Dransfeld: Jüdisches Leben und Erinnerungskultur

„So wurde es zu einer Redenart, dass man wie Julchen und Berta sei, wenn man seine eigenen Bedürfnisse zurückstellte und sich gegenseitig das Beste wünschte.“

Diese Redensart stammt aus Dransfeld bei Göttingen. Julchen und Berta waren zwei Jüdinnen, die in der Gerlandstraße wohnten.

Durch ein Referat von Ernst Achilles vom Dransfelder „Bürgerforum 9. November“ wurde mir klar, dass es in Dransfeld eine aktive jüdische Gemeinde gab.

Mein Wissen über das jüdische Leben in Dransfeld ist nicht groß. So nehme ich jetzt gerne das Angebot von Wilhelm Behrendt an, mir die Synagoge und den jüdischen Friedhof zu zeigen. Er richtet gerade eine Bibliothek und ein Archiv im Haus Hoher Hagen bei Dransfeld zum jüdischen Leben und NS-Geschichte in der Region ein.

Ich möchte Sie einladen mich auf meiner „Spurensuche“ zu begleiten.

(Motorengeräusch)

Wir befinden uns nun in Dransfeld und biegen von der Langen Straße in die Gerlandstraße ab. (Motorengeräusch) Ich denke an das Referat von Ernst Achilles:

„Außerdem wurde uns von den beiden jüdischen Schwestern Julchen und Berta erzählt, die in der Gerlandstraße wohnten. Die beiden haben sich alles geteilt und immer gegenseitig nur das Bessere gewünscht. So wurde es zu einer Redenart, dass man wie Julchen und Berta sei, wenn man seine eigenen Bedürfnisse zurückstellte und sich gegenseitig das Beste wünschte.“

Wo mögen Julchen und Berta hier wohl in der Straße gewohnt haben?

Wilhelm Behrendt macht mich auf ein anderes Haus mit grauen Klinkern aufmerksam. Es befindet sich links fast am Ende der Gerlandstraße. Dies ist die ehemalige jüdische alte jüdische SchuleSchule. Gegenüber etwas zurückliegend steht die ehemalige jüdische Synagoge.
Sie ist direkt an die Tischlerei gebaut. Das Gebäude ist weiß gestrichen und hat neue Dachziegel. Die beiden hohen Fenster mit Rundbogen befinden sich links und rechts neben der Eingangstür aus Eiche. Die beiden Fenster sind mehrfach unterteilt und bestehen aus vielen kleinen roten Fensterscheiben.

(Musikakzent)

Pax ChristiS760>Mich irritiert das große P über der Eingangstür. Über das P ist ein X gelegt ist. Es ist das Christusmonogramm (Anm.: XP, griechische  Buchstaben für ch und r, gesprochen chi ro). Gemäß dem jüdischen Glauben wird das Kommen des Messias noch erwartet. Jesus Christus wird nicht als Messias anerkannt.

Eigentlich hätte ich erwartet hier die hebräischen Buchstaben JHWH zu sehen. Das sogenannte Tetragramm, das für den Gottesnamen steht. Christen sprechen den Namen zum Beispiel mit Jahwe, Jachwe oder Jehova aus.

Ich frage Wilhelm Behrendt, warum der Gottes Name nicht an der Synagoge angebracht ist.

„Das haben wir in Göttingen einzig in der reformierten Kirche in der Oberen Karspüle. Das istObere Karspüle Göttingen ja ein uraltes Gebot den Namen Gottes nicht auszusprechen. Wir finden ihn auch selten an äußeren Wänden und Synagogen überhaupt.“

Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Name Gottes als so heilig angesehen, dass man ihn nicht mehr ausgesprochen hat und im Text der hebräischen Schriften ersetzte:

Der Name Gottes wird ja nicht ausgesprochen, es wird Adonai gesagt.“

(Musikakzent)

Mir fällt nun auch wieder ein, warum an der ehemaligen Synagoge das Christusmonogramm (XP) zu sehen ist:

„Nach der Nazizeit nach dem zweiten Weltkrieg, gab es keine jüdische Gemeinde mehr. Alle Menschen jüdischen Glaubens waren verschwunden; sie waren deportiert; sie sind emigriert. Die katholische Gemeinde in Dransfeld hat dann dieses Gebäude als Kapelle benutzt und zwar in der Zeit von 1951 bis 1975.“ (E. Achilles)

DavidsternInzwischen wurde der sechszackige Davidstern wieder unter das Christusmonogramm aufgemalt. Unter dem Hitler-Regime mussten die Juden den gelben Davidstern an ihrer Kleidung tragen. Heute gilt der Davidsstern als Symbol für das Judentum.

(Musikakzent)

Rechts neben dem Eingang in Höhe des Türgriffes befindet am Türpfosten ein faustgroßes Loch. Es wird auch Auslassung der Mesusa genannt. Die Mesusa bedeutet Türpfosten und ist eine auf Pergament geschriebene Inschrift. Diese Inschrift befindet sich in einer Hülle aus Holz oder Metall.

(Musikakzent)

Leider können wir heute Abend nicht mehr in die Synagoge gehen, aber in der Woche ist es tagsüber möglich, einen Blick in die Synagoge zu werfen.

Man kann anklopfen und anfragen und die Tischlersleute sind bereit, einen Blick in die Synagoge werfen zu lassen. (W. W. Behrendt)

Was kann man denn heute noch sehen?

Von drinnen kann man die Frauenempore sehen, auch noch die Wandmalereien und die Aussparung für den Thoraschrein. (W. W. Behrendt)

Wir gehen nun zum Nachbargrundstück rechts von der Synagoge und dürfen durch den Gemüsegarten gehen.Dransfelder Synagoge von hintenS760> Von hier kann man die Synagoge von hinten sehen.
Sie ist mit grauen Platten behangen und hier sind ebenfalls 2 große Fenster mit Rundbogen zu sehen. Die Fensterscheiben sind größer als die der Vorderfront. Man kann von hinten auch einen kleinen mit Wellblech überdachten Vorbau sehen. Es ist der zugebaute Thoraschrein. Hier wurden früher die Thorarollen aufbewahrt. Die Thora besteht aus den ersten 5 Büchern der Bibel: Der 5 Bücher Moses.

(Musikakzent)

Wann wurde denn die Synagoge erbaut?

„… die Stadt Dransfeld ist 1834 abgebrannt und danach nach dem Wiederaufbau ist auch die Synagoge aufgebaut worden.“ (W. W. Behrendt)

Mich interessiert, wie die Tischler damit umgehen, dass sie in einer jüdischen Synagoge arbeiten.

„Für die Menschen, die dort arbeiten, ist das ein alltäglicher Arbeitsraum. Aber das Bewusstsein, dass es mal ein heiliger Raum war, ein heiliger Ort war, dass es ein Ort war für Glaubensversammlungen sowohl der Juden als später der katholischen Kirche, das spielt heute glaube ich für die dort arbeitenden Lehrlinge, Gesellen und Tischler keine Rolle mehr.“ (W. W. Behrendt)

(Musikakzent)

Die jüdische Synagoge in Dransfeld wurde während der Pogromnacht nicht zerstört.

Auf die Frage warum dies so ist, gibt es verschiedene Antworten:

„Die Reichspogromnacht hat auch in Dransfeld stattgefunden. Dort sind SA-Leute aus Hann. Münden gekommen, haben aus der Synagoge bewegliches Inventar vorne auf dem Vorplatz aufgeschichtet und angezündet. Dass die Synagoge selber nicht angezündet worden ist, haben wir der Tischlersfrau zu verdanken, die den SA-Leute deutlich gemacht hat, wenn die die Synagoge anstecken, dass dann auch die ganzen Nachbarhäuser mit aufbrennen, vor allem auch die Tischlerei. Das haben die Leute eingesehen…“ (W. W. Behrendt)

„Und hier ist schon eine wichtige Geschichte, die jetzt kommt. Es wurde gesagt: Das Abbrennen der Synagoge ist von einem Feuerwehrmann verhindert worden. Und jetzt teilt sich im Grunde die Interpretation der Handlung. Das Abbrennen, das Abfackeln ist verhindert worden. Die einen sagen, ein Feuerwehrmann mit großer Zivilcourage hat es verhindert, dass die Synagoge abgebrannt wurde. Die anderen sagen: Nein eigentlich steckt dahinter die ganz dichte Bebauung, die angrenzende Tischlerei: Wenn es zu einem Brand gekommen wäre, wäre die ganze Straßenzeile abgebrannt. Das ist der Grund. Dies ist eine Frage, die in Dransfeld bei den älteren Bewohnern immer wieder aufkommt, wenn man ins Gespräch kommt. Einer Antwort scheint man da nicht näher zu kommen.“ (Ernst Achilles)

(Musikakzent)

Soll die ehemalige jüdische Gemeinde immer nur ein Lagerraum für die Tischlerei bleiben?

„Ein Wunsch vieler Dransfelder ist es die Synagoge wieder einzurichten als einen Ort der Begegnung, als ein Ort der Besinnung oder als Bücherei oder als Archiv. Das ist eine Vision für die Zukunft. Mit dieser Synagoge vielleicht auch einen Ort zu haben, entsprechend dem Ort hier am Dransberg dem jüdischen Friedhof an die jüdische Gemeinde zu erinnern.“(W. W. Behrendt)

Gibt es Informationen über das jüdische Leben in Dransfeld?

„Das [jüdische Leben] können wir mehr oder weniger rekonstruieren. [Wir haben Informationen] von Dransfelder Einwohner, die damals als Kinder miterlebt haben wie z.B. Hochzeiten oder das Chanukka-Fest [Wiedereinweihung des Tempels nach der Zerstörung durch die Makkabäer um die Wintersonnewende] gefeiert und auch der Sabbat eingehalten wurde.“ (W. W. Behrendt)

(Musikakzent)

Wir verlassen nun die Gerlandstraße und fahren nun zum jüdischen Friedhof.

(Motorenbrummen)

(Musik)

„Wo liegt eigentlich der jüdische Friedhof?“, frage ich meinen Begleiter Wilhelm Behrendt von der Projektwerkstatt „Spurensuche“ Haus Hoher Hagen in Dransfeld:

„Der Weg hoch heißt Lange Trift. Neben der Viehweide, da wo das Vieh auf die Weide getrieben wurde hat man den Juden erst eine Fläche verpachtet und dann auch verkauft. Für die Juden selbst hat ein Steilhang durchaus eine symbolische Bedeutung. Es erinnert an den Ölberg in Jerusalem.“ (W. W. Behrendt)

Wir können nicht direkt zum jüdischen Friedhof von Dransfeld fahren und lassen das Auto am Rande Dransfeldeines Feldweges stehen. Wir gehen nun zu Fuß weiter. Vom Dransberg aus haben wir einen wunderschönen Ausblick auf Dransfeld [Insekten brummen, Vögel zwitschern] und die Umgebung.

Wir befinden uns nun im Wald und auf der linken Seite des Weges gehen einige Stufen steil nach oben. Treppe zum jüd. FriedhofWir haben den jüdischen Friedhof erreicht.

(Musik)

Muss ich denn etwas beachten, bevor ich einen jüdischen Friedhof betrete?

„Erstmal das was für alle Friedhöfe gilt: Es ist ein Ort, wo die Toten ruhen sollen, wo sie geehrt werden sollen mit entsprechendem Respekt und Ehrfurcht. Ein jüdischer Friedhof knüpft natürlich an die jüdische Tradition der Beerdigung, der Totenruhe an. Wichtig ist, dass dieser Friedhof als ein Beth o’lam, ein „Haus der Ewigkeit“ aber auch als „Haus des Lebens“ gesehen wird und damit ein heiliger Ort ist. Von daher ist es nicht angebracht am Sabbat den Friedhof zu betreten oder an den jüdischen Feiertagen, vor allem an ihren hohen jüdischen Feiertagen.“ (W. W. Behrendt)

Dieser Gedanke ist für mich neu, denn ich dachte bisher, dass es im jüdischen Glauben keine Unsterblichkeit der Seele gibt.

In der Lutherbibel lesen wir ja im Bibelbuch Prediger Kapitel 9 Verse 5 und 6:

„Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen nichts; sie haben auch keinen Lohn mehr, denn ihr Andenken ist vergessen. Ihr Lieben und ihr Hassen und ihr Eifern ist längst dahin; sie haben kein Teil mehr auf der Welt an allem, was unter der Sonne geschieht.“

(Musikakzent)

Muss ich denn auch meinen Kopf bedecken, wenn ich den Friedhof betrete?

„Für die Männer heißt es immer auf einem Friedhof eine Kopfbedeckung zu tragen: Eine Kipa oder eine Mütze oder ein Hut. Aber sonst sind jüdische Friedhöfe offen.“ (W. W. Behrendt)

Eine Kipa, ist eine kleine Kappe, die auf dem Hinterkopf getragen wird.

(Musikakzent)

tor jüd. Friedhof S760>Das eiserne Tor am Friedhofseingang steht offen. Der jüdische Friedhof ist von Bäumen umgeben und zwischen den Grabsteinen wächst Gras. [Insektenbrummen]

Die Kultusgemeinde in Hannover ist nun für den Friedhof verantwortlich. Da die Kultusgemeinde wenig Geld besitzt, wurde ein Abkommen mit dem Forstamt Dransfeld getroffen, den Rasen zu mähen und auch den Zaun auszubessern.

Auf dem unteren Teil des Friedhofes liegen leicht vermooste Grabsteine. [Vogelstimmen] Die Inschriften
hebräische Inschrift mit Informationen über die Person wurden in hebräischen Buchstaben eingemeißelt.vermooste GrabsteineS760> Hier kann man nicht nur das Geburts- und Todesdatum lesen, sondern auch Informationen über die Person.

Wir stehen vor dem Grab von Jakob Meyer. Wilhelm Behrendt hält ein Blatt [Papierrascheln] mit der Übersetzung des hebräischen Textes in der Hand. Ich lese:

Ein Mann, zuverlässig und redlich wandelnd.

Er lebte von der Mühe seiner Hand und Arbeit

Alle Tage seines Lebens und war beliebt bei all

Seinen Brüdern alle Tage seines Lebens.

Darunter steht als Schlusszeile der Wunsch „Es sei seine Seele eingebunden in das Bündel des Lebens, in dem Bund des Lebens, eingeschrieben in das Buch des Lebens.

(Musikakzent)

Wir gehen nun in den oberen Teil des Friedhofes. Hier stehen die Grabssteine aufrecht. Spannend an einem jüdischen Friedhof ist die Tradition keine Blumen zu haben. Es soll an die Vergänglichkeit [des Lebens] erinnern, aber auch an die eigene Vergänglichkeit des Besuchers in der Grabsteine jüd.FriedhofAuseinandersetzung mit dem Leben. Wichtig ist dieser Begriff „Haus des Lebens”. Damals wurden die alten Grabsteine noch mit Blick nach Jerusalem ausgerichtet, also mit Blick auf die Auferstehung und mit Blick auf das Zukünftige. (W. W. Behrendt)

Hier sind die Grabsteine sind auf beiden Seiten beschrieben. Es gibt einen hebräischen und einen deutschen Text.

Mir springt der Name Isenberg ins Auge und ich denke an das Referat von Ernst Achilles vom Bürgerforum 9. November:

„Uns wurde berichtet, dass Jakob Isenberg Wortführer im Dransfelder Stadtrat war und sein Name daher auch auf der evangelische Kirchenglocke eingraviert wurde.“

(Musikakzent)

Der Friedhof wirkt sehr ruhig und friedlich auf mich. [Insektenbrummen] Doch ist dies leider nicht immer so.

„Außerdem wurde uns eine traurige Geschichte über die letzte Beerdigung auf dem Judenfriedhof 1937 erzählt. Einigen Dransfelder Jungen wurde erzählt, dass die Beerdigung stattfinden sollte und so gingen sie dazu angestachelt diese zu stören in die Nähe des Friedhofs. Dort machten sie Lärm und warfen mit Schneebällen. Heute tut es ihnen ihr Verhalten leid.“ (E. Achilles)

Auch in neuerer Zeit gab es Übergriffe auf den jüdischen Friedhof:

„Da hat es mehrere Übergriffe gegeben. [ Es gab] einen sehr starken Übergriff 1988 und jetzt im letzten Jahr erneut wieder … Die Öffentlichkeit hat entsprechend reagiert, aber man ist den Tätern nicht auf die Spur gekommen.“ (W. W. Behrendt)

(Motorengeräusch)

Nun ist es Zeit sich wieder auf den Weg zu machen. Unser nächstes Ziel an diesem Abend ist das Haus „Hoher Hagen“.

(Jüdische Musik)

Wir kommen am Haus „Hoher Hagen“[Stimmen] an und begegnen einigen Schülerinnen.

Der ehemalige Berggasthof liegt in der Nähe des Gausturmes. Das Haus Hoher Hagen ist nun ein Schullandheim und Bildungsstätte.

Wir gehen nun in das Obergeschoss. [Schritte auf der Treppe und Stimmen] Im Obergeschoss wurde Wilhelm Behrendt ein Raum zur Verfügung gestellt. Es gibt eine Sitzecke und viele Regale mit Büchern und anderen Informationen zu Konzentrationslagern und dem jüdischen Leben in Dransfeld. Hier hat er begonnnen eine Bibliothek und ein Archiv aufzubauen. Das Archiv soll helfen die Erinnerung an die nächsten Generationen weiterzugeben.

„Das kann einmal im Unterricht passieren, aber wir haben neben dem jüdischen Friedhof am Dransberg hier auf dem Hohen Hagen noch ein Schullandheim. Hier arbeiten verschiedene Gruppen zum jüdischen Leben in Dransfeld. Sie machen Interviews. Einige Gruppen kommen hier hoch, um den 9. November, die Gedenkstunde, vorzubereiten. [Sie kommen aber auch, um] sich [mit der Geschichte] auseinander zu setzen, Zeitzeugengespräche zu führen und diese Arbeitsergebnisse immer wieder dann öffentlich zu präsentieren. Eine Gruppe war auch mal auf den Spuren der Kinder in Auschwitz, Sie hat dann die Ergebnisse in Form einer Ausstellung in der Dransfelder Martini Kirche gezeigt. Diese Projektwerkstatt ist auf der einen Seite ein Raum mit einem Archiv und einer Bücherei. Diese Materialien können die Schüler beim selbstständigen Lernen unterstützen. Gleichzeitig mit der Projektwerkstatt verbunden, ist auch ein Bildungsprogramm: Die Gestaltung der Gedenkfeier des 27. Januars in Göttingen, in diesem Jahr in Form eines Konzertes im Januar oder die Beteiligung an den Veranstaltungen des Bündnisses gegen das Vergessen in Göttingen oder die Zusammenarbeit mit dem Bürgerforum 9. November in Dransfeld.“

Das Dransfelder Bürgerforum 9. November begrüßt diese Zusammenarbeit:

„… bisher waren wir ja immer nur ein loser Zusammenschluss, der sich halt zu diesem Gedenkstättenvorbereitungen traf oder sonst etwas unternahm, aber wir merken, das wir jetzt doch dort intensiver in der Zusammenarbeit auch in der Dokumentation vorgehen müssen.“ ( E. Achilles)

(Jüdische Musik)

Das Dransfelder „Bürgerforum 9. November“ hält sei einigen Jahren eine Denkveranstaltung am 9. November vor der ehemaligen Synagoge ab. Unterstützt wurde das Forum auch von Jugendlichen, die Zeitzeugen befragten. Die Jugendlichen haben viele Einzelheiten erfahren, wie:

„Wir haben erfahren, dass Herr Katzenstein aus der Bahnhofstraße schon früh ein Auto besaß. Dies war etwas ganz besonderes und deshalb freuten sich die Jungen aus der Nachbarschaft immer sehr, wenn er sie ein Stück mit dem Auto mitnahm. Häufig ließ Herr Katzenstein die Kinder bis zum Ortsausgang mitfahren, was ihnen, ob wohl sie von dort dann zu Fuß zurücklaufen mussten viel Freude bereitete“. Es ging hier also um ganz einfache Geschichten. „Uns wurde erzählt, dass nicht jüdische Kinder, sondern katholische Sprösslinge in der Gemeinde nicht integriert und als irgendwie anders abgestempelt wurden. Ein Dransfelder erinnert sich, dass der katholische Bahnhofsvorsteher Gunke mit seiner Familie nach Dransfeld kam und die Kinder im Ort sich vorher ausmalten, wie denn wohl ein katholischer Junge aussehen würde.“ (Ernst Achilles)

(Musikakzent)

Das Dransfelder „Forum 9.November“ plant für einige jüdische Bürger Stolpersteine zu legen. Stolpersteine sollen niemanden buchstäblich zum stolpern bringen, aber Fußgänger sollen bei den Steinen stehen bleiben und die Texte lesen.

(Musikakzent)

Ich bin nun vollgestopft mit Wissen über das jüdische Leben in Dransfeld und den Formen der Erinnerung.

Wir fahren nun wieder zurück nach Göttingen.

(Motorengeräusch)

Ganz sicher bin ich mir, dass es einmal eine Zeit gab, in der Bürger jüdischen Glaubens voll und ganz in das Gemeindeleben von Dransfeld integriert waren.

Sonst gäbe es sicherlich nicht die Redewendung über die beiden jüdischen Schwestern Julchen und Berta aus der Gerlandstraße:

„So wurde es zu einer Redenart, dass man wie Julchen und Berta sei, wenn man seine eigenen Bedürfnisse zurückstellte und sich gegenseitig das Beste wünschte.“ (Ernst Achilles)

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Die Sendung wurde am 10. Juli 2011 im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt

Literaturhinweis:

F. Hauck/ G. Schwinge, Theologisches Fach- und Fremdwörterbuch (KLVR 1480),  5. neubearbeitete Auflage, Göttingen 1982

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