Buchmesse 2013

Um 7:15 Uhr ist es noch frisch auf dem Göttinger Bahnsteig. Der Zug ist pünktlich.

CosplayerAn der Haltestelle der Frankfurter S-Bahn stehen drei junge Mädchen mit sonderbaren Perücken. Ein Mädchen kämmt dem anderen Mädchen die überlangen rosafarbenen Haare. Auf meinem Weg zum ARD Forum auf dem Messegelände begegne ich vielen Menschen in bunten Kostümen. Es sind Cosplayer. Comic-Fans verkleiden sich wie ihre Lieblingscharaktere aus Büchern, Filmen und Computerspielen. Am Sonntag wird der Gewinner oder die Gewinnerin der Deutschen Cosplay-Meisterschaft gekürt.

Wolfgang Niedecken

Beim ARD Forum treffe ich frühzeitig ein. Der Moderator ARD Forum Uwe Berndt interviewt Tina und Wolfgang Niedecken eine Stunde für eine Radiosendung. Die Sendung wird später mit Musik aufbereitet und eine Woche später im ARD Radio gesendet.

Wolfgang Niedecken berichtet über die Umstände, die zu seinem Schlaganfall geführt haben und darüber wie seine Frau sofort den Notarzt gerufen hat. Er stellt sein neues Buch „Zugabe. Die Geschichte einer Rückkehr“ vor. Er und seine Frau kommen sehr natürlich und sympathisch rüber.

Um 11 Uhr geht es hier mit einem Interview mit Peter Härtling weiter. Ich begebe mich in Halle 3.1.

Halle 3.1

Es ist sehr voll. Die Menschenmassen schieben sich durch die Gänge. Ich lasse mich mit treiben und gelange zum Deutschland Radio. Auf der Bühne steht eine junge, blonde, schlanke Frau mit Pferdeschwanz und trägt einen Text vor. Ihre Vortragsweise ist sehr monoton. Der Inhalt kommt dadurch bei mir nicht an und ich gehe weiter. Am Ende des GangesSPIEGEL Regal schaue ich in ein mir sehr bekanntes Gesicht. Auch er hat mich sofort erkannt. Es ist mein Bruder mit Frau. Das „Hallo“ ist groß. Wir tauschen unsere Messeeindrücke und Familieninterna vor den Regalen der „SPIEGEL-Bestseller“ aus. Ich schaue nach links und frage mich, woher ich den grauhaarigen schlanken Herrn mit Brille kenne. Es ist der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch, der sich nun ebenfalls den Regalen nähert.

Wir beenden unseren Familienplausch. Unsere Wege trennen sich wieder.

Beim Podium Rheinland-Pfalz liest Sarah Katharina Kayß aus ihrem Gedichtband „Ich mag die Welt so wie sie ist“. Ich kann ihre Gedanken gut nachvollziehen. Besonders gefällt mir das Gedicht über Kunst.

Die Volontäre und der Auszubildende am Stand von Vandenhoeck & Ruprecht freuen sich mich zu sehen. Ich erhalte ein Glas Mineralwasser. Das tut bei der Hitze in der Messehalle gut.

Vandenhoeck BuchmesseDer Stand wurde modernisiert. Er wirkt heller und luftiger. Eine Computerbildanimation hängt an der Wand und zeigt ausgewählte Titel. An dem großen Tisch mit Touchscreen-Funktion kann man jeweils neben dem Titel auch ein Foto der Autoren und Herausgeber und deren Vita sehen.

Halle 4.1 und Halle 1 4.2

Jetzt wird es Zeit in den Hallen 4.1 und 4.2 vorbei zu schauen. Auch hier sind die Gänge voller Besucher, aber es ist nicht so erdrückend wie in Halle 3.1.

Die Autoren, die am Stand von 3SAT interviewt werden oder etwas aus ihren Werken lesen, kenne ich nicht. Nichts hält mich hier.

In einem Gang sehe ich den Blogger Sascha Lobo. Ein anderes Mal höre ich, wie hinter mir ein junges Mädchen fragt: „Darf ich ein Bild mit Ihnen machen?“ Der angesprochene Herr ist einverstanden. Sie wird mehrfach fotografiert. Der Herr schreitet davon, gefolgt von einem Mann, der Mikrophon und Kamera trägt. Die Mädchen kreischen, als sie sich das Bild auf dem Smartphone ansehen. Ein älterer Herr fragt die Mädchen, wer das gewesen sei. Er schaut genauso ratlos wie ich. Wir können mit dem Namen nichts anfangen. Wahrscheinlich sind wir nicht seine Zielgruppe.

Soldaten

Bevor ich mich auf den Rückweg zum Bahnhof mache, suche ich die Toiletten. Auf dem Boden sitzen zwei als Soldaten verkleidete Menschen mit Helmen und Strumpfmasken. In der Tür zur Vorhalle kommt mir ein Soldat mit Gasmaske entgegen. Im Vorraum der Damen-Toilette steht ein junger Mann mit Irokesenschnitt, der in seiner Tasche nach Schminkutensilien sucht und schimpft. Seine Freundin hilft ihm die kahl geschorene Kopfhaut mit großen roten Flecken zu bemalen. Diese erhalten einen schwarzen Rand. Der Hahnenkamm ist lila, blau und grün.

Erst später stelle ich mir die Frage: „Was macht der Mann eigentlich im Vorraum der Damen-Toilette?“

Viel zu früh komme ich am Bahnhof an und gehe in die Buchhandlung. Ich genieße die Ruhe und die Möglichkeit ohne Gedränge in die Bücher zu schauen.

Als blutjunge Buchhändlerin habe ich während des ersten Buchmessebesuches noch eine ehrfürchtige Hochachtung vor der schreibenden Zunft empfunden. Nach all den Jahren in der Branche ist eine Entzauberung eingetreten, die mich von Jahr zu Jahr nüchterner auf diesen Medienrummel sehen lässt.

Mein Zug kommt sehr zeitig an, so muss ich nicht länger in der Kälte warten. Ein Lob an die Deutsche Bahn.

© Ingeborg Lüdtke

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