Gutenberg-Bibel

In diesem Jahr (2018) jährt sich der Todestag von Johannes Gutenberg zum 550. Mal.

Mit Dr. Helmut Rohlfing, der lange Jahre an der Niedersächsischen Staats-u-Universitätsbibliothek Göttingen in der Abtl. Handschriften und Seltene Drucke tätig war, sprach (2003) ich über die Göttinger Gutenbergbibel. Meine erste Frage an ihn war:

Ingeborg Lüdtke:

Wann und wo wurde die Göttinger Gutenbergbibel gedruckt?

Dr. Helmut Rohlfing:

Wir wissen nicht genau, an welchem Datum sie gedruckt wurde, aber wir sind ziemlich sicher, dass sie um das Jahr 1455 in Mainz gedruckt worden ist, der Vaterstadt von Johannes Gutenberg.

Ingeborg Lüdtke:

Was ist das Besondere an dieser Gutenbergbibel?

Dr. Helmut Rohlfing:

Das Besondere an dieser Bibel ist, dass sie das erste große gedruckte Werk in der Geschichte des Frühdrucks ist. Das Besondere an diesem Exemplar ist die Tatsache, dass es auf Pergament gedruckt ist und dass Pergamentexemplare der Gutenbergbibel wesentlich seltener sind als die Papierexemplare.

Ingeborg Lüdtke:

Wie hoch war die Auflage der Gutenbergbibel?

Dr. Helmut Rohlfing:

Man weiß auch das nicht ganz genau; denn es haben sich keine Notizen von Johannes Gutenberg gefunden, auf denen die Auflage vermerkt wurde. Man rechnet heute damit, dass es eine Auflage von insgesamt 180 Exemplaren war und dass von diesen 180 Exemplaren wahrscheinlich 30 bis 40 auf Pergament gedruckt waren.

Ingeborg Lüdtke:

Wie viele Exemplare gibt es heute noch?

Dr. Helmut Rohlfing:

Es gibt insgesamt noch 49 vollständige und unvollständige Exemplare der Gutenbergbibel, und von diesen 49 Exemplaren sind 12

Pergamentexemplare erhalten, von denen nur vier im Text vollständig überliefert wurden. Bei diesen vier Bibeln fehlt kein einziges Blatt, und das auch bei der Göttinger Bibel ist der Fall. Sie ist also das einzige Exemplar in einer deutschen Bibliothek, das im Text vollständig ist.

Ingeborg Lüdtke:

Wie kam die Gutenbergbibel nach Göttingen?

Dr. Helmut Rohlfing:

Da ist eine etwas verworrene Geschichte. Die Bibel hat fast zwei Jahrhunderte zugebracht im Besitz der Universitätsbibliothek Helmstedt. Die Universität Helmstedt wurde von König Jerome, dem König von Westphalen, im Jahre 1809 aufgelöst, und der gesamte Bücherbestand aus Helmstedt ist nach Göttingen gekommen und wurde hier von den Bibliothekaren auch katalogisiert, das heißt in die Kataloge eingetragen. Nach Ende der französischen Besatzung 1815 mussten aber leider alle Helmstedter Bücher wieder abgegeben werden. Dabei ist dann die Gutenbergbibel nicht zurückgegeben worden. Das führt natürlich zu gewissen kritischen Bemerkungen von Seiten der Wolfenbütteler Kollegen, die den Großteil der alten Helmstedter Bibliothek übernommen haben.

Ingeborg Lüdtke:

Kann man sich die Bibel auch ansehen?

Dr. Helmut Rohlfing:

Die Bibel kann man tatsächlich anschauen; denn uns ist bewusst, dass ein großes Interesse in der Öffentlichkeit daran besteht. Wir haben sie im Jahr 2000 in einer großen

Blatt der Gutenbergbibel

Gutenberg-Ausstellung längere Zeit gezeigt und haben uns dann aber überlegt, dass wir doch versuchen wollen, mehrere Monate im Jahr den ersten oder den zweiten Band der Bibel hier in der Paulinerkirche im Schatzhaus zu präsentieren. (Das ist im Jahr 2002 auch geschehen.) Man kann aber darüber hinaus natürlich virtuell in der Bibel blättern, wenn man ins Internet geht. Die Göttinger Bibliothek war weltweit die erste, die die komplette Gutenbergbibel eingescannt und der Öffentlichkeit unentgeltlich im Internet zur Verfügung gestellt hat.

Ingeborg Lüdtke:

Wenn man heute die Gutenbergbibel kaufen wollte, was müsste man jetzt für diese Bibel bezahlen?

Dr. Helmut Rohlfing:

Das kann man nicht immer einfach beantworten. Der Wert eines Buches lässt sich nur beurteilen, wenn man als Anhaltspunkt Auktionen oder Verkäufe in der jüngeren Vergangenheit heranziehen kann. Es ist schon eine gewisse Zeit her, dass in den 1980er Jahren ein Papierexemplar einer Gutenbergbibel versteigert wurde, von diesem Exemplar aus kann man den heutigen Wert schätzen. Aber ich kann vielleicht einmal sagen, wie der Wert der Bibel zu Zeiten Gutenbergs geschätzt wurde. Man kann sagen, dass ein mehrstöckiges und relativ geräumiges Bürgerhaus in einer mittelalterlichen Stadt in Deutschland dem Gegenwert eines Pergamentexemplars entspricht. Wenn man sich also vielleicht in der heutigen Zeit eine große, gut ausgebaute Stadtvilla vorstellt, dann weiß man genau, dass das der Mindestwert ist, den dieses Stück heute erzielen würde.

Ingeborg Lüdtke:

Johannes Gutenberg hat zwar seine Spuren hinterlassen, aber über ihn weiß man recht wenig.

Dr. Helmut Rohlfing:

Druckerpresse

Auf jeden Fall ist es wohl als gesichert anzusehen, dass er aufgrund seiner Vorbildung und seiner Ausbildung (er hat ja das Goldschmiedehandwerk gelernt) in der Lage war, dieses Bündel von Erfindungen zu schaffen, das es ihm möglich gemacht hat, Bücher zu drucken. Dazu gehörte es nicht nur, die Druckerpresse zu bauen, sondern vor allen Dingen, ein kleines Instrument zu erfinden mit dem die Typen gegossen werden. Das ist eigentlich der Kern dieser Erfindung, das Handgießinstrument, mit dem die Typen hergestellt werden. Gutenberg musste im Grunde die Schriftzeichen, die in einem mittelalterlichen Manuskript zu sehen sind, reproduzieren. Er ist dann auf die Idee kommen, dass die Zeichen mechanisch so hergestellt werden konnten, dass er ein ganzes Reservoir an solchen Typen erzeugte, die er dann in immer neuen Zusammensetzungen zusammenfügen konnte, um unterschiedliche Texte zu drucken. Aber er hat ein sehr interessantes Leben geführt mit Höhen und Tiefen und allen Unsicherheiten, die es damals in der Zeit gegeben hat. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Auswirkungen der Erfindung des Buchdrucks gewaltig gewesen sind.

Ingeborg Lüdtke:

Aber das mit den beweglichen Lettern, das war ja schon…

Dr. Helmut Rohlfing:

Um die Erfindung gab es auch Legenden, und um Einzelheiten hat es auch Streit gegeben. Vieles lässt sich einfach nicht beweisen. Das ist im Grunde genommen auch letztlich nicht entscheidend. Natürlich hat man in China und in Korea auch schon vor Gutenberg mit beweglichen Typen gedruckt wird. Entscheidend ist jedoch, dass der Siegeszug dieser neuen Technologie stattgefunden hat, nicht in China, nicht in Korea, sondern in Europa. Und dass es nur zwanzig bis dreißig Jahre gedauert hat, bis sich diese Technologie über den gesamten europäischen Raum verbreitet hat. Und das ist es, was dem Buchdruck eine enorme kulturhistorische Bedeutung verliehen hat.


Ingeborg Lüdtke:

Wie konnte Johannes Gutenberg seine Erfindung finanzieren?

Dr. Helmut Rohlfing:

Um seine Erfindung machen zu können, hat er sich Geld leihen müssen von dem Mainzer Geschäftsmann Johannes Fust. Gutenberg konnte den Kredit nicht zurückzahlen, und dann hat es darum eine prozessuale Auseinandersetzung gegeben, die von dem Notar Helmasperger geschlichtet und entschieden worden ist. In einer Urkunde, die hier in Göttingen vorhanden ist, im sogenannten Helmaspergerschen Notariatsinstrument, wurde festgelegt, dass Gutenberg seine Druckerpressen und das Werkstattinventar an Fust und Peter Schöffer abgeben musste. Danach hat er sich eigentlich nur noch von kleineren Aufträgen ernähren können, deswegen ging es ihm dann in der Zeit anschließend eigentlich solange schlecht, bis er von seinem Landesherrn ein Stipendium, würde man heute sagen, bekommen hat. Aber interessant an der Geschichte ist, dass diese Übernahme der Gerätschaft durch Fust und Schöffer dazu geführt hat, dass diese eben dann das große Geschäft gemacht haben. Sie haben eine florierende Gemeinschaftsdruckerei gegründet, und sie waren auch die ersten, die in ihren Büchern das Druckdatum, ihre beiden Namen und sogar das Signet ihrer Druckerei, also das Impressum vermerkt haben. Es gibt keinen einzigen Druck von Johannes Gutenberg, in dem sein Name oder das Datum auftaucht. Dadurch dass Schöffer und Fust ihre Drucke kennzeichneten, ist dann in späteren Jahrhundertender Eindruck entstanden, dass Peter Schöffer der eigentliche Erfinder des Buchdruckes gewesen sei. Mehr als zwei Jahrhunderte danach tauchte in Göttingen das Helmaspergersche Notariatsinstrument wieder auf. Ein Göttinger Professor [Anm.: der Historiker Johann David Köhler] schenkte schon im 18. Jahrhundert [Anm: 1741] der Bibliothek diese Urkunde und edierte sie. Dadurch kam es dann zu einem Neubeginn der Erforschung des Frühdrucks und zu einer Rückbesinnung auf Gutenberg. Aus dem Grunde ist es so wichtig, dass natürlich die Gutenbergbibel und weitere Stücke aus der Zeit der Erfindung des Buchdrucks hier in Göttingen in einer Stelle vereint bleiben.

Ingeborg Lüdtke:

Die Gutenbergbibel kann man sich ja nun im Internet ansehen.

Dr. Helmut Rohlfing:

Die Tatsache, dass die Bibel digitalisiert worden ist und ins Internet gestellt worden ist, hat wesentlichen Anteil daran gehabt, dass sie ins Weltkulturerbe aufgenommen worden ist. Es gibt ein Unesco-Programm mit der Bezeichnung „Memory of the World“, in dem herausragende Dokumente der Menschheits- geschichte vorgestellt werden sollen. In dieses Programm ist eben die Göttinger Gutenbergbibel mit dem Musterbuch und dem Notariatsinstrument aufgenommen worden, und dabei hat eben auch eine Rolle gespielt, dass die Bibliothek sich bemüht hat, das Wissen um die Bibel doch auch einer größeren Menge von Menschen in aller Welt zur Verfügung zu stellen.

© Ingeborg Lüdtke

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Weiterführende Links:

http://www.gutenberg.de/bibel/exemplare_heute.php#SP-grouplist-1-1:3

http://www.gutenberg.de/zeit/index.php

http://www.gutenbergdigital.de/gudi/dframes/texte/frameset/indexnot.htm

http://www.chemie.de/lexikon/Johannes_Gutenberg.html

Johannes Gutenberg: Mann des Jahrtausends

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