Am 27. Januar 2025 fand um 19 Uhr in der Lutherkirche Bad Harzburg eine Gedenkfeier an die Opfer des Nationalsozialismus mit 120 Gästen statt. Eingeladen hatte die katholische Friedensbewegung pax Christi Basisgruppe Nordharz.

Wie jedes Jahr wurde wieder eine Opfergruppe in den Mittelpunkt gerückt. Diesmal wurde der Opfer der Bibelforscher, wie die Zeugen Jehovas damals genannt wurden, anhand des Bad Harzburger Bürgers Arno Stoy gedacht. Arno Stoy wurde als Zeuge Jehovas ab 1933 mehrfach verhaftet. Er verstarb 1940 im KZ Sachsenhausen.
Auf der Veranstaltung war Arno Stoys Enkel Winfried Köhler anwesend, der Briefe seines Großvaters zur Verfügung gestellt hatte. Auszüge aus den Briefen, Verhörprotokollen und Gerichtsurteil wurden von verschiedenen Personen vorgetragen und entsprechende Fotos gezeigt. Das Musikalische Begleitprogramm gestalteten Rainer Buhl, Berd Dallmann und Karsten Krüger. Eines der Lieder trug den Titel „Vorwärts Ihr Zeugen“. Es wurde von Erich Frost komponiert, der selbst auch in Sachsenhausen inhaftiert war.
Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Dass es uns noch einmal so hart trifft, haben wir wohl beide nicht gedacht“. (Zitat aus dem Brief vom 25.6.1938 aus dem Gefängnis in Hannover)
Einleitung
Wie Markus Weber (Pax Christi) ausführte, wurde der Fabrikat Arno Stoy „Ziel von Diskriminierung und Verfolgung, weil er einer religiösen Minderheit angehörte“. Jehovas Zeugen hätten neben Kommunisten und Sozialdemokraten zu den ersten Verfolgten gehört, da sie sich aufgrund ihres Glaubens „weigerten, sich der unmenschlichen Ideologie zu unterwerfen.“
Die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933, meistens Reichstagsbrandverordnung genannt, habe wesentliche Grundrechte der Verfassung außer Kraft gesetzt. Dies sei zur „Abwehr kommunistischerstaatsgefährdender Gewaltakte“ nötig. Doch schon bald sei diese Verordnung erweitert u.a. auf die SPD und die Zeugen Jehovas angewandt worden. Im Land Braunschweig seien die Zeugen Jehovas am 19.5.1933 verboten worden.
Wahlzwang
Am 12. November 1933 fand die Reichstagswahl und Abstimmung über den Austritt aus dem Völkerbund statt. Arno Stoy wird von der SA in Bad Harzburg gezwungen zur Wahl zu gehen. Da er sich weigert zu wählen, wird er von SA-Männern getreten und geschubst. Außerdem wird bei den im Wahllokal Anwesenden Stimmung gegen ihn gemacht. Jemand ruft: „Haut ihm doch in die Schnauze“. Aber außer der SA wird keiner ihm gegenüber handgreiflich. Anschließend wird er im Amtsgerichtsgefängnis von Bad Harzburg in einer Einzelzelle untergebracht. Seine Entlassung erfolgt am nächsten Tag.
In einem Brief vom 15.11.1933 an den Reichsminister des Innern beschwert sich Arno Stoy über dieses Vorgehen.
Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung von religiösen Schriften
Inzwischen gilt das Versammlungsverbot für Zeugen Jehovas. Arno Stoy wird vorgeworfen dagegen verstoßen zu haben.
In diesem Zusammenhang kommt es zu einer Hausdurchsuchung. Bücher (u.a. 2 Bibeln) von ihm werden beschlagnahmt.
Arno Stoy beschwert sich am 10. März 1934 bei der Oberstaatsanwaltschaft Braunschweig gegen diese Beschlagnahmung und fordert die Herausgabe der Bücher. Er bezieht sich dabei auf Artikel 135 der Verfassung des Dt. Reiches, die Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährt. Durch die Wegnahme der Bibeln sei er in der Ausübung der Glaubens- und Gewissensfreiheit behindert.
Seine Beschwerde hat teilweise Erfolg. Er erhält die Bibeln zurück, aber nicht die Literatur der Zeugen Jehovas, da diese als Propagandamaterial einer verbotenen Organisation eingestuft werden.
Verstoß gegen das Verbot der Zusammenkunft von Zeugen Jehovas
Arno Stoy und 22 anderen Personen wird am 02. Juni 1934 eine Anklageschrift wegen Verstoßes gegen „das Verbot jeglicher Zusammenkunft der Gesellschaft“ (gemeint sind die Zeugen Jehovas) zugestellt. Das Hauptverfahren findet vor dem Schöffengericht in Goslar am 13. August 1934 statt. Das Verfahren wird gegen Arno Stoy und die anderen Beteiligten wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Verhaftung und Verurteilung
Am 4. September 1936 wird Arno Stoy aufgrund des Verstoßes gegen das Versammlungsverbots der Zeugen Jehovas verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis nach Braunschweig gebracht.
Aus dem Vernehmungsprotokoll geht hervor, dass er aus Gewissensgründen den Deutschen Gruß „Heil Hitler“ ablehne, weil er nur Gott verehre. Im Falle der Landesverteidigung lehne er den Kriegsdienst ab.
Am 17. September 1936 legt er gegen seine Verhaftung Beschwerde ein. Er begründet dies damit, dass man lediglich ein Liederbuch gefunden hätte, dessen Liederinhalt nur Gott und Jesus Christus verherrlichen. Der Besitz des Liederbuches seit den zwanziger Jahren könne nicht als eine den Staat gefährdeten Tätigkeit gewertet werden.
Außerdem weist er auf seine Saisonhauptabsatzzeit im Herbst für die Herstellung und den Vertrieb von Gewächslüftungsfenstern hin. Durch seine Verhaftung sei die Existenz seiner Familie aufs Spiel gesetzt. Seine Gelübde Gott treu zu bleiben könne doch kein Staatsverbrechen sein, dass seine völlige Vernichtung rechtfertige. Er fragt: „Ist denn nicht ein aufrichtiger Mensch, der sich politisch fernhält, besser als eine Menge von Heuchlern, die aus Menschenfurcht äußerliche Gewohnheiten ausführen?“
Seine Beschwerde blieb erfolglos. Bis zur Verhandlung bleibt er in Haft.
Das Sondergericht Braunschweig verurteilt ihn, Theodor Holland und Albert Wolf am 7. Dezember 1936 zu einer viermonatigen, Auguste Beuse zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe.
In dem Urteil des Sondergerichts Braunschweig werden besonders die gemeinsamen Gespräche über die Bibel, ihren Glauben nach den „Auslegungen und Zielen der Internationalen Bibelforschervereinigung“ (Zeugen Jehovas) gerügt. Durch den Gedankenaustausch habe man „sich gegenseitig in ihrer Glaubensanschauung als Bibelforscher“ gestärkt und „gleichzeitig den Mitgliederzusammenschluss der verbotenen Gesellschaft zu einer organisierten Vereinigung“ gefördert.
Arno Stoy wird am 3. Januar 1937 aus der Haft entlassen. Für das Urteil und die Zeugengebühren werden ihm 296,58 RM in Rechnung gestellt. Da seine Firma zahlungsunfähig ist, bittet er darum in Raten zahlen zu dürfen.
Offener Brief der Zeugen Jehovas vom 20. Juni 1937
Zehntausende Exemplare des sogenannten Offenen Briefes der Zeugen Jehovas vom 20. Juni 1937 werden an einem Tag in ganz Deutschland verbreitet. Der Brief beschreibt die brutalen Verfolgungspraktiken der Nationalsozialisten, sowie die menschenverachtenden Zustände in den Gefängnissen, Zuchthäusern und Konzentrationslagern.
Nach der Verteilung des Offenen Briefes kommt es zu einer großen Verhaftungswelle.
Da auch Arno Stoy an der Verteilung des Offenen Briefes teilnimmt, wird er im November 1937 in Magdeburg erneut inhaftiert.
Aus der Haft schreibt er am 9. November 1937 einen Brief an seine Frau und erteilt ihr eine Vollmacht zur Auflösung seines Geschäfts.
Aus dem Protokoll der Beschuldigten-Vernehmung von Arno Stoy vom 23.11.1937 (Magdeburg) geht hervor, dass er 24 Exemplare des Offenes Briefes in Halberstadt verteilt hat und das letzte Exemplar seiner Familie übergab.
Arno Stoy schreibt am 2. Dezember 1937 einen Brief aus dem Gerichtsgefängnis Magdeburg an seine Frau und Kinder,dass er jetzt in Untersuchungshaft des Sondergerichts in Halle sitzt.

Verhaftung von Elfriede und Irene Stoy
Inzwischen ist die restliche Familie ins Visier der SA und Gestapo geraten. Seine Tochter Irene Stoy holt die SA am 4. Dezember ab und bringt sie ins Harzburger Amtsgerichts-Gefängnis. Ihr Sohn Winfried wird von einer Gemeinde-Schwester zu einer Familie in Harlingerode gebracht.
Auch Arno Stoys Frau Elfriede wird verhaftet und in Harzburger Amtsgerichts-Gefängnis gebracht. Dort trifft sie Ihre Tochter.
Da sich die Familie in einer wirtschaftlichen Notlage befindet, muss sie aus der bisherigen Wohnung ausziehen und eine neue Wohnung suchen.
Am 20. Dezember 1937 schreibt Arno Stoy an seinen Sohn Siegfried aus dem Gefängnis in Magdeburg, dass er inzwischen die Anklageschrift erhalten habe. Er schlägt vor, dass sie, wenn nötig, das Sofa und den Tisch vom Werkstattboden und das Rollschränkchen verkaufen sollen.
Er wäre zwar nicht mehr mit Bibelforschern in einer Zelle, aber er und seine zwei Zellengenossen würden sich gut vertragen.

In dem Brief aus Magdeburg am 10. Januar 1938 bedauert er zwar, dass seine Frau und seine Tochter ebenfalls verhaftet wurden, ist aber froh, dass sie in demselben Gefängnis untergebracht sind. Er habe bei seiner Taufe 1923 „nicht geglaubt, dass solch harte Prüfungen über uns kommen würden“. Er schreibt auch von „bitteren Zweifeln in seinem Kopf“, die ihm „viel Schmerzen bereiten“. Er hofft, dass Gott ihm die Kraft geben wird, „in Treue das menschliche Urteil hinzunehmen“.
Gerichtsurteil des Sondergerichts Halle am 14. Januar 1938
Das Sondergericht Halle tagt am 14. Januar 1938 in Magdeburg und verurteilt Arno Stoy zu einem Jahr und neun Monaten.
Einen Tag (15. Januar 1938) später schreibt er, dass er seine Familie sehr vermisst und doch noch auf eine zukünftige Stunde der Freude hofft. Mit Gottes Hilfe würde noch alles gut werden. Allerdings täte es weh, nur als „Gesindel und schwachsinnig angesehen“ zu werden. Auch bedauert er, dass es an der Entwicklung seines Enkelsohns keinen Anteil haben könne.
Am 5. März 1938 berichtet er von seinem Arbeitseinsatz als Bürstenmacher. Er müsse nun 10 Fußabtretermatten in Schachmuster pro Tag anfertigen und erhalte dafür 14 Pfennig. Bei der Vernehmung habe er erfahren, dass ca. 80 Glaubensgeschwister in Haft sind. Er übermittelt seinem Enkel zum ersten Geburtstag herzliche Segenswünsche und hofft ihn einmal zu sehen. Allerdings ahnt er schon, dass er nach Strafverbüßung noch weiter in ein Schulungslager geschickt werden könne. Er hoffe bald von seiner Familie Positives zu hören. Man solle ihm aber wahrheitsgemäß schreiben und nichts schönfärben.
Strafgefängnis Hoheneck
Zwischenzeitlich wurde Arno Stoy ins Strafgefängnis Hoheneck im Erzgebirge verlegt.
In seinem Brief vom 17. April 1938 teilt er mit, dass er sich nun in einem alten Schloss im Erzgebirge befinde und die Möglichkeit besucht zu werden, damit unmöglich sei. Er wiege 126 Pfund. Er sei nun Zuputzer in der Zuputzküche (u.a. Porrée schneiden) und damit das „jüngste Küchenmädchen.“ Seinen Aufenthaltsort könne man das „Schloss des Schweigens“ nennen.
Gefängnis Hannover
Den nächsten Brief schreibt er aus dem Gefängnis in Hannover, Zelle Nr. 259 am 22. Mai 1938:
Da er am 27. Mai 1938 als Zeuge geladen sei, könne er einen Zusatzbrief schreiben. Auf der Zugfahrt sei er über Halberstadt und Werningerode gekommen. Besonders schwer sei es gewesen, dass er in Bad Harzburg eine halbe Stunde Aufenthalt gehabt hätte, aber keine Möglichkeit bestand, seine Frau zu sehen. Dies sei sehr schmerzlich für ihn gewesen. Er deutet an, dass seine Frau krank sei. Er habe unterwegs auch viele andere Schicksale anderer Menschen erlebt.
Weiterhin sich im Gefängnis Hannover befindend schreibt er am 25. Juni 1938, dass seine Bitte in die Nähe seines Heimatortes verlegt zu werden, abgelernt worden sei. In diesem Brief fällt auch der Satz, der als Thema der Gedenkveranstaltung für Arno Stoy gewählt wurde: „Dass es uns einmal so hart trifft, hatten wir seiner Zeit wohl beide nicht gedacht“. Er bedauert, dass sie sich nun nicht mehr einander beistehen können. Er bringt weiterhin die Hoffnung zum Ausdruck, dass für die Familie auch wieder die Sonne scheinen wird.
In Hannover befände er sich allein in einer Zelle. Anfangs habe er keine Arbeit gehabt, aber inzwischen hätte er das Stuhlsitzflechten gelernt.
In Hoheneck seien 58 Personen im Schlafraum und beim Mittagessen 30 Personen, die auf Kommando schweigend Kartoffeln pellen und auch mit dem Essen anfangen. In Hannover könne man die Beamten noch ohne Repressalien mit „Guten Morgen“ begrüßen. In Hoheneck müsse der Gruß schweigend in militärischer Haltung ausgeübt werden.
Krankenhaus Strafgefängnis Hoheneck
Am 7. August 1938 schreibt er seiner Familie aus dem Krankenhaus des Strafgefängnisses Hoheneck. Er sei in den letzten 3 1/2 Wochen sehr krank gewesen, wie noch nie in seinem Leben. Außer schmerzenden Geschwüren am linken Oberschenkel und am linken Handgelenk, habe es sich in Gallenblasenleiden hinzugezogen. Das Fieber und die Schmerzen seien abgeklungen und er fühle sich schon besser. Er werde bald wieder zu den anderen Häftlingen kommen. Er wiege 56 kg.
Bitte um Bild seiner Familie
Am 4. September 1938 (Strafgefängnis Hoheneck, Post Stollberg im Erzgebirge) bittet er um ein Foto von seiner Familie, damit er sie wenigstens per Bild wieder einmal sehen könne. Er sei riesig gespannt, wie sein Enkel Winfried „herausgemacht“ [gewachsen sei] habe.
Entzug zum Führen eines Kraftfahrzeuges
Arno Stoy erhält am 19. September 1938 Post vom Braunschweigischen Finanzminister. Darin wird erklärt, dass seine Beschwerde vom 28. Juli 1938 gegen das Verbot zum Führen eines Kraftfahrzeuges verspätet eingetroffen sei. Die Beschwerde sei auch nicht sachlich begründet. Er sei zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, da er auf Reisen auswärtige Anhänger der Zeugen Jehovas besucht und dadurch den illegalen Aufbau dieser Vereinigung gefördert habe. Die Erlaubnis sei ihm zu Recht entzogen worden.
Aufforderung zur freiwilligen Beantragung der Firmenlöschung
Inzwischen ist das Familienfoto bei ihm eingetroffen und er bedankt sich am 9. Oktober 1938 dafür. Die Übersendung des Bildes habe ihm große Freude bereitet und wirklich gutgetan.
In seinem Brief vom 4. Dezember 1938 berichtet er, man habe ihn aufgefordert, die Löschung der Firma zu beantragen. Falls er dieses nicht täte, drohe ihm eine Geldstrafe. Er habe sich 14 Tage Bedenkzeit ausgebeten. Er verstehe nicht, warum er alle wirtschaftlichen Brücken durch „eigenen Antrag“ abbrechen solle, wenn er sich nach seiner Haft wieder in die Volksgemeinschaft eingliedern solle. Seine Machtlosigkeit sei ihm bewusst, aber durch „‚Selbstantrag‘“ wolle er sich doch nicht selbst vernichten.
Seine kriminellen Mithäftlinge würden von einer Weihnachtsamnestie sprechen. Er glaube nicht daran, weil doch aus Hitler Buch „Mein Kampf“ hervorgehe, dass dieser Amnestie für Schwäche hielte. „In Saarbrücken“ hätte Hitler erklärt, „dass er sich dem Begehren des Auslands um die Gefangenenfreilassung widersetzt, weil sich in seiner eigenen Haftzeit auch niemand um seine Befreiung bemüht“ hätte.
Am 15. Januar 1939 erklärt Arno Stoy, dass er nun die Firmenlöschung beantragen musste. Seine Frau könne aber weiterhin Aufträge ausführen, ohne dabei den Firmenstempel zu benutzen. Sie solle nur mit ihrem Namen unterschreiben.
Er könne mit einer Freilassung nicht hundertprozentig rechnen. Er sehe der „Zukunft aber nicht hoffnungslos entgegen“ und bitte sie, auch nicht den Mut sinken zu lassen.
Brief an seinen Sohn Siegfried
Sein Sohn Siegfried wurde zum Wehrdienst eingezogen. Arne Stoy schreibt am 29. Januar 1939 an ihn, dass er sich über ein Lebenszeichen von ihm freuen würde, auch wenn er selbst aufgrund der Schreibbeschränkung nicht so oft antworten könne.
Anscheinend macht er auf das Ansehen eines Soldaten im Vergleich zu einem Kriegsdienstverweigerer in diesem Satz aufmerksam: „Es liegt darin doch ein gewaltiger Unterschied, denn Du gehörst zu dem Stolz und der Freude der 80 Millionen und ich nur zu dem Auswurf der in einem der Müllkästen ist.“
Er hofft noch immer in sechs Monaten und sechs Tagen freizukommen.
Auflösung des Strafgefängnis Hoheneck
Am 16. Juli 1939 teilt er seiner Frau mit, dass das Strafgefängnis Hoheneck bis zum 1. August 1939 geräumt würde, da nun ein anderer Verwendungszweck vorgesehen sei. Da seine Haft am 6. August 1939 normalerweise ende, wisse er noch nicht, ob er mit den anderen Häftlingen zusammen Hoheneck verlassen werde. Er gäbe ihr Bescheid, falls er dann in ihre Nähe kommen würde, damit sie ihn besuchen könne. Er wisse noch nicht, ob er tatsächlich entlassen würde, da die Beurteilung der Gestapo noch ausstehe. Er habe sich „in der Strafzeit Mühe gegeben, keinen Anstoß durch sein Verhalten zu erregen“.
Polizeigefängnis Chemnitz
Aus dem Polizeigefängnis Chemnitz schreibt er 8. August 1939, dass er seiner Frau nun wieder eine bittere Enttäuschung bereiten musste. Seit Freitagnachmittag befände er sich in vorläufiger Verwahrung. Er sei zwar vernommen worden, habe aber noch keinen Schutzhaftbefehl erhalten.
Konzentrationslager Sachsenhausen, Oranienburg
Die Familie erhielt monatelang kein Lebenszeichen von ihm. Am 1. Oktober 1939 sendet Arno Stoy einen zehnzeiligen Zensur-Brief mit Poststempel vom 10. Oktober 1939.
Er teilt seiner Frau mit, dass er sich seit dem 17. August 1939 im KZ Sachsenhausen, Oranienburg bei Berlin befände. Er sei gesund und habe ihren Brief vom 23. August nachgeschickt bekommen.
Auf der Karte war der folgende Text gestempelt:
„Der Schutzhäftling ist nach wie vor hartnäckiger Bibelforscher und weigert sich, von der Irrlehre der Bibelforscher abzulassen. Aus diesem Grunde ist ihm lediglich die Erleichterung, den sonst zulässigen Briefwechsel zu pflegen, genommen worden.“
[Anmerkung zum KZ Sachsenhausen: Häftlinge wurden in der Regel misshandelt. Sie litten unter Hunger, Krankheiten und Mangelernährung. Es gab dort sich ständig wiederholende und auch unvorhersehbare Mordaktionen.]

Letzter Brief vom 4. Februar 1940 aus dem KZ Sachsenhausen
Arno Stoy schreibt am 4. Februar 1940 einen Brief an seine Frau und seine Kinder, in dem er sich für ihre Briefe vom November und Dezember 1939 bedankt, sowie für die Geldsendung am 13. Januar 1940. Er bittet darum, dass man ihm Briefmarken mitschicken solle, falls dies in „wirtschaftlicher Hinsicht eine Antwort“ erfordern sollte.
Möglicherweise ahnt er schon, dass er nicht mehr lange zu leben hat, denn er schreibt: „Bewahrt mir ein treues Gedenken…“
Sein Sohn Siegfried Stoy vermerkt auf diesen Brief, dass es das letzte Lebenszeichen seines Vaters sei. Der Brief sei am 16. Februar 1940 abgestempelt.
Am 14. Februar 1940 sei seine Mutter persönlich durch einen Gestapomann aus Bad Harzburg über den Tod ihres Mannes informiert worden. Als Todesdatum habe dieser am 13. Februar 1940 um 5 Uhr (lt. Sterbeurkunde 16:30 Uhr) angegeben. Der Gestapomann habe dies seiner Mutter auf ihre Bitte hin, schriftlich gegeben.
Der Text des Stapobeamten Lutze am 14.2.1940 betreffend Arno Stoy lautet:
„Verstorben am 13.2.40 um 5 Uhr an Körperschwäche im [KZ] Sachsenhausen. Die Leiche kann von den Angehörigen bis zum 15.2.40 im [KZ] Sachsenhausen besichtigt werden. Die Einäscherung erfolgt auf Staatskosten. Die Urne kann von den Angehörigen vom Krematorium in Fürstenberg (Mecklenburg) nach dem von den Angehörigen bestimmten Friedhof auf schriftliche Anforderung überführt werden.
In diesem Falle ist die Überführungsgebühr von 3,- RM und eine Bescheinigung der in Frage kommenden Friedhofsverwaltung, dass eine Stelle für die Urnenbeisetzung vorhanden ist, vorzulegen. Sonst wird die Urne von Amtswegen im Urnenhain des Krematoriums kostenlos beigesetzt.“
Bescheid der Entschädigungsstelle in Braunschweig
In einem Bescheid der Entschädigungsstelle in Braunschweig vom 24.3.1955 heißt es:
„Der Fabrikant Arno Stoy …, verstorben am 13.2.1940 im KZ Oranienburg/Sachsenhausen … ist aus Gründen des Glaubens verfolgt worden, hat Schaden an Freiheit erlitten und ist durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen getötet oder in den Tod getrieben worden.“
Gedenktafel Harzburg

Am Eingang des Bad Harzburger Friedhofs wurde am 29. Juni 1999 eine Tafel mit den Namen von 14 Opfern des NS-Regimes angebracht. Auch Arno Stoys Name befindet sich darunter.
(Bild: Karlo Vegelahn)
Beschluss des Bundestages für Errichtung eines Mahnmals für Zeugen Jehovas als NS-Verfolgte
Der Deutsche Bundestag hat die Errichtung eines Mahnmals für die Zeugen Jehova als Opfergruppe des Nationalsozialismus in Berlin beschlossen.
Alle Fraktionen billigten einen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Die Abstimmung beruht auf einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien.
Verabschiedung
Am Ende der Gedenkfeier bedankte sich die pax-Christi-Gruppe für das Kommen, die Hilfe und Gastfreundschaft der Luthergemeinde, die finanzielle Unterstützung der Bad-Harzburg-Stiftung, den Musikern und dem Enkel des verstorbenen Arno Stoy: Winfried Köhler.
Die Veranstaltung endete mit Musik.
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Mit freundlicher Genehmigung von: Markus Weber (Pax Christi Nordharz) und Winfried Köhler (Enkel von Arno Stoy)
Fotos: Markus Weber, Karlo Vegelahn und Pax Christi Nordharz
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