„Religionsfreiheit“ – was ist das?

Die Sendung würde im StadtRadio Göttingen am 14. Januar 2005 ausgestrahlt.

Wussten Sie eigentlich, dass die Religionsfreiheit gar nicht so selbstverständlich ist?
Haben Sie schon einmal etwas von positiver oder negativer Religionsfreiheit gehört?
Und genau um die Religionsfreiheit geht es jetzt in meiner folgenden Sendung.
Natürlich kann ich mich hier nur mit einem Bruchteil der Religionsfreiheit beschäftigen.

Ich habe ein paar Gesichtspunkte für Sie herausgegriffen:

Was bedeutet der Begriff Religionsfreiheit?
Was wurde unternommen, um die Religionsfreiheit zu verankern?
Das Religionsangebot der letzten vier Jahrzehnte in Deutschland
Die Erforschung der Konflikte und Probleme mit neuen Jugendreligionen und „sogenannten Sekten“.

Und aus aktuellem Anlass: die Verleihung der Körperschaftsrechte des öffentlichen Rechts an Religionsgemeinschaften.
Was hat es mit dem Kopftuchverbot auf sich?

Bleiben Sie doch dran und hören einfach mal rein….

(Freiburger Spielleyt -Gesang):

1. Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie ziehen vorbei,
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger sie schießen,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei!

Was bedeutet Religionsfreiheit persönlich für Sie?
Bedeutet es für Sie, die Freiheit zu glauben und zu denken was Sie wollen?

Das Brockhaus-Lexikon definiert die Religionsfreiheit wie folgt:

„..das Recht auf freies Bekenntnis zu einer Religion (Bekenntnisfreiheit) und das Recht auf freie Religionsausübung (Kultfreiheit), oft gleichbedeutend mit dem stärker auf das individuelle Recht bezogenen Begriff der Glaubensfreiheit“.

Das Grundgesetz sagt im Artikel 4 Absatz 1 u. 2 über Glaubens-u. Gewissensfreiheit:

Abs.1 Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

Abs. 2 Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

Das klingt doch alles sehr einfach, aber wussten Sie, dass die Religionsfreiheit nicht unbegrenzt sein kann?

Die Religionsfreiheit muss begrenzt werden, wenn eindeutig andere Gesetze übertreten werden, z. B. wenn bei der Religionsausübung Menschen getötet oder Witwen verbrannt werden.

Haben Sie auch schon einmal etwas von positiver und negativer Religionsfreiheit gehört?

Was bedeutet eine positive oder negative Religionsfreiheit?

Der Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Weber äußerte sich auf einer Tagung über Religionsfreiheit wie folgt: (O-Ton)

„..dass das Grundgesetz sowohl die positive als auch die negative Seite der Religionsfreiheit schützt, dass aber im normalen gesellschaftlichen Leben niemand seine negative Religionsfreiheit in Anspruch nehmen kann, um andere an der Entfaltung ihrer positiven Religionsfreiheit zu hindern: So ist es unstreitig, dass ….niemand gegen seinen Willen an einer religiösen Betätigung (etwa der Beteiligung an einem Gottesdienst) gehindert oder aber zu einer solchen Betätigung (etwas der Beteiligung an einem Schulgebet) gezwungen werden darf. Ebenso unbestritten ist es aber auch, dass die negative Religionsfreiheit niemanden vor der Konfrontation mit der Religionsausübung anderer im gesellschaftlichen Leben schützt. Niemand kann von anderen unter Berufung auf seine negative Religionsfreiheit die Unterlassung ihn subjektiv beeinträchtigter religiöser Handlungen verlangen; niemanden schützt deshalb die negative Religionsfreiheit vor dem Geläut von Glocken Katlenburg(oder Moscheedem Ruf des Muezzin) – beiden setzen allenfalls die Lärmschutzvorschriften des staatlichen Immissionsschutzrechts Grenzen -, niemanden schützt sie weiter vor dem Anblick von Kirchen (oder Moscheen), von Gottesdienstbesuchern oder von Prozessionsteilnehmern, vor der Ausstrahlung von religiösen Sendungen im Fernsehen oder auch vor der Begegnung mit (traditionellen oder neuartigen) Wegekreuzen am Straßenrand.“

(Musikakzent)

Haben Sie das Gefühl in einen Land zu leben, in dem es Religionsfreiheit gibt?

Ist es heute überhaupt sinnvoll sich mit diesem Thema zu befassen?

Auf diese Frage ging der Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Weber auch in seinem Referat ein.

Das Referat hielt Prof. Dr. Weber während eines Seminars über die „Religionsfreiheit“ im Internationalen Wissenschaftsforum der Universität in Heidelberg.

Hören wir uns einmal seine einleitenden Worte an:

(O-Ton):

„Religionsfreiheit – auf den ersten Blick könnte man zweifeln, ob es heute überhaupt noch sinnvoll ist, sich mit dem Thema zu befassen: Garantien der Religionsfreiheit sind am Ausgang des 20. Jahrhunderts Bestandteil nahezu aller staatlichen Verfassungen – weit über den westlichen Rechtskreis hinaus. Sie gehören zum Grundbestand internationaler Pakte, Konventionen und Deklarationen über Menschenrechte“.

Und wie sieht es auf den zweiten Blick aus?

(O-Ton):

Die Religionsfreiheit wird nach einer Studie der US-Regierung in 194 Ländern nicht voll respektiert. In dem in Washington veröffentlichten Jahresbericht zur Religionsfreiheit wird vor allem China scharf kritisiert.“

Neben weiteren Ländern, „in denen `totalitäre oder autoritäre Regime` die Glaubenspraxis kontrollieren und Gläubige verfolgen“, kritisiert der Bericht … auch westliche Staaten wie Frankreich und Belgien, aber auch Deutschland, „weil es bestimmte Religionen `missbräuchlich` als `Sekten `bezeichne. In Deutschland sei ein `Anti-Sekten-Filter`eingerichtet worden, um sich gegen die Infiltration durch Scientology in Behörden und Unternehmen zu schützen. …“

Ist die Religionsfreiheit in Deutschland aber eindeutig definiert?

(O-Ton):

„Bei näherem Zusehen zeigt sich, dass auch in der rechtwissenschaftlichen Diskussion in Deutschland bei aller prinzipiellen Anerkennung der Religionsfreiheit als solcher Inhalt und Grenzen dieser Garantie nach wie vor nicht abschließend geklärt sind.“

Nach der Musik möchte ich Sie zu einer Reise in die Geschichte der Religionsfreiheit einladen.

(Musiktrack: Enya)

Schön, dass Sie mich nun auf die Reise in die Geschichte der Religionsfreiheit begleiten möchten. Prof. Dr. Weber wird unser Reiseleiter sein.

Religionsfreiheit wurde mühsam errungen.

(O-Ton):

Prof. Dr. Weber:

„Seit der Verankerung des Christentums als Staatsreligion im Römischen Reich durch Edikt des Kaisers Theodosius (380) sind Staat und Kirche im Abendland institutionell verbunden; beide gemeinsam sind verantwortlich für die Erhaltung der Glaubenseinheit. Für Religionsfreiheit ist in einem solchen System kein Raum. Auch die Reformation bringt keinen grundsätzlichen Wandel. … Evangelische Freiheit im Sinne Luthers ist vielmehr gebunden an die „Verkündigung des wahren unverfälschten Wortes Gottes durch das Predigtamt der wahren Kirche gemäß der Offenbarung in der heiligen Schrift“. Gleiche Freiheit für Irr- und Aberglauben kann es nicht geben. … Die ersten Ansätze einer Gewährleistung von Religionsfreiheit im Augsburger Religionsfrieden. … und die erweiterte Gewährleistung der „libertas religionsis“ im Westfälischen Frieden. … bleiben denn auch … als „Interimsordnung bis zur ( ausgebliebenen) Wiedervereinigung“ auf die christlichen Hauptkonfessionen beschränkt. Zum Teil weiter gehen die Utrechter Union in Holland, die Toleranzedikte von St. Germain und Nantes in Frankreich und das Agreement of the People in England. Den vollen Durchbruch zur Religionsfreiheit im modernen Sinne bringt erst die Aufklärung. … Erstmals juristisch voll ausformuliert, findet sich die Religionsfreiheit in Art. 16 der Virginia Bill of Rights, knapper gefasst auch in Art. 10 der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1798 und dem Zusatzartikel (Amendment) 1 zur Verfassung der USA). Heute ist die Religionsfreiheit Bestandteil der Grundrechtskataloge aller demokratischen Verfassungen und der internationalen Menschenrechtspakte…

Die Kirchen haben die Religionsfreiheit als Menschenrecht erst sehr spät akzeptiert.“

(Musiktrack)

Religionsfreiheit bedeutet auch eine Vielzahl an Religionen in einem Staat.

Der Begriff Religion ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Glauben an einen persönlichen Gott. Der Buddhismus ist ein Beispiel dafür.

Wenn Religionsfreiheit auch eine Vielfalt an Religionen in einem Staat bedeutet, wie sieht es dann in unserem Staat aus?

Sicherlich haben wir ein großes Angebot an Religionen in Deutschland. Das Angebot wird ständig erweitert.

Mir persönlich waren zum Beispiel in den 1960er Jahren nur die katholische, die evangelische und die neuapostolische Kirche, sowie die Pfingstgemeinde, die Zeugen Jehovas und der Islam bekannt.

In den 1970er Jahren gab es eine Vielfalt von Religionen, die sich speziell an Jugendliche wandten.

Diese Religionen wurden auch Jugendreligionen – oder Jugendsekten genannt.

Was verstand man denn damals unter einer Sekte?

In dem Jugendlexikon vom Rowohlt Verlag über „Gesellschaft“ konnte man lesen:
(vorlesen lassen):

SEKTE: „Glaubensrichtung einer Religionsgemeinschaft, die sich abgespalten hat, um einer „Sonderlehre“ zu folgen. Sekten werden oft von der Mutterkirche heftiger angegriffen als fremde Religionsgemeinschaften, weil sie radikaler in ihren Glaubenssätzen sind. Sekten können zu Randgruppen einer Gesellschaft, aber auch zu sozial anerkannten Einrichtungen werden. Auch für politische Abspaltungen von Parteien wird der Begriff manchmal verwendet.“

Eine der bekanntesten Jugendreligionen oder Jugendsekten, waren in den 1970er Jahren zum Beispiel die „Kinder Gottes“. Die Kinder Gottes wurden von David Moses Berg in Amerika gegründet. David Moses Berg ist auch unter dem Namen Mo. bekannt.

Damals gab es auch schon die Scientology Kirche und die Transzendentale Meditation.

Beide Gruppen wurden bereits in den 1950er Jahren gegründet.

Bekannt war auch schon die Vereinigungskirche. Die Vereinigungskirche wird auch als Mun-Sekte bezeichnet. Der Name Mun-Sekte kommt von dem Namen des Führers San Myung Mun.

Die Hare Krishna gab es damals ebenfalls. Auch Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein genannt.

Die Hare Krishna hatten ihren Sitz in Indien. Ihr Führer Swami Brabhupada verstarb 1977.

(Musik: For a distance)

In den 1980er Jahren hatte ich dann den Eindruck, dass das Interesse an Jugendreligionen und neuen Religionsgemeinschaften abebbte.

Erst nach der Grenzöffnung kam das Thema Jugendreligionen und Sekten wieder auf den Tisch.

Diesmal wurde das Thema aber erweitert.

Nun geht es um die neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen in der Bundesrepublik Deutschland.

Jeder scheint sein persönliches Gottes Bild zu haben, vorausgesetzt, er glaubt überhaupt an einen Gott.

Viele Deutsche ziehen auch die Konsequenz und treten aus den traditionellen Kirchen aus.

Einige wenden sich anderen religiösen und ideologischen Gruppen zu.

Eigentlich entspricht diese Freiheit der Religionswahl dem Willen von König Friedrich dem Großen von Preußen.

Friedrich der Große entschied: Der Staat „muss nur das Auge darauf haben, dass keine Religion der anderen Abbruch tue, denn hier muss ein jeder nach seiner Fasson selig werden.“(lesen lassen)

Dürfen wir aber in unserem Staat tatsächlich nach unserer „Fasson selig“ werden?

Vor einigen Jahren konnte man in der Zeitschrift FOCUS folgende Überschrift lesen:

„Religionsfreiheit – Glaubenspolizei schon am Werk? – Wissenschaftler warnen vor Dämonisierung von Sekten und Psychogruppen.“(andere Stimme)

Anlass zu dieser Überschrift gaben die beiden Bände „Die neuen Inquisitoren“. Diese Bücher wurden von den beiden Professoren Gerhard Besier und Erwin K. Scheuch herausgebracht.

Die beiden Bände „Die neuen Inquisitoren“ befassen sich mit dem Endbericht der Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“.

Die Enquête-Kommission hat empfohlen, den Begriff „Sekte“ nicht mehr zu verwenden, da dieser inzwischen abwertend ausgelegt wird. Der Begriff Sekte käme einer Anklage oder Verurteilung gleich.

Sie schlägt stattdessen vor, Begriffe wie „neue Religiöse Gemeinschaften“, “neue religiöse Bewegungen“ sowie „neue weltanschauliche Bewegungen“ zu benutzen.

Die Enquête-Kommission des deutschen Bundestages wurde gegründet, um die Probleme und Konflikte durch die „sogenannten Sekten und Psychogruppen“ zu erforschen.

Der Endbericht der Enquête-Kommission des deutschen Bundestages umfasst die Jahre 1996-1998.

(Musik: My way)

Welches Ergebnis kann man nun in dem Endbericht der Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ lesen? Unter der Überschrift „Resümee“ kann man auf Seite 370 folgendes lesen:

„…Es konnte nicht bestätigt werden, dass die Entstehung und Ausbreitung neuer religiöser und weltanschaulicher Bewegungen ein „anwachsende(s) vielschichtige(s) Gefährdungs-u. Konfliktpotential“ bedeutet. Es besteht deshalb auch keine Veranlassung, von Seiten des Staates nach Möglichkeiten zu suchen, durch die verhindert werden soll, dass sich die Menschen neuen religiösen und weltanschaulichen Bewegungen zuwenden; oder durch die gefördert werden soll, dass Menschen solche Gemeinschaften wieder verlassen. Der Staat muss sich darauf beschränken, in konkreten Fällen Menschen zu helfen, wenn Hilfe notwendig ist.“

Offensichtlich scheint der Endbericht der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages ja positiv für die „sogenannten Sekten und Psychogruppen“ ausgefallen zu sein, wenn da nicht noch das berühmte „aber“ käme…

Der eingangs zitierte Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Weber erklärte das berühmte „aber“ wie folgt:

(O-Ton):

„In neuester Zeit freilich sprechen manche Anzeichen für eine Beruhigung der mitunter eher hysterischen, von Sektenfurcht gekennzeichneten Diskussion: Da für spricht auf den ersten Blick auch das Resümee im Endbericht der Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ des deutschen Bundestages: Danach stellen „zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesamtgesellschaftlich gesehen die neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen keine Gefahr für Staat und Gesellschaft oder für gesellschaftlich relevante Bereiche“ dar. In deutlichem Widerspruch zu dieser Ausgangsthese stehen allerdings die umfangreichen Handlungsempfehlungen der Kommission, darunter die Empfehlung zur Einrichtung einer Stiftung „Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen“ und zur Begründung umfangreicher Kompetenzen des Bundesverwaltungsamts in diesem Bereich (Sammlung und Auswertung von Materialien, Information öffentlicher Dienststellen und privatrechtlicher Stellen, die sich die Fürsorge für die Betroffenen zur Aufgabe gemacht haben, Aufklärung der Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit über einschlägige Gefahren). Diese Vorschläge sind im Blick auf die Religionsfreiheit rechtspolitisch, aber auch verfassungsrechtlich ebenso problematisch wie das bereits in Kraft stehende österreichische „Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- u. Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen)“ aus dem Jahre 1998.“

(Musiktrack)

Der Staat selbst ist zur Religionsneutralität verpflichtet. Religionsneutralität bedeutet dann aber auch die Religionsfreiheit von Minderheitsreligionen zu gewährleisten. Andererseits muss der Staat den Bürger schützen. Er muss ihn vor Religionen und Minderheitsreligionen schützen, die den Bürger in seiner persönlichen Freiheit begrenzen oder ihn sogar in irgendeiner Weise bedrohen.

Prof. Dr. Weber sieht hierin ein Spannungsverhältnis. Das Spannungsverhältnis kann weitreichende Folgen für die Religionsfreiheit haben. Er sagte:

(O-Ton):

„In diesem Spannungsverhältnis sind in jüngerer Zeit in Deutschland, … deutliche Tendenzen zu Einschränkungen der Religionsfreiheit der Minderheitsreligionen (und damit zu einer SeltersEntliberalisierung des Religionsrechts) erkennbar. Genannt seien hier aus der Entwicklung in Deutschland- neben der fragwürdigen, durch keinerlei ausdrückliche Regelung im Grundgesetz gedeckten Anknüpfung der Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an die Religionsgemeinschaften an eine von der Verfassung angeblich vorausgesetzte „Staatsloyalität“ der fraglichen Religionsgemeinschaft durch das BVerwG im Falle der Zeugen Jehovas…“

In allen16 Bundesländern hat die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas das Recht einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erhalten.

(Musik: Popcorn)

Bei der Verleihung um die Körperschaftsrechte geht es um viele öffentlich-rechtliche Vorrechte.

Diese Rechte sind z.B.: Das Recht, von den Mitgliedern Steuern zu erheben und diese vom Staat einziehen zu lassen; der Vorzug selbst keine Steuern an den Staat zahlen zu müssen; eine Vielzahl von Vergünstigungen und Befreiungen bei Kosten und Gebühren in Verwaltungsverfahren, die Mitwirkung an wichtigen Entscheidungsprozessen in staatlichen und halbstaatlichen Gremien, die Errichtung eigener theologischer Fakultäten auf Staatskosten; die Unterhaltung kirchlicher Seelsorge bei der Bundeswehr auf Staatskosten und Zuschüsse vom Staat in vielen anderen kirchlichen Bereichen.

(Musik)

Die Stuttgarter Nachrichten (vom 5.8.00) berichteten unter der Überschrift „Richter suchen Volksnähe“ über das Kruzifixurteil von 1995.

Nur kurz zur Erinnerung: Ein Vater hatte aufgrund seiner anthroposophischen Weltanschauung geklagt. Er wollte seiner Tochter den Anblick eines halbnackten, toten Männerkörpers ersparen. Das Bundesverfassungsgericht entschied für den Vater.

Das Urteil lautete: „Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Artikel 4 Abs. 1 des Grundgesetzes.“

Die Stuttgarter Nachrichten schreiben weiter: „Doch mit der strikten Trennung von Staat und Kirche haben die Richter 1995 eine Richtung gewiesen, in der weitere Schritte folgen dürften.

(Musikakzent)

Ein weiteres Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurde heftig diskutiert. Es ist das Kopftuchurteil.

Ich habe Frau Prof. Dr. Christine Langenfeld von der Juristischen Fakultät in Göttingen gefragt, was der genaue Inhalt des Kopftuchurteiles ist:

„Das Bundesverfassungsgericht hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine Lehrerin, die darauf besteht ihr (islamisches) Kopftuch auch während des Unterrichts zu tragen, geeignet ist für den Schuldienst als Beamtin in den öffentlichen Dienst eingestellt zu werden. Und hier hat sich natürlich die Frage gestellt, in wie weit sich die Lehrerin auf die Religionsfreiheit berufen kann und grundsätzlich gilt das Tragen von äußerlichen Zeichen der religiösen Zugehörigkeit in den Schutzbereich. Dieses Grundrechtes, aber dieses Grundrecht stößt an anderem Grundrechten und diese Grundrecht sind diejenigen, der Schüler und der Eltern, die sich natürlich diesem Kopftuch ausgesetzt sehen, Wenn sie also in der Schule im Klassenraum sitzen und hierzu ja auch qua Schulpflicht verpflichtet sind. Und das Bundesverfassungsgericht hat im Wesentlichen entschieden, dass der Gesetzgeber hier zu einem Ausgleich dieser grundrechtlichen Positionen kommen muss. Und zwar muss der Gesetzgeber also die Landesparlamente in diesem Fall entscheiden in wieweit sie Lehrern das Tragen religiöser Zeichen auch in ihrer Funktion als Lehrkraft, als Beamte, also als Repräsentanten des Staates gestatten. Und hieran mangelte es in Baden-Württemberg. Es gab im Baden-Württembergischen Schulgesetz bis vor kurzem keine ausdrückliche Bestimmungen, dass Tragen religiöser Kleidung oder sonstiger religiöser Kleidung oder sonstiger Zeichen untersagt hätte. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses gerügt und es hat darauf hingewiesen, dass eben gerade in Fällen wie dem Fall der Klägerin Frau Ludin eine solche gesetzliche Grundlage notwendig ist, weil eben nicht nachgewiesen werden konnte, dass von dem Tragen des Kopftuches durch die Beschwerdeführerin wirklich eine Beeinträchtigung der Grundrechte der Schüler oder eine Beeinträchtigung des Schulfriedens ausging. Das heißt, es bestand nur eine abstrakte Gefahr und die Regulierung dieser abstrakten Gefahr durch ein Verbot etwa von religiösen Zeichen, das muss der Gesetzgeber selber entscheiden, denn hier handelt es sich um sehr grundrechtsrelevante Fragen und das kann die Exekutive nicht machen.( Also das ist im wesentlichen der Inhalt des Urteils.)

Christine Langenfeld fügte noch hinzu:

Ein Punkt ist noch nachzutragen und zwar hat das Bundesverfassungsgericht auch sehr deutlich gemacht, dass bei dieser Regelung, die der Landesgesetzgeber nun treffen muss, er alle Religionsgemeinschaften gleichbehandeln muss. Also das Gleichbehandlungsgebot gilt in jedem Fall. Im Übrigen aber ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Er kann also großzügiger verfahren mit der Zulassung religiöser Zeichen, wohlgemerkt aller religiöser Zeichen von allen Religionsgemeinschaften. Sie kann aber sich auch entscheiden für einen Ausschluss religiöser Zeichen, die von Lehrkräften getragen werden aus der öffentlichen Schule, also hier kann der Landesgesetzgeber auch auf die jeweiligen Landestraditionen Rücksicht nehmen.

Welche Konsequenzen hat dies?

„Dieses Urteil hat für die Landesparlamente schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Die Landesparlamente sahen sich nun gezwungen, entsprechende Regelungen zu schaffen. Sie hätten es natürlich auch bei der jetzigen Rechtslage belassen können mit der Folge, dass nur dann wenn sehr konkret es zu Bedrohungen des Schulfriedens kommt, ein religiöses Zeichen etwa das Kopftuch hätte verboten werden können. Die meisten Landesgesetze wollten es aber dabei nicht belassen und wollten eine grundsätzliche Regelung treffen und eine ganze Reihe von Landesgesetzgebern haben zum Teil in sehr unterschiedlicher Form auch Regelungen geschaffen und in ihre Schulgesetze eingefügt, die das Tragen von religiösen Kleidungsstücken oder sonstigen religiösen Zeichen betreffen. Es gibt Länder, die generell das Tragen von religiösen Zeichen im (öffentlichen Dienst oder ) im Schuldienst verbieten. Das ist (etwa) in Berlin der Fall. Und es gibt Länder, die das Tragen von religiösen Zeichen dann verbieten, wenn diese Zeichen sich als Gefahr für die Neutralität des Staates oder den Schulfrieden erweisen können. Das etwa ist in Baden-Württemberg der Fall oder auch in Bayern. In ähnlicher Weise auch in Niedersachsen. Allerdings haben einige Länder eine ausdrückliche Privilegierung christlicher und jüdische Symbole hineingeschrieben und sie sagen nämlich, dass also das Bekenntnis zum christlichen Glauben etwa, dass dieses eben nicht gegen das Neutralitätsgebot oder aber gegen den Schulfrieden verstößt. Also hierin kann man den Versuch sehen, etwas das Tragen eines Habit durch eine Nonne.“

In unserem Staat kommt es durchaus vor, dass eine Nonne an einer Schule in der Ordenstracht unterrichtet.

Was ist der Unterschied zwischen dem Schleier der Nonne und dem muslimischen Kopftuch?

Ludger Gaillard (war 2004 Islambeauftragter des evangelisch-lutherischen Sprengels Göttingen/Niedersachsen) erklärte gegenüber dem StadtRadio: Die Kleidung der Nonne sei schon lange in Europa eingeführt worden und hätte somit einen Heimvorteil, wohingegen das islamische Kopftuch etwas Neues sei.

Ein weiterer Unterschied sei es, dass das Gewand der Nonne nur ein Gewand für diese Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied eines Ordens sei, während nach genereller islamischer Ansicht die Bedeckung des Kopfes der Frau für alle Frauen gelte.

Die Nonnenkleidung sei aber nur für Einzelne verpflichtend.

Ich habe Frau Prof. Dr. Irene Schneider vom Göttinger Seminar für Arabistik gefragt, ob es im Koran tatsächlich ein Gebot gäbe, dass Kopftuch zu tragen:

Es gibt kein Kopftuchgebot im Koran verankert, es gibt 2 Stellen, die so interpretiert worden sind in klassischer Zeit und heute eben teilweise anders interpretiert werden. Das eine ist Sure 24: 30. Da wird Männern und Frauen empfohlen sich zu bedecken und sich züchtig zu verhalten.

Und es wird bei Frauen noch gesagt, sie sollen sich in einer bestimmten Art und Weise etwas über den Ausschnitt ziehen …und es gibt die andere Stelle das 33:59, da ergeht an den Prophet die Aufforderung, dass er eben dafür sorgen soll, dass seine Frauen und die Frauen der Gläubigen, sich in einer bestimmten Art kleiden. Beide Verse sind in klassischer Zeit schon so interpretiert worden … über die 1400 Jahre weg, dass Frauen eben ihr Haar bedecken sollen und früher noch stärker verschleiert waren. Beide Stellen werden heute von modernen Theologen teilweise ganz anderes ausgelegt, nämlich so, dass man sagt, das steht wirklich explizit nicht drin. Im Grunde genommen wird nur gesagt, dass man sich dezent kleiden muss und dass gilt für Männer und Frauen. …

Was bedeutet heute das Tragen des islamischen Kopftuches?

„Also das Kopftuch im islamischen Kontext hat sehr viele verschiedene Bedeutungen. Zunächst mal ist es einfach ein traditionelles Kleidungsmittel und viele Frauen tragen es, weil sie ohne es sich unwohl fühlen würden, sich einfach nicht angezogen fühlen würden. Dann ist es durchaus auch Ausdruck der Religiosität. Das heißt viele Frauen tragen es, weil sie ihr Musliminsein ausdrücken wollen damit. Aber andererseits gibt es auch viele Frauen, die es nicht tragen, die sich explizit auch als Musliminnen verstehen. Und es kann ein politisches Symbol sein, dann wenn die Frauen sich eben als Islamistinnen, als politische Vorkämpferin für den politischen Islam verstehen. Alles ist möglich und dazwischen gibt es natürlich eine ganze Menge an Abstufungen, vor allem in Bezug auf die Frauen, die hier in Deutschland leben. Das ist ja eine spezifische Situation der Diaspora hier in Deutschland und vor diesem Hintergrund muss man sehen, dass viele Frauen aus diesen kulturellen Kontext oder die zum Beispiel Kinder von Einwanderern sind, zweite dritte Generation hier leben, dass diese Frauen sich in einem Spannungsfeld zwischen 2 Kulturen sich befinden und ihre Identität suchen und durchaus das Kopftuch ihnen auch manchmal dabei behilflich ist, diese Identität zu finden. So dass es auch so ein Ausdruck eben des Suchens sein kann, das der eigenen Position in der Gesellschaft. Das ist also eine große Spannweite und ganz wichtig ist zu betonen, dass nicht jede Frau, die das Kopftuch trägt, damit wirklich auch einen politischen Islam und einen kämpferischen verbindet.“

Seit dem Terroranschlag vom 11.September 2001 spricht man mehr vom Islamismus als vom Islam.

Was versteht man unter Islamismus?

„Gemeint ist eine Bewegung, die vor allem in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts sich entwickelt hat, aber schon vorher bestanden hat, sich aber zu dieser Zeit besonders entwickelt und verstärkt hat. Es ist eigentlich eine Ideologie des politischen Islams. Eine ganz klare moderne Ideologie, die sich abgrenzt gegenüber anderen Ideologien wie den Sozialismus, mit dem arabische und islamische Länder ja auch gespielt haben und des Nationalismus und so weiter. Und diese Ideologie fußt auf der Erkenntnis, dass die islamische Welt ja heute in einer politischen Situation der Abhängigkeit … ist. Und dass eine Möglichkeit aus dieser Situation zu entkommen, nur darin besteht, die alte Stärke des Islams wieder hervor zu holen, das kann man, in dem man in die frühe Zeit des Islam zurückkehrt und auf diese frühe Zeit schaut und zu den Quellen der Religion zurückkehrt. Das ist der Koran einmal und das ist die Sunna, das heißt die maßgeblich normativen Aussagen des Propheten, in dem man auf das zurückgreift und versucht hier die Anregungen für das moderne Leben zu holen, wie ein moderner Staat heute auszusehen hat. Und eine der Zentralforderung dieser Islamisten ist die Wiedereinführung der Scharia, also des islamischen Rechtes. Wobei man also auch sagen muss, dass Islamismus ein Schlagwort ist. Auch hier ist eine ganze Breite von Bewegungen gemeint, die da mit in Verbindung gebracht werden kann und diese Bewegungen sind nicht einheitlich. Sie haben weder einheitliche Vorstellungen … noch sind sie alle gleich gewaltbereit. Es gibt durchaus islamistische Bewegungen, die nicht gewalttätig sind, das heißt, die glauben, dass der Islam sich irgendwann durchsetzen wird, aber die nicht dafür mit Gewalt einen Staat bekämpfen würden, aber es gibt eben durchaus andererseits gewaltbereite Bewegungen, die dazu zu zählen wären.“

Das Tragen eines islamischen Kopftuches bedeutet also nicht in jedem Fall, dass die Trägerin den Islamismus vertritt.

Trotzdem herrscht bei den Landesgesetzgebern und den Schulbehörden eine große Verunsicherung darüber, ob man das Tragen des islamischen Kopftuches an Schulen zulassen soll.

Wirkt sich das Tragen eines islamischen Kopftuches tatsächlich negativ auf die Schüler aus?

Laut Ludger Gaillard fürchten unsere Schulbehörden, dass die Schülerinnen in einer Weise, die unserer freiheitlichen Tradition entgegenläuft, indoktriniert werden. Er selbst sei der Ansicht, dass es pädagogisch und psychologisch nicht stimme, dass Kinder sich davon negativ beeinflussen ließen. Für ihn fordere die Religionsfreiheit, dass alle Religionen gleiche Rechte genießen müssen. Wenn man also einer Ordensfrau in einer staatlichen Schule erlaube in ihrer Ordenskleidung zu unterrichten, müsse man Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften die gleichermaßen staatliche Lehrerinnen sind auch ihr Kopftuch erlauben. Die Religionsfreiheit sei unteilbar. Das sei ein Verfassungsgrundsatz unserer freiheitlichen Verfassung und von dieser könne man nicht abrücken. Die Mehrheitsgesellschaft würde die Kopftuchdebatte übersteigern. Man solle sie zurücknehmen und entschärfen und damit die Integration unserer islamischen Einwanderer fördern. Verbote würden nichts erreichen. Mit Verboten schaffe man eher ein radikales Potenzial.

Wie ist das Verfahren von Frau Ludin vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgegangen? Hierzu Prof. Dr. Christiane Langenfeld:

Das Ergebnis des Bundesverfassungsgerichts war ja, dass Verfahren zum Bundesverwaltungsgericht wieder zurückverwiesen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht musste also erneut über den Fall entscheiden und musste dieses Tun auf der Grundlage der veränderten Gesetzeslage, die mittlerweile in Baden-Württemberg bestand. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch im Juni eine Entscheidung getroffen. Das Ergebnis der Entscheidung ist kurzgefasst, dass Frau Ludin, da sie kompromisslos auf dem Tragen des Kopftuches bestanden hat, nicht in den Schuldienst aufgenommen werden kann. Sie ist als ungeeignet anzusehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgehalten, dass eben nach den neuen Gesetzeslage in Baden-Württemberg Lehrkräfte keine persönlichen Zeichen tragen dürfen, die eben geeignet sind die religiöse Neutralität des Landes oder den Schulfrieden zu gefährden. Das Bundesverwaltungsgericht hat gesagt, dass das Tragen des Kopftuches geeignet ist, eine solche Gefährdung darzustellen. Hierbei konnte nicht darauf an, ob sich eine konkrete Gefahr ergibt, also die Eltern sagen: „Wir sehen in diesem Kopftuch von der Lehrerin tatsächlich eine Gefahr“, sondern das Bundesverwaltungsgericht hat eben gesagt: „Nein, der Gesetzgeber darf das generell regeln. Er darf sagen, das Kopftuch wird von vielen eben als gewisse Bedrohung verstanden und der Gesetzgeber darf hier so zu sagen abstrakt und generell regeln und das Kopftuch generell verbieten.“ Die Regelungen in Baden-Württemberg sprechen ja nicht ausdrücklich vom Kopftuch, aber die Verwaltungsbehörden können unter diese Regelung das Kopftuch ohne weiteres und in allen Fällen fassen. Also in sofern war das Ergebnis klar, Frau Ludin bestand auf dem Kopftuch. Sie verstieß gegen das Verhaltensgebot und ein Lehrer, der schon bei seiner Einstellung sagt, dass er sich nicht an die Verhaltensgebote halten will, denen er als Beamter unterworfen ist, ist ungeeignet. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber folgende interessante Wendung hinzugefügt und die besteht darin, dass die Regelungen, die das Baden-Württembergische Gesetz ja zusätzlich noch enthält, nämlich die Privilegierung der christlichen und abendländischen Zeichen, das diese Regelung nicht in dem Sinne verstanden werden darf, damit etwas christliche, jüdische Lehrer bevorzugt werden dürften gegenüber muslimischen Lehrkräften. Also das Bundesverwaltungsgericht hat sehr deutlich gemacht, dass dieses Verhaltensgebot diese religiöse Zurückhaltung im Äußerlichen für alle Lehrkräfte gelten muss. Damit hat es das Baden-Württembergische Gesetz gerettet vor der Verfassungswidrigkeit, denn wenn das Bundesverwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, dann hätte es das Verfahren aussetzen müssen und das Bundesverfassungsgericht fragen müssen, ob das Gesetz denn mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist. Da das Bundesverfassungsgericht aber dieses Gesetz im Sinne der Gleichbehandlung ausgelegt hat, obwohl der Gesetzgeber eigentlich etwas anders wollte, (das kann ich in Klammer hinzufügen), war das nicht mehr erforderlich .

Im Ergebnis also ist Frau Ludin ungeeignet für den Schuldienst und ist nicht in den Schuldienst übernommen worden.

Kann man im Verbot des Kopftuches einen weiteren Schritt in Richtung Trennung Kirche und Staat sehen?

Also die staatrechtliche Tradition in der Bundesrepublik Deutschland besteht darin, auch der Äußerung religiöser Überzeugungen in Räumen und auch in staatlichen Räumen wie der öffentlichen Schule Raum zu geben. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat ist in Deutschland traditionell nicht so verstanden worden, wie in Frankreich, wo eben doch dass Bekenntnis zu einer bestimmten Religion durch Lehrer und auch durch Schüler in der öffentlichen Schule nicht in Betracht kommt. Hiervon ist der deutsche Staat nie ausgegangen. Natürlich ist der deutsche Staat neutral gegenüber allen Religionen und Weltanschauungen. Er ist also davon ausgegangen, dass jeder, jeder Schüler und jede Lehrkraft sich religiös bekenne darf, natürlich nur im Rahmen der Verfassung. Verfassungsfeindliche Zeichen darf man natürlich nicht auf den Kopf ziehen oder um den Hals hängen und natürlich auch nur dann wenn der Schulfrieden gewahrt bleibt. Also die religiöse Konfrontation soll nicht in die Schule getragen werden im Namen der Religionsfreiheit. Wenn die Landesgesetzgeber sich jetzt in sehr unterschiedlicher Weise zum Teil dafür entscheiden, das religiöse Bekenntnis durch Lehrkräfte aus den Schulen ganz zu verbannen, dann ist das natürlich ein weiterer Schritt einer etwas radikaleren Trennung zwischen Kirche und Staat, weil das Religiöse im öffentlichen Raum nicht mehr den Ausdruck finden kann, wie vorher. Und ich darf aus meiner persönlichen Sicht hinzufügen: Ich würde es überhaupt nicht begrüßen, wenn der Nonne die seit vielen Jahren den Mathematikunterricht an einer öffentlichen Schule in ihrer Ordenstracht erteilt, nun plötzlich im Namen der Gleichbehandlung ihr Tracht verboten würde. Ich würde dafür plädieren, in jedem Einzelfall zu prüfen, etwa bei einer Lehrerin, die das Kopftuch tragen möchte, ob das Kopftuch tatsächlich eine Gefährdung des Schulfriedens darstellt und ob die Lehrerin tatsächlich auf den Boden der Verfassung und auf den Boden des Erziehungsgesetzes steht. Wenn keine Anhaltspunkte da sind, dass die Lehrerin dagegen verstößt, kann der Versuch durchaus gemacht werden, sie mit dem Kopftuch unterrichten zu lassen. Ich würde ihr allerdings auch bei der Einstellung die Frage stellen:

„Wären sie bereit Ihr Kopftuch abzunehmen, wenn es Konflikte in der Klasse gibt?“ Wenn eine Lehrerin dann sagt: „Nein, prinzipiell bin ich nicht bereit.“ Dann wäre sie aus meiner Sicht ohnehin ungeeignet, den eine Lehrkraft darf ihre Grundrecht nicht mit der Brechstange durchsetzen, sondern hat sich ihrer pädagogischen Verantwortung bewusst zu sein und dann eben ihre eigene grundrechtliche Verwirklichung zurückzunehmen. Dafür ist sie Beamtin und unterliegt stärkerer Einschränkungen als die Schüler als die Schüler etwa. Also ich plädiere hier für eine Einzelfallprüfung und diese Einzelfallprüfung kann dann eben durchaus zu dem Ergebnis kommen: in diesem Fall Kopftuch nein, Ordenstracht ja und das wäre eine Lösung, die ich als auf jeden Fall verfassungskonforme Lösung ansehen würde und als eine Lösung, die doch weiterhin dem Religiösen in der Schule Raum gibt und dieses halte ich für eine sehr wichtige Angelegenheit, die auch unserer staatskirchlichen Tradition entspricht.

(Musikakzent)

Aktuell gibt es eine Diskussion darüber das Tragen einer Burka in der Öffentlichkeit. Die Burka ist die Ganzkörperverschleierung muslimischer Frauen. Sie wird in Afghanistan und teilweise in Pakistan und Indien getragen.

Während die afghanische Burka das Gesicht vollständig verdeckt, lässt die pakistanische Burka die Augen frei.

Aus den Suren 24:30 und 33:59 des Korans kann man allerdings keinen Zwang zur Vollverschleierung ableiten.

Dies zeigt die  Tatsache, dass viele muslimische Frauen, die sich als gute Musliminnnen explizit verstehen, keine Vollverschleierung praktizieren und auch nicht immer ein Kopftuch tragen.

Der Ägypter Qasim Amin machte sich schon Ende des 19. /Anfang des 20. Jh. für eine Abschaffung der Vollverschleierung stark.

Er sieht die Vollverschleierung als eine „Sitte“ an und nicht als Gott gegebene Vorschrift.

Er plädierte unbedingt für die Sichtbarkeit von Gesicht und Händen.

Es bleibt abzuwarten, ob es in Deutschland überhaupt zu einem  generellen Verbot der Vollverschleierung kommen wird.

(Musikakzent)

Es war sicherlich ein sehr langer und mühsamer Weg gewesen, die Religionsfreiheit zu erringen, aber es ist sicherlich auch ein beschwerlicher Weg die Religionsfreiheit weiterhin zu bewahren.

Und zwar so bewahren, dass allen Religionsgemeinschaften gleiche Rechte gewährt werden bzw. bereits vorhandene Recht auch weiterhin zu gewähren.

Religionsfreiheit ist keinesfalls immer so leicht zu akzeptieren, wie man eigentlich erwartet.

Auch ist vielen Menschen, auch in unserer Stadt, nicht bewusst, dass es die eingangs von mir erwähnte positive und negative Religionsfreiheit gibt.

Erinnern wir uns noch einmal an die Worte von Prof. Dr. Hermann Weber:

„..dass das Grundgesetz sowohl die positive als auch die negative Seite der Religionsfreiheit schützt, dass aber im normalen gesellschaftlichen Leben niemand seine negative Religionsfreiheit in Anspruch nehmen kann, um andere an der Entfaltung ihrer positiven Religionsfreiheit zu hindern: So ist es unstreitig, dass … niemand gegen seinen Willen an einer religiösen Betätigung (etwa der Beteiligung an einem Gottesdienst) gehindert oder aber zu einer solchen Betätigung (etwas der Beteiligung an einem Schulgebet) gezwungen werden darf. Ebenso unbestritten ist es aber auch, dass die negative Religionsfreiheit niemanden vor der Konfrontation mit der Religionsausübung anderer im gesellschaftlichen Leben schützt. Niemand kann von anderen unter Berufung auf seine negative Religionsfreiheit die Unterlassung ihn subjektiv beeinträchtigter religiöser Handlungen verlangen; niemanden schützt deshalb die negative Religionsfreiheit vor dem Geläut von Glocken (oder dem Ruf des Muezzin) – beiden setzen allenfalls die Lärmschutzvorschriften des staatlichen Immissionsschutzrechts Grenzen -, niemanden schützt sie weiter vor dem Anblick von Kirchen (oder Moscheen), von Gottesdienstbesuchern oder von Prozessionsteilnehmern, vor der Ausstrahlung von religiösen Sendungen im Fernsehen oder auch vor der Begegnung mit (traditionellen oder neuartigen) Wegekreuzen am Straßenrand.“

(Musikakzent)

Mit der Religionsfreiheit ist mehr verbunden, als nur Ihre und meine persönliche Gedanken- und Glaubensfreiheit.

(Freiburger Spielleyt – Gesang):

1. Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie ziehen vorbei,
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger sie schießen,
es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!

2. Ich denke was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren, es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei!

3. Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei!

4. Drum will ich auf immer
den Sorgen entsagen;
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Mann kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
die Gedanken sind frei!

(C) Ingeborg Lüdtke

Kommentar:

Am 5. Juli 2006 überreicht der Berliner Senat Vertretern des Präsidiums von Jehovas Zeugen in Deutschland, Richard Kelsey und Werner Rudtke, die offizielle Urkunde zur Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Inzwischen ist die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland als Körperschaft des öffentlichen Rechts in allen Bundesländern anerkannt.

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