und den Nachkommen der Ermordeten gehört. Außerdem stellt sich die Frage, wie sich Gedenken und Erinnern nur auf einen Tag fokussieren kann und es eben gerade dieses sehr schnell zu einem rituellen Gedenken führen kann, das dann vielleicht sehr schnell zu einem Relativieren und Vergessen werden kann und dagegen wehren wir uns und wir möchten versuchen dazu beizutragen eine regionale Gedenk- und Erinnerungskultur zu schaffen die eben politisch ist und mehr als ist Kranzabwürfe von Politikerne, d.h. für uns als Bündnis auch politisch zu agieren und sich zu Wort zumelden, wenn z.B. sehr stark z.B. die gegenwärtige Bundesregierung und andere gesellschaftliche Gruppen versuchen einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit dem NS zu setzten. Aus diesem Grund findet z. B. im Rahmen des Bündnisses in diesem Jahr eine Veranstaltung statt, die sich kritisch mit der Rede von Martin Walser im letzten Jahr beschäftigt und mit den Folgen, die aus dieser Rede ja sich ablesen lassen, da geht es vor allem um die Frage, wie es weiter ein Gedenken und Erinnern des NS in diesem neuen vereinten Deutschland bestellt ist und auch darum wie sich das Verhältnis zwischen Jüdinnen und Juden und Nicht-Jüdinnen und Nicht-Juden in diesem Land verändert hat durch die Rede.

(Musikakzent)

Sprecherin:

Für mich war es auch interessant mit einigen Gruppen aus dem Bündnis zu sprechen.

Stellvertretend für das Bündnis habe ich mit Vertretern von 3 Gruppen gesprochen.

Meine erste Gesprächspartnerin war Eva Tichauer Moritz [verstorben].

Sie ist Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Göttingen [Anm.: später Vorsitzende der Jüdische Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen e.V.].

Meine Frage an sie lautete:

Warum ist es für Sie wichtig, dass der 27. Januar nicht zu einem rituellen Gedenktag wird?

Eva Tichauer Moritz:

Dieser Gedenktag ist weit davon entfernt zu einem ritualisierten Gedenktag zu werden. Zuerst muss es in dem Bewusstsein der Leute kommen. Am 27. Januar ist die Befreiung des Vernichtungslager Auschwitz gewesen und viele Menschen, die dort befreit worden sind, haben es trotzdem nicht mehr überleben können, weil sie zu entkräftet waren, weil sie zu krank waren. Menschen mussten noch nach diesem Lager in den Wäldern um ihr Leben kämpfen. Sie mussten sich verstecken, Frauen wurden vergewaltig, obwohl sie in diesem Zustand waren. Sie mussten lange noch, um ihr Überleben kämpfen. Auch später z.B. in Polen sind viele Juden noch ermordet worden, nur weil sie Juden waren.

(Musikakzent)

(Daniel Kempin/Dimitry Reznik)

Eine weitere religiöse Gruppe in dem Bündnis sind die Zeugen Jehovas.

Wilfried Voigtländer ist für die Öffentlichkeitsarbeit [regionaler Beauftragter für Nachrichten] der Zeugen Jehovas in Göttingen zuständig.

Meine Frage an ihn war:

Warum beteiligen sich Zeugen Jehovas an diesem Bündnis?

Wilfried Voigtländer:

Jehovas Zeugen gehören wie die Juden und auch andere, ebenfalls zu einer verfolgten Opfergruppe der NS-Zeit. Aus diesem Grunde ist es richtig die Vergangenheit aufzuarbeiten und das tun wir gerne in dieser Bündnisarbeit. Ein Satz wäre in diesem Fall noch interessant, was das Erinnern betrifft: „Wenn man sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist man verurteilt, sie zu wiederholen“.

In unserer Veranstaltung am 15. Nov. haben wir auf diese Dinge hingewiesen. Im Mittelpunkt standen dann besonders die Menschenrechte und sie wurden aufgearbeitet mit der NS-Zeit. 400 Zuhörer haben dieser Veranstaltung beigewohnt.

(Musikakzent)

Mein dritter und letzter Gesprächspartner war Sebastian Wertmüller.

Er ist Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes für den Kreis Göttingen-Northeim [Anm.:heute Bezirksgeschäftsführer Ver.di Braunschweig].

Meine Frage lautete:

Warum beteiligt sich der Deutsche Gewerkschaftsbund an dem Aktionsbündnis?

Sebastian Wertmüller:

Es gibt zwei sehr einfache sehr leicht nach vollziehbare Gründe, warum der DGB sich an diesem Aktionsbündnis beteiligt. Grund Nr. 1 ist: Gewerkschaften haben ja eine Geschichte, die auch mit dem Nationalsozialismus zusammenhängt. Sie waren von 1933 bis 1945 verboten und ihre Häuser wurden aufgelöst, bzw. beschlagnahmt, ihr Vermögen beschlagnahmt. Viele Mitglieder sind in KZ´s gelandet, also es gibt einen guten Grund sich auch der gewerkschaftlichen Geschichte im Faschismus zu erinnern und der andere Grund ist ein ebenso einfacher: Gewerkschaften haben so wie andere Organisationen auch ein gesellschaftliche Verpflichtung und die heißt zu erinnern an die Zeit 1933 bis 1945 an die Vernichtung der Juden, an die Vernichtung und Ermordung der Sinti und Roma und andere Bevölkerungsgruppen und deswegen beteiligen wir uns an diesem Bündnis.

(Musikakzent)

Gedenktage sind auch Tage der Erinnerung.

Der Philosoph Ludwig Joseph Johann Wittgenstein wurde gebeten das Erinnern oder Gedenken zu definieren.

Er antwortete:

„Erinnern: Ein Sehen in die Vergangenheit.“

Der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar ist ein Sehen in die Vergangenheit.

(Musik von Daniel Kempin/Dimitry Reznik)

© Ingeborg Lüdtke

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Anmerkung:

Einige der früher teilnehmenden Gruppen oder Institutionen sind aus verschiedenen Gründen nicht mehr im Bündnis aktiv. Einige der offiziellen Vertreter der konstanten Gruppen und Institutionen haben inzwischen gewechselt. Neue Gruppen kamen hinzu.

Wilfried Voigtländer ist am 13.10.2023 verstorben.

Der Text über die Zielsetzung des Bündnisses hat sich inzwischen leicht geändert: http://www.gedenken-an-die-opfer-des-nationalsozialismus.de/

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Sybille Biermann-Rau, An Luthers Geburtstag brannten die Synagogen

Sybylle Biermann-Rau hat im Calwer Verlag das Buch An Luthers Geburtstag brannten die Synagogen veröffentlicht.

Sie untersucht u.a. Luthers “scharfe” Worte gegen die Juden aus seiner späteren Zeit, das Aufgreifen dieser Wort von der SS, die Haltung der “Bekennenden Kirche in den einzelnen Phasen gegen über dem NS-Staat, den Juden und den getauften Juden.

Sie spricht auch über das Ausstellen der sogenannten “Ariernachweise“, die die evangelischen und katholischen Pfarrämter zur Klassifizierung von Juden und Ariern ausgestellt haben.

Ebenso weist sie auf das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben mit Sitz in der Bornstraße 11 in Eisennach hin, das das Volkstestament “Die Botschaft Gottes” und den Katechismus “Deutsche mit Gott” erarbeitet.

An Luthers Geburtstag brannten die Synagogen
Eine Anfrage
Sibylle Biermann-Rau
Calwer Paperback
Herausgegeben von der Calwer Verlag-Stiftung
352 Seiten mit 18 sw-Abbildungen
1. Auflage 2012
broschiert
Format: 12,2 x 20,5 cm
ISBN 978-3-7668-4204-6

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„Ich bin nicht als Heldin geboren“


Die Sendung wurde am 16. November 1998 im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt

Zeitzeugengespräch mit  Hermine und Horst Schmidt nach der Filmvorführung „Standhaft trotz Verfolgung“ am 21.10.1998 im Hörsaal101 der Universität Göttingen. Ein Rahmenpropramm zur gleichnamigen Ausstellung in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.

Hermine und Horst Schmidt kommen in dem „Standhaft“- Video zu Wort. Beide wurden als Bibelforscher, wie die Zeugen Jehovas damals genannt wurden, inhaftiert. Hermine Schmidt war in Danzig in Gestapohaft und wurde in das KZ Stutthof verlegt. Durch eine Zwangsevakuierung über die Ostsee gelangte sie auf die dänische Insel Mön und wurde dort am 5. Mai 1945 befreit.

Hermine und Horst Schmidt

Hermine und Horst Schmidt

Horst Schmidt wurde wegen der verbotenen Verbreitung der Literatur der Bibelforscher und der Kriegsdienstverweigerung zum Tode verurteilt. Er wartete im Zuchthaus Brandenburg-Görden auf seine Hinrichtung und wurde 27. April 1945 von den Russen befreit.
Beide haben diese schlimme Zeit überlebt. Wilfried Voigtländer hat sie befragt:

Wilfried Voigtländer:

Frau Schmidt, sollte man die Erinnerung an die Vergangenheit wach halten?

Hermine Schmidt:

Ja, sollte man das? 50 Jahre haben wir ja geschwiegen und vielleicht kann ich sogar sagen: Es war ein „lärmendes Schweigen“. Da gibt es das Opfersyndrom: Die Täter schlafen nachts gut, die Opfer haben Ihre Schwierigkeiten. Ich mache auf alle einen freudigen Eindruck und ich bin ein glücklicher Mensch durch meinen Glauben. Aber glauben Sie nicht, dass mir die Dinge, die wir eben im Film gesehen haben nicht „in die Kleider gegangen sind“ [Redewendung]. Ich war viele Jahre (vom 17. -21. Lebensjahr) von meiner Familie getrennt. Das sind so markante Jahre. Ich war jung und ich kann Ihnen sagen: Die Gestapo hat nichts, aber auch gar nichts unversucht lassen, im Guten und im Bösen, um mich zu brechen. [Noch heute kommen mir die Erinnerungen], wenn ich die Bilder von diesem bis an die Zähne bewaffneten Regime sehe. Stellen Sie sich vor: Ich dummes Ding sage: „Nein, das mache ich nicht mit.“ Es ist mir noch heute unverständlich, [wie ich dies durchstehen konnte]. Ich bin nicht als Held[in] geboren [worden]. Ich war ein ganz normales Mädchen, interessiert an den schönen Dingen des Lebens: Kunst, Musik, Natur und Sport.
Aber es ging um meine Treue zu meiner Überzeugung, nach meinem Gewissen zu handeln. Da gab es für mich keinen Zweifel. Ich glaube, dass es für junge Leute – egal, wie sie uns[erer Religion gegenüber stehen] – gar nicht so uninteressant ist auf die Frage „Sollte man es erzählen?“ zu sagen: [ …] in einer glaubenslosen Welt christliche Moral zu praktizieren, ist eine Herausforderung. Aber da kann ich tröstend sagen: Damals ging es um Leben und Tod! Heute ist es auch schwer, aber vielleicht kann man daraus eine Schlussfolgerung ziehen und unter Umständen auch Kraft schöpfen und sagen: Wir können weit über uns hinauswachsen, wenn es nötig ist. Ich könnte jetzt ganz viel erzählen, aber ich glaube, es sprengt den [zeitlichen Rahmen].

Wilfried Voigtländer:

Herr Schmidt, sollte man die Erinnerung an die Vergangenheit wach halten?

Horst Schmidt:

Das könnte ich in einem Satz abhandeln: Damit es sich nicht wiederholt und ich glaube, dass wir ziemlich nahe daran sind. Aber ich meine, dass wir heute genug von Not und Tod gesprochen haben. Sie haben es ja auch [in dem Film] gesehen. Wenn wir beide nun heute hier her gekommen sind, dann könnte ich das in einem Satz begründen und ich könnte sagen: „Das können wir bezeugen!
Wenn Sie uns fragen würden, was uns eigentlich geholfen hat, dass man so etwas überhaupt durchsteht, dann kann ich eins sagen: Es ist unser Glaube gewesen, nach den Geboten Gottes zu leben. Nun sind 50 Jahre und mehr vergangen und es ist leider so, das [der] Glaube eine Sache ist, die heute nicht mehr gefragt ist. Gott ist unwichtig geworden. Im Allgemeinen sagt der Begriff Gott nichts mehr. Und wenn der Begriff Gott nichts mehr sagt, dann ist auch die Bibel unwichtig geworden. Ich habe einmal mit einer Journalistin gesprochen. Wir waren uns beide darüber einig, dass wir in einer Zeit der geistigen Werteumstellung leben und das der Mensch heute das Maß aller Dinge geworden ist. Also nicht mehr Gott und nicht mehr sein Wort, sondern die Humanität, die Menschlichkeit. Das ist das, was heute überhaupt noch zählt.
Aber denken Sie bitte einmal darüber nach: Ist diese Humanität, die Menschlichkeit nicht schon längst in den Gaskammern von Auschwitz und anderen Konzentrationslagern zugrunde gegangen? Zugrunde gegangen mit menschenunwertigem Leben, mit Homosexuellen, mit politischen Häftlingen, mit Sinti und Roma, mit 6 Millionen Juden und Zeugen Jehovas? Ich möchte keinen Vortrag halten, aber Sie werden jetzt fragen: „Wo ist denn Ihr Gott? Wo ist denn Ihr Gott damals gewesen, als Sie dies erlebt haben?“ Ich kann Ihnen antworten: „Gott war da!“ Er war mit denen gewesen, die versuchten nach ihrem Glauben zu leben. Sie haben vorhin in dem Film von unserem Glaubensbruder Josef Niklasch gehört, [wie er sagte], dass ein Beamter in Brandenburg-Gördenburg gesagt hätte, die Zeugen Jehovas seien anders als die anderen Häftlinge in den Tod gegangen. Sie seien mit Würde hineingegangen. Der Leiter der Gedenkstätte Brandenburg, Herr Görlitz sagte über Wolfgang Kusserow: Er sei in der vollen Überzeugung in den Tod gegangen, in diesem Leben richtig gehandelt zu haben. Circa 200 Zeugen Jehovas sind hingerichtet worden, circa 2000 sind im KZ ermordet worden. Warum? Weil sie den Geboten Gottes gehorsam sein wollten und (sie weil christliche Werte aufrecht) erhalten haben.
[Wir beide sind hier], weil wir dieses Inferno überstanden haben. Aber wenn man [dann nach Jahrzehnten wieder] 30 Schritte vor der Guillotine steht [Anm.: gemeint ist sein Besuch in der Gedenkstätte Brandenburg], fragt man sich: „Warum musstest Du diesen Weg nicht gehen?“ Man wird nachdenklich. Nun vielleicht aus dem einfachen Grund, um Ihnen zu sagen: „Das darf sich nicht wiederholen!“

Wilfried Voigtländer:

Frau Schmidt, wie haben Sie das Erlebte verarbeitet?

Hermine Schmidt:

Es ist tatsächlich ein Brandmal, ein Feuermal. Man versteckt, was keiner sehen braucht Hermi Schmidtund soll, aber es ist immer da. Es ist nicht ganz leicht damit fertig zu werden, weil man uns ja wirklich gedemütigt und aufs Tiefste verletzt hat. Ich war ein Jahr in den Händen der Gestapo. Durch dieses Tor [gemeint ist das KZ Stutthoff bei Danzig] gingen 110.000 Menschen. Ich habe heute einen Brief bekommen, in dem steht, dass nur 10.000 [Häftlinge] überlebt haben. Ich habe immer an mehr geglaubt und auch mehr gelesen. [Laut Wikipedia sind circa 65. 000 gestorben.]
Wenn man das überstanden hat, hinterlässt dies natürlich Wunden, da man die ganze Zeit nicht darüber gesprochen hat. Es wollte ja keiner hören, so sind die Narben in die Tiefe gegangen. Nur ganz wenige, die sensibel waren, wollten es hören. Sie zogen Ihre Schlüsse, weil ich ein glücklicher Mensch bin. Sie sagten: „Wenn Du das überstanden hast, dann kann ich es auch.“ Da ist ein Sinn drin.
Ich schaue heute nicht im Zorn zurück, sondern in sehr großer Dankbarkeit dafür, dass ich die Kraft gehabt habe, treu zu sein. Heute gibt es auch viele Prüfungen in Bezug auf Treue. Wir sehen wie Familien auseinanderdriften und so weiter. Bei jeder Kleinigkeit wird es hingeworfen. Vielleicht können wir mit dem, was hier aufgezeigt wird, zeigen was Treue bedeutet. Wenn man nach dem Gewissen handelt, [wird man belohnt], weil man Frieden hat: Frieden mit sich selbst und Frieden mit seinem Gott. [ …] Auch ist der Glauben an meinen Schöpfer verinnerlicht und vertieft worden durch dieses Leid und darum möchte ich nichts von diesen Erfahrungen missen. Ich kann sagen: Es ist ein lebendiger Gott, dem wir dienen dürfen.

Wilfried Voigtländer:

Sind Jehovas Zeugen besondere Übermenschen, wenn Sie dem Druck unter Verfolgung damals aushielten?

Horst Schmidt:

Ich weiß gar nicht, was ein Übermensch ist. Darüber habe ich mir noch Gedanken drüber gemacht. Wir haben Schwächen gehabt. Wir haben Fehler gemacht. Wir werden wieder Fehler machen. Wir sind einfach unvollkommene Menschen. Nein, das gibt es nicht.
Wir sind hier in einer Universität, wie ich selbst mittlerweise auch bemerkt habe. Horst Schmidt[Anspielung auf die wenigen Zuhörer] Aber Humanismus ist eigentlich sinnlos ohne christliche Werte. Humanismus und Menschlichkeit gibt es nicht ohne christliche Werte. Und darum möchte ich Ihnen sagen: „Wenn das so ist – und es ist so – dann kehren Sie doch bitte wieder zurück [zu Gott] und sagen: ‚ Es gibt einen Gott’. Und wo gibt es größere Gebote in ganz einfacher Form? Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben und deinen Nächsten, wie dich selbst. Du sollst nicht töten. Wenn wir uns daran halten, wenn wir das wieder schaffen, dann haben wir viel geschafft. Glauben Sie mir eines: Der Glaube ist etwas, was uns Sicherheit gibt. Glaube vermittelt uns bestimmt auch Ruhe und Glaube gibt uns auch eine Hoffnung. Sehen Sie, weil das so ist, deshalb sind wir damals durchgekommen. Nicht weil wir Übermenschen waren.

Wilfried Voigtländer:

Eine Frage an Sie beide: Was können Sie uns aufgrund Ihrer Erfahrung den Zuhörern mit auf den Weg geben?

Hermine Schmidt:

Vorhin auf dem Weg [hierher] wurde mir klar, dass meine Eltern vor 80 Jahren begannen diesen Weg zu gehen. Darum kann ich nur sagen: Es ist ein schwerer Weg. Es ist kein leichter Weg. Das wird ja auch in Gottes Wort so gezeigt. Aber es ist der schönte, der beste Weg, von dem man auch nicht um einen Preis ein Stück abgehen sollte. Man muss an einem auch arbeiten: [An der] Freude. Mein Mann sprach vom Glauben. Klar, die Liebe, die sollten wir praktizieren und auch an der Freude arbeiten. Die Freude in unserem Gott, das sollte unsere Stärke sein.

Horst Schmidt:

Sie wollen heute viel von mir. Ich weiß nicht, ob ich es zusammen bekomme: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass“. Das hat einmal Elie Wiesel gesagt. Er ist ein rumänischer Schriftsteller, ein Jude, der maßgeblich am dem Zustandekommen des Holocaust-Museum [Anm.:United States Holocaust Memorial Museum, Washington] beteiligt war. „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass [1]. Das Gegenteil von Hoffnung in nicht Verzweiflung. Das Gegenteil von gesundem Menschenverstand ist nicht Dummheit. Das Vierte ist [mir entfallen]. Das Gegenteil, das ist die Quintessenz von allen Dingen, das ist die Gleichgültigkeit. Und um Ihnen da zu sagen, sind wir heute hier gewesen.

[1][Originalzitat von Elie Wiesel: “Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass und
Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweiflung und
Das Gegenteil von gesundem Menschenverstand ist nicht Wahnsinn und
Das Gegenteil von Erinnern ist nicht Vergessen.
Das Gegenteil aller diese Dinge ist die Gleichgültigkeit.”]

© Ingeborg Lüdtke

Text- und Data-Mining: Ich behalte mir eine Nutzung aller Inhalte dieser Webseite für kommerzielles Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Anmerkung: Horst Schmidt ist inzwischen verstorben. Hermine Schmidt verstarb am 31.3.2024. https://alst.org/aktuelles/letzte-deutsche-kz-ueberlebende-der-ns-opfergruppe-jehovas-zeugen-gestorben

Wilfried Voigtländer war für die Pressearbeit der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Göttingen zu ständig. Er verstarb am 13.10.23.

Literaturhinweis:

Hermine Schmidt, Die gerettete Freude. Eines jungen Menschen Zeit 1925-1945. Autobiographie. © d M b agentur verlag, Potsdam-Babelsberg, 2001

Hermine Schmidt, Unfetteres Joy. A Survivor Memoir, Gramma Books, Kopenhagen, 2005 (Englisch)

Horst Schmidt, Der Tod kam immer montags. Verfolgt als Kriegsdienstverweigerer im Nationalsozialismus. Hrsg. Hans Hesse. Klartext Verlag, Essen 2003

Detlef Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium, Die Zeugen Jehovas im „Dritten Reich“. (Studien zur Zeitgeschichte, Bd.42), 3., überarb. Und um ein Nachw. Erg. Auflage, Oldenbourg, 1997, S. 341, 349

Filme:

Fritz Poppenberg, Das Mädchen mit dem Lila Winkel , Drei Linden Film, Berlin 2006
Das Mädchen mit dem Lila Winkel – Uraufführung des Filmes in der Urania Berlin am 6.9.2003, Rhein- Mosel –TV, Koblenz 2003

Der Tod kam immer montags – Autorenlesung mit Horst Schmidt und Hans Hesse (Höhepunkte aus dem gleichnamigen Buch), Rhein – Mosel – TV, Koblenz, 2004

Bilder: aus Privatbesitz mit freundlicher Genehmigung von Hermine Schmidt

Mike Albien


Kommentar: Heute bin ich traurig darüber, dass Hermine am 31.03.2024 verstorben ist. Aber ich bin auch glücklich, dass ich sowohl Hermine und Horst Schmidt persönlich kennen lernen konnte. Ihr Beispiel, wie auch das vieler anderer, stellvertretend, hat eine große Strahlkraft. „Nie wieder!“ ist jetzt!
Lux, Eva
Kommentar (2018): Ich hatte das Vorrecht diese so liebenswerten Menschen persoenlich kennen lernen zu duerfen. Es ist in dieser Zeit der Entwertung christlicher Prinzipien bemerkenswert, dass es Vorbilder gab und gibt , die die beiden Hauptpunkte der Lehren Jesu Christi, naemlich das Koenigreich zu verkuendigen und Juenger, also Nachfolger
Jesu Christi zu schulen seine Gebote zu halten und einander Liebe zu erweisen, unter Einsatz ihrer Freiheit, ihrer Gesundheit und ihres Lebens vorgelebt haben. Sie sind ein Beweis dafuer, dass sich jeder auf die Seite Gottes stellen kann, seinen heiligen Namen JEHOVA verteidigen und Jesus gehorchen kann. Der Lohn, ewiges Leben
auf einer paradiesischen Erde, sollte es wert sein, die Vergebung unserer Suenden und die Befreiung von Tod
und allem Schlechtem dankbar anzunehmen. Horst und Hermine Schmidt sei dafuer aus tiefstem Herzen Dank.
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Achtjähriger verweigert „Hitlergruß“

Die Sendung wurde am 17. Februar 2003 im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt.

Georg Christoh Lichtenberg GesamtschuleAm 14. Januar 2003 sahen 300 Schüler der Georg-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen das Video „Lila Winkel“ über die Verfolgungsgeschichte der Familie Kusserow aus Bad Lippspringe. Das Video wurde in der britischen Fernsehsendung „The Human Factor“ ausgestrahlt. Alle Familienglieder der Familie Kusserow sind Zeugen Jehovas, wie die Bibelforscher seit 1931 genannt werden. Die Familie Kusserow hatte insgesamt 11 Kinder, davon starb ein Kind während eines Badeunfalles. Während der NS-Zeit waren alle noch lebenden Familienmitglieder

Karl und Wilhelm Kusserow

Karl und Wilhelm Kusserow

entweder inhaftiert oder im Erziehungsheim. Gemeinsam war die Familie 48 Jahre inhaftiert. Wilhelm und Wolfgang Kusserow verweigerten den Kriegsdienst. Wilhelm wurde erschossen und Wolfgangwurde enthauptet. Karl-Heinz Kusserow war wegen seiner Kriegsdienstverweigerung in den KZ´s Sachsenhausen und Dachau inhaftiert.

Paul-Gerhard Kusserow, das jüngste Kind der Familie Kusserow (1931 geboren) war als Zeitzeuge während des Films anwesend und wurde nach der Filmvorführung von den Schülern befragt. Der Fachbereichsbereichsleiter für Geschichte der Georg-Lichtenberg-Gesamtschule Dr. Thomas Berger-von zur Heide bat ihn zuerst etwas über seine Zeit als Jugendlicher und die Verfolgung im Nationalsozialismus zu sagen.

Paul-Gerhard Kusserow erzählte, dass er 1931 geboren wurde und 1937 in die Schule gekommen ist. Er erinnerte sich gerne daran, wie sie als Familie gemeinsam Gartenarbeit durchgeführt, gemeinsam musiziert und Sport getrieben haben.

Seine Erinnerungen an die Schule sind sehr negativ. Er und seine Geschwister verweigerten den Hitlergruß und wurden deshalb von den Schülern und Lehrern verspottet. Zum Beispiel sagte man ihnen: „Geht nach Moskau, geht zu den Kommunisten.“ Sein Vater, der zwischenzeitlich aus der Haft entlassen wurde, beschwerte sich bei der Schulleitung. Der Lehrer Wellpott schrieb im zurück, dass seine Kinder zwar eine gute Erziehung genossen hätten, aber religiös falsch erzogen worden seien.

Elisabeth, Hans-Werner und Paul-Gerhard Kusserow wurden dann aus der Schule herausgeholt und in ein Erziehungsheim nach Dorsten geschleppt. Dort blieben sie einige Monate. Die Zustände waren ähnlich wie in einem Gefängnis. 10 Jungen waren in einem Raum untergebracht. Einmal am Tag durften sie eine halbe Stunde rausgehen. Wenn Paul-Gerhard Kusserow auf die Toilette ging, wurde diese sofort verschlossen und er konnte nicht wieder sofort herausgehen. In dem Erziehungsheim wurde aber weniger Wert darauf gelegt „Heil Hitler“ zu sagen.

Er berichtet, dass die allgemeine Behandlung negativ war, zum Beispiel haben sie schlechtes Essen bekommen. Von Seiten der Schüler gab es keine Schikane.

Nach wenigen Monaten kamen sie in das Erziehungsheim Nettelstedt. Sie wurden auch hier schikaniert. Es gab keine dicken Zudecken, um sich nachts gegen die Kälte zu schützen. Die Schulleitung versuchte die 3 Geschwister zu überreden „Heil Hitler“ zu sagen. Sein Bruder Hans-Werner wurde wegen seiner Weigerung geschlagen und musste sich bei Kälte hinlegen, wieder aufstehen, hinlegen, aufstehen etc.

Man hat ihnen aus dem Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler vorgelesen. Weil dies alles nichts half und sie sich weiterhin weigerten den Hitlergruß zu leisten, mussten sie nach der Schule auf einem Bauernhof schwere Arbeiten leisten.

Seine Mutter und seine Geschwister besuchten sie ab und zu heimlich. Einmal wurde dem Vater offiziell gestattet, kurz seine Kinder zu sehen. Später waren auch heimliche Besuche nicht mehr möglich, da seit 1940 alle Familienmitglieder inhaftiert waren.

Während der heimlichen Besuche erfuhr Paul-Gerhard Kusserow auch, dass seine Brüder Wilhelm und Wolfgang umgebracht worden waren, weil sie den Kriegsdienst verweigerten. Er war zwar traurig über den Tod seiner Brüder, aber seine Eltern hatten ihn und seine Geschwister schon auf Verfolgung vorbereitet. Dies und die Gewissheit, dass seine Brüder ihrem Glauben treu geblieben waren, ließ ihn die Situation ertragen.

Er und seine Geschwister haben zwar unter der Trennung von der Familie gelitten, aber durch ihren Glauben waren sie stark genug, dies zu ertragen.

Aus eigener Überzeugung lehnte er den Hitlergruß ab, weil er wusste, dass das Heil nur durch Jehova Gott durch seinen Sohn Jesus Christus kommt.

Seine Familie und er waren keine Fanatiker, sagte er. Sie hätten viel Sport betrieben und seine Brüder wären auch Fußball begeistert gewesen. Der Begriff Schalke 04 wurde oft erwähnt.

Er hätte nie daran gedacht aufzugeben. Er ließ sich sogar 1944 in einer Badewanne in Soest taufen.

Ihm wurde verweigert auf das Gymnasium in Büren zu gehen. Nach Kriegsende besuchte er die Handelsschule und erhielt eine Ausbildung für eine Bürotätigkeit.

Die Familie Kusserow erhielt eine kleine finanzielle Entschädigung als Opfer des NS-Regimes.

Hassgefühle gegenüber den Tätern unter dem Nationalsozialismus hatten seine Familie und er nie.

Am Ende der Veranstaltung brachten die Schüler durch andauernden Applaus ihren Respekt für seine standhafte Haltung zum Ausdruck.

© Ingeborg Lüdtke

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Paul-Gerhard Kusserow verstarb am 21.10.2022 in Grünberg im Alter von 91 Jahren.

 

Weiterführende Links:

Münster: Friedensinitiativen gedachten Nazi-Opfer Wilhelm Kusserow

http://www.karlo-vegelahn.de/der_lila_winkel.html

http://books.google.de/books?id=Y8SggYCYoIAC&pg=PA546&lpg=PA546&dq=The+Human+Factor+Purple+Triangles&source=bl&ots=64fwaCAf4w&sig=HLVIzsG0aovBNKJr3tTbmfqz5lk&hl=de&ei=ILscTqazM4b4sgaonK31Bg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=7&sqi=2&ved=0CF0Q6AEwBg#v=onepage&q=The%20Human%20Factor%20Purple%20Triangles&f=false

http://www.muenster.org/spurenfinden/02_gedenkbuch/22_gedenkblaetter/gedenkblatt_wilhelm_kusserow.pdf

http://www.carookee.com/forum/Staatsterror/22/16004241

Wilhelm Kusserow, Zeuge Jehovas – 1940 in Münster von Nazis hingerichtet

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Was ist Glück?

Was ist Glück?

Eine nicht immer ernstgemeinte fiktive Email-Korrespondenz zwischen Freundinnen zum Thema “Glück”.

5.Mai :

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

habe gerade Frühstückspause. Heute ist echt der Bär los: Laufend irgendwelche merkwürdigen und nervigen Kundentelefonate und dann noch die schlechte Laune meines Chefs. Das kann noch heiter werden…

Kann man denn nicht einfach mal nur so glücklich sein?

Gruß Martina

(Sie haben Post)

Hallo Martina,

kann nicht klagen, mein Chef hat gute Laune. Bei Dir hört sich das ja nicht so berauschend an..

Einfach nur glücklich sein? Warum nicht? Aber was ist Glück?

Lese gerade in einem Katalog, dass man durch Feng Shui mehr Gesundheit, Glück und Wohlstand erlangen kann.

Hier heißt es:

„Feng Shui heißt übersetzt: Wind und Wasser und ist die alte chinesische Kunst, in harmonischen Einklang mit der Umgebung zu leben. Sie beruht auf jahrhundertlangen Beobachtungen und Erfahrungen der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umgebung.

Durch eine harmonische Anordnung von Möbeln und Symbolen soll ein ausgeglichener Zustand erreicht und damit die Wohn -und Lebensqualität verbessert werden, um mehr Gesundheit und Wohlstand zu erlangen.“

Also da kann ich nur sagen, schlag Deinem Chef mal vor, er soll sein Büro umräumen, vielleicht wird er dann wieder „glücklicher“…

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

du hast gut reden, vielleicht sollten wir das ganze Büro mal entrümpeln

Über Feng Shui habe auch schon mal etwas gelesen. Es gibt sogar Feng-Shui-Meister. Der Feng-Shui-Meister benutzt normalerweise einen geomantischen Kompass.

Der Kompass ist in der Mitte einer astrologischen Tafel angebracht. Der Kompass enthält auch Daten zu Sternbildern, Jahreszeiten und den Perioden der Sonnenzyklen.

Interessanterweise findet man die Bücher über Feng Shui in der Buchhandlung meistens unter dem Sachgebiet Astrologie oder Wahrsagerei.

Geomantie – ich schrieb ja gerade von dem geomantischen Kompass – bedeutet lt. der Brockhaus Enzyklopädie soviel wie Weissagen, Orakel, die Kunst aus absichtslos in den Sand gezogenenen Figuren oder aus geographischen Gegebenheiten zu weissagen.

Ach ich weiß nicht, Feng Shiu scheint mir persönlich nicht zu meiner Glückfindung zu verhelfen und meinem Chef erst recht nicht..

Jetzt versuche ich es mal mit „Positiven Denken“.

Ich habe letztens im Volkshochschulverzeichnis einen Wochenendkurs über „Positives Denken“ gesehen und habe mich auch gleich angemeldet. Morgen beginnt der Kurs. Bin gespannt.

15.Mai:

(Sie haben Post)

Hallo Martina,

wie war der Kurs über das „Positive Denken“. Was habt Ihr gemacht? Vielleicht kann ich ja auch etwas davon anwenden…

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

hör bloß auf mit dem Kurs!!!

Der Kurs war eher so nach dem Motto: „Ich lieb Dich, Du liebst mich. Wir lieben uns alle…“

Freitagabend musste sich diejenige mit den meisten Problemen in die Mitte setzten und wir anderen 9 sind um ihren Stuhl herum gegangen und mussten zu ihr sagen: „Du bist schön. Du bist weise. Du bist gerecht. Du bist liebenswert.“

Ich dachte ich bin im falschen Film!

Ich bin dann Samstag gar nicht erst wieder zum Kurs gegangen. Wenn ich mir ein Buch über „Positives Denken“ gekauft hätte, dann hätte ich sicher mehr davon gehabt. Also „glücklich“ hat mich der Kurs nicht gemacht eher frustriert

(Sie haben Post)

Hallo Martina,

schade! Der Kurstitel hörte sich so vielversprechend an.

Ich hätte es gerade nötig „positiv“ zu denken. Ich habe doch so abgenommen und auf verschiedene Lebensmittel reagiere ich mit Kopfschmerzen usw. . Keiner weiß woran es liegt.

Nun hat mich meine Ärztin kurzfristig in eine Fachklinik überwiesen. Morgen fahre ich los. Ich bin dann 14 Tage nicht per E-Mail erreichbar..

(Sie haben Post)

31. Mai:

Hallo Martina,

Ab sofort bin ich wieder telefonisch, per Anrufbeantworter und per E-mail erreichbar!!

Das “Klinikleben” hat nun sein Ende, obwohl ich fast einen “Nebenjob” in der “FachklinikKlinik Kloster Grafschaft erhalten hätte:

Vor meiner Darmspiegelung musste ich nachts durch die Gänge gehen und selbst das nötige Toilettenpapier organisieren; ebenfalls nachts habe ich das Wasser aus dem übergelaufenen Gully im Toilettenvorraum aufgewischt und gestern organisierte ich noch für die Allgemeinheit Papierhandtücher.
Eine Frau, die mich im Jogginganzug mit dem Packen Papierhandtücher und einem Buch in der Hand sah, fragte mich: “Sie arbeiten doch auch hier?”……..

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

schön, dass Du wieder zu Hause bist.

Verstehe gar nicht, warum Du den „Nebenjob“ in der Klinik nicht angenommen hast…

Wie war es sonst??

(Sie haben Post)

Hallo Martina,

Mein erster Krankenhausaufenthalt nach meiner Geburt gestaltete sich die
ersten Tage etwas “unschön”. Gerne hätte ich auf die Magen- und Darmspiegelung
verzichtet. Die Beruhigungsspritze setzte mich beide Male gleich 2 Std. schachmatt.

Im großen und ganzen war der Klinikaufenthalt aber erfolgreich. Nun weiß ich wenigstens, dass es eine Kuhmilch -u. Erdnussunverträglichkeit ist.

Jetzt muss ich noch zu einer Ernährungsberaterin. Wer weiß was ich überhaupt noch essen darf…

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

wenn ich das so höre, kann ich nur sagen: Ich bin „glücklich“, dass ich gesund bin!!

(Sie haben Post)

Hallo Martina,

ach weißt Du , wenn ich von anderen Patienten hörte, dass sie z.B. auf Nickel gleich mit einer Gürtelrose reagieren oder dass die Zunge dick wird und sie keine Luft bekommen oder gleich ein Gegenmittel gespritzt haben müssen, dann geht es mir doch gut.

Dann bin ich auch „glücklich“. Man wird doch recht bescheiden mit seinen Ansprüchen an das „Glück“. Man ist dankbar für jedes Lächeln oder aufmunterndes Wort

Die Iren sagen: It could be worse. Es könnte noch schlimmer kommen. Hast Du Dir einen Arm gebrochen, dann sei froh, Du hättest Dir beide Arme brechen können….

Gab es eigentlich etwas Neues als ich nicht da war?

2. Juni:

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

ja, es gibt etwas Neues: Meine Schwester hat sich nun endlich von ihrem Freund getrennt. Er konnte nicht mit Geld umgehen und hat sich laufend etwas bei ihr geborgt. Leider hat er es ihr nie zurückgezahlt.

Nun meint sie, ihr nächster Freund müsse ein „Millionär“ sein.

(Sie haben Post)

Hallo Martina,

schön, dass sie sich endlich von ihm getrennt hat. Sie soll froh sein, dass Sie nicht mit ihm verheiratet ist. Sie hätte dann noch seine Schulden bezahlen müssen.

Aber der nächste Freund „Millionär“? So viele laufen davon ja auch nicht einfach so frei herum und bei Günther Jauch („Wer wird Millionär?“) gewinnt ja auch nicht jeder gleich eine Million.

Sie hätte dann zwar nicht das Problem mit dem Geldleihen, aber das Geld wirklich allein „glücklich“ macht, wage ich zu bezweifeln.

Hat man sehr viel Geld, muss man es ja auch wieder anlegen und verwalten. Man kann sein Geld auch ganz schnell wieder verlieren, wenn man falsche Aktien kauft..

Ich möchte auch gar nicht so viel Geld haben, dann gibt es nur wieder Leute, die neidisch sind und vielleicht eine Entführung planen oder mich töten wollen: ich sage nur Oetker und Reemtsma.

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

apropos Neid. Meine Schwester ist neidisch auf meine „glückliche“ Ehe.

Dabei fällt einem die „glückliche“ Ehe ja auch nicht so in den Schoß. Es ist auch ein ganzes schönes Stück Arbeit. Immerhin treffen 2 verschiedene Meinungen und Charaktere aufeinander.

Ich habe ihr gesagt, sie solle ihr Single-Dasein erst einmal genießen. Jeder Stand hat doch seine eigenen Vorteile.

(Sie haben Post)

Hallo Martina,

wenn ich das lese ,muss ich an ein Gedicht von Phil Bosmans denken. Sinngemäß heißt es dort:

Das andere Ufer wäre immer viel schöner und man sollte daran denken, dass der andere am anderen Ufer auch denken würde, dass der andere viel glücklicher wäre. Das Glück läge aber nicht am anderen Ufer, sondern in einem selbst.

Eigentlich ein schönes Gedicht. Bloß wie finde ich denn eine innere Zufriedenheit??

Manche denken ja, der Buddhismus bringt durch Meditation eine Lösung. Hast Du Dich da schon mal näher mit befasst?

5.Juni

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

das Gedicht ist sehr schön! Ich werde meiner Schwester davon erzählen.

Buddhismus als „Glückfindung“? Der große Buddhismuskenner bin ich auch nicht , aber ich habe folgendes gelesen:

Der Buddhismus entwickelte sich in Asien und sein Begründer war als Hindu aufgewachsen.

Buddha glaubte an die Wiedergeburt. Es gibt 5 verschiedene Möglichkeiten der Wiedergeburt: einmal in der Hölle, als ein Tier, als ein Geist mit kleinem Mund dickem Bauch, der Hunger und Durst hat, dann als Mensch und als Gott.

Es soll da aber im Buddhismus auch verschiedene Meinungen geben.

Buddha glaubte, alles sei dem Kreislauf des Werdens, Vergebens und Wiedererstehens unterworfen.

Befreiung kann man erhalten, wenn man die „4 edlen Weisheiten“ anerkennt.

Diese 4 Weisheiten sind..

1) Das Leid ist universell

2) Die Ursache des Leids ist die Lebensgier

3) Heilung des Leids erfolgt durch Ausmerzung der Lebensgier

4) Man merzt die Lebensgier aus, indem man dem edlen achten Pfad folgt. der achte Pfad betrifft

das Leben, die Ziele, das Handeln und das Denken.

Die Begierde nach dem Leben soll durch Meditation unterdrückt werden.

Die Meditation soll den Geist völlig entleeren.

Das Nirwana hat man erreicht, wenn die man sich durch Meditation weder des Lebens noch eines Verlangens bewusst ist.

Alles klar?

(Sie haben Post)

6.Juni:

Hallo Martina,

ich weiß nicht so recht, dass hört sich so sehr kompliziert an. Ich denke die Lehren der Bibel sind einfacher.

Die Bibel sagt , wenn wir Gottes Gesetzen gehorchen, können wir „glücklich“ sein.

Er hat seinen Sohn Jesus Christus sterben lassen, damit die Menschen von Sünde und Tod befreit werden. Wenn der Mensch stirbt, ist er tot und muss nicht mehrmals wiedergeboren werden. Es gibt aber auch eine Hoffnung auf eine Auferstehung.

Das größte Glück ist es, ewig gesund in einem Paradies zu leben. Das Paradies soll auf der Erde sein. Allerdings glauben einige es wäre im Himmel. Ich weiß nicht, wenn Gott dies gewollt hätte, hätte er uns doch gleich als Engel erschaffen können?

(Sie haben Post)

Hallo Inge,

uh…ich kenne mich mit der Bibel nicht so aus.

Ich habe gerade noch eine neue Variante des Glücks kennen gelernt: Mein Mann gab mir gerade einen Kuss, weil Boroussia Dortmund deutscher Fußballmeister geworden ist..

(Sie haben Post)

Hallo Martina,

na dann, so versteht halt jeder etwas anderes unter dem „Glück“.

Bis dann…

(c) Ingeborg Lüdtke)

Text- und Data-Mining: Ich behalte mir eine Nutzung aller Inhalte dieser Webseite für kommerzielles Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Die Sendung wurde im StadtRadio Göttingen am 29.Mai 2002 ausgestrahlt.

Kommentar:

Berichte, Erlebnisse und Aussprüche aus meinem sozialen Umfeld flossen mit in den Text ein. Das Leben schreibt sowieso die interessantesten Geschichten.

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Betreuung einer Krebskranken aus der Sicht der Tochter

… Bericht aus der Sicht der der Tochter

(Lazaruslied angespielt-Klaviermusik)

15. Februar:

FriedhofKristiane Allert-Wybranietz schreibt in einem Gedicht, dass es hart sei einen geliebten Menschen plötzlich zu verlieren, aber das schwerste sei, ihn über Jahre Tag für Tag ein wenig mehr verlorengehen zu sehen.

Als ich dieses Gedicht das erste Mal las, wusste ich noch nicht, welche Bedeutung es einmal für mich haben würde.

Seit meinem letzten Brief an meine Freundin Dina und ihrem Besuch hat sich schon wieder so viel ereignet.

Eigentlich sollte ich sie jetzt besuchen, aber meine Mutter ist zwischenzeitlich erkrankt. Sie liegt im Krankenhaus. Ich muss Dina leider absagen:

„Liebe Dina,

es war richtig schön, als Du hier warst. Ich wäre gerne das nächste Wochenende zu Dir gekommen, aber ich muss Dir leider absagen.

Meine Mutter ist inzwischen an Eierstockkrebs erkrankt. Sie liegt seit dem 26.Januar im Krankenhaus.

Die Ärzte wollten sie eigentlich operieren, konnten es aber nicht. Der gesamte Bauchbereich ist voller Krebswucherungen.

Die erste Chemotherapie hat sie schon bekommen. Die Ärzte erhoffen davon in einem halben Jahr eine Verkleinerung der Wucherungen. Sie wollen dann operieren.

Meine Mutter soll dieses Wochenende entlassen werden. Sie kommt dann erstmal einige Wochen zu mir.

Ich muss gestehen, ich war ganz schön geschockt, als ich das Untersuchungsergebnis

hörte.

Eigentlich wollte ich es nicht glauben, zumal ich weiß, wie diese Krankheit ausgehen kann. Mein Vater ist ja bereits vor 11 Jahren an Krebs gestorben.

Irgendwie habe ich nicht geglaubt, dass es ich wiederholen würde. Meine Mutter war immer so stark und so gut wie nie krank.

Ich habe mich auch gefragt. Warum trifft dies ausgerechnet meine Eltern? Warum meine Familie?

Nein, an Vorherbestimmung glaube ich nicht.

Prediger 9:11 spricht davon, dass Zeit und Unvorhergesehenes sie alle trifft.

Am meisten Angst macht es mir jetzt erstmal, wie ich die nächsten Wochen überstehen soll.

Hoffentlich fallen meine Mutter und ich uns nicht auf die Nerven in meiner 2- Zimmerwohnung. Die Küche ist ja nicht richtig abgetrennt.

Na ja, ich werde Dir dann berichten, wie es war.

Für heute sei lieb gegrüßt.

Tschüß Ines

(Lazaruslied anspielen)

27.Februar:

Liebe Ines,

danke für Deinen Brief. Da bist Du ja voll im Stress. Wie klappt das Zusammenleben mit Deiner Mutter?

Es ist bestimmt nicht so einfach, zumal Du ja 15 Jahre allein lebst und Deine Mutter ein ziemlich bestimmender Mensch ist.

Ich finde es aber gut, dass Du Deine Mutter für einige Wochen aufgenommen hast.

Anbei zwei Artikel über die Pflege von betagten Eltern, auch wenn Deine Mutter noch nicht betagt ist.

Ich rufe Dich die nächsten Tage an.

Tschüß Dina

(Telefonklingeln)

7. März:

(am Telefon)

Dina:

Hallo Ines! Hier ist Dina:

Wie geht es Dir? Kannst Du ein bisschen reden?

Ines:

Ja, meine Mutter ist gerade im Badezimmer. Na ja, weißt Du, ich bin etwas genervt … Ich bin es gewohnt mein eigenes Leben zu führen und nun muss ich alles auf meine Mutter abstimmen.

Gar nicht so einfach, das kann ich Dir sagen. Sie konzentriert sich einfach nur auf mich. Sie erwartet doch glatt, dass ich ihr sage, wann ich nach Hause komme. Einmal kam ich eine Stunde später als geplant. Man hat sie mir eine Szene gemacht und geheult.

Wir haben uns nun geeinigt, dass sie schon ohne mich zu Essen anfängt. Und ehrlich gesagt, ich sage ihr nun einen späteren Termin und sie freut sich, wenn ich früher komme.

Am meisten stört mich aber, dass ich mich nicht zurückziehen kann. Meine Mutter ist praktisch allgegenwärtig.

Ich fühle mich einfach heimatlos in meiner Wohnung. Ich habe mich auch schon gefragt, ob ich alles nicht überspitze sehe?

Aber in zugesandten Artikeln stand etwas über eine Frau, die sagte, daß sie sich regelmäßig ausklinken musste. Sie hat dann eine Zeitlang die Pflege jemand anderes überlassen. Das hat mich doch sehr getröstet.

Dina:

Ich kann mir gut vorstellen, dass dies nervig ist. Ja die beiden Artikel sind wirklich gut..

Hast Du Dir schon mal Gedanken gemacht, wie andere Dir helfen können? Wenn ich in Göttingen wohnen würde, könnte ich Dir auch mal etwas einkaufen oder ihr Gesellschaft leisten, damit Du auch mal etwas anderes machen könntest.

So kann ich sie nur mal anrufen.

Ines:

Anrufen, ist keine schlechte Idee. Ich habe auch schon Bekannte gefragt, ob sie sie mal anrufen können.

Das haben sie auch getan. Einige sind sogar vorbeigekommen. Andere haben mir auch schon etwas für meine Mutter gekocht.

Einige wollen sie auch für sie einkaufen oder sie mal in die Stadt fahren, wenn sie in ihrem Haus ist. Mein Bruder muss ja auch lange arbeiten und außerdem muss er sich ja um Haus und Garten kümmern.

Es ist richtig schön, wenn man so nette Freunde hat und auch Bekannte innerhalb der Religionsgemeinschaft.

Nun kommt meine Mutter gerade, willst Du sie mal sprechen?

Dina:

Ja, gibt sie mir mal.

Hallo hier ist die Dina … (Das Gespräch wird fortgeführt)

(Freizeichen)

15. April:

Liebe Dina,

meine Mutter hatte sich ganz gut erholt. Vor 10 Tagen habe ich meine Mutter wieder in ihr Haus gebracht. Meine Tante war da.

Leider musste meine Mutter nach einigen Tagen wieder ins Krankenhaus. Sie hatte einen Darmverschluss.

Während der Operation habe ich einige Ängste ausgestanden und die meiste Zeit gebetet.

Am schlimmsten war das Gespräch mit dem Arzt nach der Operation. Er sagte sie hätten nur einige Darmschlingen gelöst. Sie sei voller Metastasen. Sie hätte nur noch 8-10 Tage zu leben.

Mein Bruder und ich waren total geschockt.

Wir waren seither täglich im Krankenhaus. Aber meiner Mutter geht es zusehenst besser.

Irgendwie kann ich es nicht begreifen. Der Arzt sagte doch am Telefon. dass sie bald sterben wird und nun sitzt sie im Bett und kommandiert mich herum. Ich komme mir vor, wie im falschen Film.

Heute Abend soll ein Gespräch mit dem Stationsarzt stattfinden. Mein Bruder kommt mit.

Ich schreibe nachher weiter.

(Lazaruslied anspielen)

Der Arzt sagte, wir sollten uns überlegen, wie wir meine Mutter pflegen sollen. Nun kommt sie morgen erstmal wieder zu mir.

Die Ärzte haben Ihr allerdings nichts über den genauen Zustand gesagt. Ich weiß gar nicht, wie ich mich verhalten soll.

Morgen werde ich Frau Schulz ansprechen. Sie hat einige Erfahrung mit der Pflege zu Hause.

(Lazaruslied anspielen)

28. Juni:

Liebe Dina,

Meine Mutter hatte sich innerhalb kurzer Zeit erholt. Sie ist auch wieder in ihrem Haus.

Die Ärzte staunen immer bei der Chemo, dass der Krebs zurzeit nicht wächst und sie keine Schmerzen hat.

Die Ärzte meinen, das Lösen der verwachsen Darmschlingen hätte wohl Erleichterung gebracht.

Ich schätze mal, dass es auch mit der Ernährungsumstellung zutun hat. Bei mir bekam sie nur Vollwertkost. Gesüßt habe ich mit Fruchtzucker.

3.September:

Liebe Dina,

vielen Dank für das schöne Wochenende bei Dir.

Zwischenzeitlich war ich auch ein paar Tage in Wien,img065

Es war richtig schön: Jede Menge Kultur.

Nun fährt mein Bruder in den Urlaub. Meine Mutter kommt 3 Wochen zu mir.

Diesmal wird es bestimmt nicht so schlimm.

Meine Einstellung habe ich etwas geändert, wir werden uns ein paar schöne Tage machen, denn wer weiß wie lange wir es noch können..

Wir planen zwei Tagestouren zu Freunden und Verwandten. Außerdem haben Bekannte sich hier schon zu Besuch angemeldet.

Meine Mutter liest glücklicherweise viel und sie strickt mir gerade Socken.

Bis bald.

AUS MEINEM TAGEBUCH:

31. Oktober:

Meine Mutter hat eine Entzündung und Wasser im rechten Bein. Sie musste wieder ins Krankenhaus.

Die Tumormarker sind auch wieder angestiegen.

Der Stationsarzt sagte, die Chemo hätte nichts gebracht. Sie überlegen, ob sie meiner Mutter überhaupt noch eine Chemo geben.

Die Ärzte möchten ihr aber die Hoffnung nicht nehmen.

6. November:

Meine Mutter hat nun Wasser im Bauch und soll punktiert werden. Sie hat sehr viel abgenommen. Am Wochenende kommt sie nach Hause. Meine Tante kommt.

17. November:

Meine Mutter ist seit heute wieder bei mir. Ihr geht es nicht so gut. Sie bleibt erstmal bis zur nächsten Chemo. Die Chemo soll diesmal stärker sein. Die Haare werden dann ausfallen.

27. November:

Gestern bekam meine Mutter ihre Perücke.

Sie hat nun eine Kur beantragt. Meine Tante meint, meine Mutter sei doch nicht kurfähig.

15.Dezember:

Heute habe ich meine Mutter in die Kurklinik bei Bad Oeynhausen gefahren. Sie bekommt nur Lymphdränage und Massagen. Mehr kann man wohl nicht für sie tun.

Ich habe Bekannte angerufen, die in der Nähe der Kurklinik wohnen. Sie wollen meine Mutter besuchen. Das ist bestimmt gut für sie.

21. Januar:

Die Kur hat meiner Mutter seelisch gut getan.

Eigentlich kam sie nur zur Chemo in die Klinik, aber sie konnte die Chemo nicht bekommen.

Sie hat sich übergeben.

Obwohl sie viel trinkt, scheidet sie nichts aus.

27.Januar:

Der Arzt hat meiner Mutter heute gesagt, wie es um sie steht. Sie solle ihr Testament machen.

Meine Mutter hat mit mir über ihre Beerdigung geredet. Sie hat sich den Redner ausgesucht. Sie möchte dass der Redner über ihre Auferstehungshoffnung gemäß Johannes 5:28,29 spricht. Auch darüber, dass gemäß 1 Mose 2:7 der Mensch eine Seele ist und keine hat. Das Lied, das gesungen werden soll, hat sie auch bestimmt.

Freitag wird meine Mutter erstmal wieder nach Hause kommen. Meine Tante wird kommen.

Wir müssen uns nun Gedanken über die Pflege machen.

Es wird nicht einfach sein, da sie Essen auf Rädern und die Gemeindeschwester nicht wünscht.

31.Januar:

Meine Mutter kam mit einem Darmverschluss in das Krankenhaus.

5.Februar:

Meine Mutter hat Fieber und redet manchmal wirres Zeug.

Einige Bekannte und Freunde kamen oder riefen an, um sich von ihr zu verabschieden.

Ein sehr guter Freund betete gemeinsam mit ihr.

9. Februar:

Gegen 15.30 war ich im Krankenhaus. Kurz bevor ich das Zimmer betrat, ist meine Mutter verstorben. Ich war die erste, die sie fand.

Mein Bruder war der Letzte aus der Familie, der sie heute um 14.00 Uhr noch lebend sah.

(Larzaruslied anspielen)

Ja, Kristiane Allert-Wybranietz hat es in ihrem Gedicht sehr gut ausgedrückt: Es ist wirklich hart, einen geliebten Menschen plötzlich zu verlieren, aber noch schwerer ist es, ihn Tag für Tag ein wenig mehr verlorengehen zu sehen.

(c) Ingeborg Lüdtke

Text- und Data-Mining: Ich behalte mir eine Nutzung aller Inhalte dieser Webseite für kommerzielles Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

“Marktplatz“ im “StadtRadio Göttingen” ausgestrahlt am 30. April 1999

Jede Ähnlichkeit mit realen Personen ist bewusst gewollt.

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