Film „ASOZIAL“ (Ein Kommentar)

Warum wird das Mobbingopfer zum Täter?

Was passiert, wenn er wieder auf die mobbenden Mitschüler trifft?

Was hat dies mit dem Jugend-KZ Moringen zu tun?

 

Das verbundene rechte Bein hochgelegt, die Krücke steht in der Nähe. Der vierzehnjährige Max sitzt in seinem Zimmer und schreibt einen Text über das Jugend-Konzentrationslager Moringen bei Göttingen. Es klopft an der Tür und seine Mutter lässt seine Klassenkameradin Louisa eintreten. Sie ist der heimliche Schwarm von Max. Sie sieht einen Hefter mit einem Referat über das Jugend-KZ Moringen und fragt, ob sie das als Hausaufgabe aufhatten. Er verneint und erwähnt, dass er das jemanden versprochen hätte. Sie hören gemeinsam Musik.

Der Film, der dramatisch begann, läuft eher vor sich hinplätschernd aus.

Ich würde gerne wissen, was passieren würde, wenn er wieder auf die Jugendlichen – seine Klassenkameraden – stößt, die ihn am Anfang des Filmes als „asozial“ beschimpft, geschubst und getreten haben.

Hat er sein Referat tatsächlich gehalten?

Haben die Jugendlichen ihn in Ruhe vortragen lassen? Konnte er ihnen den Bezug von damals zu heute klarmachen? Wie erklärt er ihnen den Begriff „asozial“ mit seinem jetzigen Wissen?

Max wird in seinem Referat sicherlich nicht erzählen, wie er selbst eine „asoziale“ Handlung ausführte und das Eigentum eines anderen schädigte. Vom Opfer wurde er zum Täter, vielleicht um die Anerkennung seiner Klassenkameraden zurückzugewinnen.

Er hat einem alten Mann, der ihn zu Beginn des Filmes vor seinen wütenden Angreifern rettet und diese auffordert Max in Ruhe zu lassen, nicht gedankt. Stattdessen beschattet er ihn und findet heraus, dass dieser in ärmlichen Verhältnissen in einer Gartenlaube wohnt.

Er holt von zuhause eine Spraydose mit roter Farbe und sprüht in Großbuchstaben „ASOZIAL“ auf die auf die Wand der Gartenlaube.

Sein Pech ist, dass der alte Mann ihn sieht, als er gerade fertig ist. Max rennt weg und tritt auf ein Brett mit Nagel, bleibt stecken, verletzt sich und kann nicht mehr weiterlaufen. Der alte Mann versorgt ihn. Er fragt, was er mit „asozial“ gemeint hätte und ob er der Meinung sei, dass er „asozial“ sei. Max hat inzwischen erkannt, dass er einen Fehler gemacht hat und druckst herum: „Nur so. Ich mach´s wieder weg.“ Der alte Mann fragt, ob ihm die Bedeutung des Wortes bekannt sei. Max macht ihm den Vorwurf ein Säufer zu sein. Der alte Man verneint dies, da er schon lange Zeit trocken ist.

Max ist neugierig geworden und fragt nach der Bedeutung von „asozial“. Er erfährt, dass jemand „asozial“ sei, wenn er die Regeln einer Gemeinschaft nicht verstehe, nicht akzeptiere oder aus irgendeinem Grund auch nicht einhalten könne.

Er muss sich die Frage gefallen lassen, ob er „asozial“ sei und warum seine Klassenkameraden nichts mit ihn zu tun haben wollen. Es stellt sich heraus, dass sie zu Unrecht meinen, er habe sie verpetzt und nicht wollen, dass er zur Clique dazu gehört. Er selbst würde gerne mit einigen, „die keine Arschlöcher“ sind, befreundet sein, besonders mit Louisa.

Der alte Mann macht ihm klar, dass die anderen entscheiden, ob er mitmachen kann oder nicht. Es läge nicht an ihm. Max verteidigt sich, er habe nichts falsch gemacht. Der alte Mann, weist ihn daraufhin, dass er auch nichts falsch gemacht habe und nun auf seiner Wand „asozial“ stände.

Nun zeigt er Max ein Foto von dem ehemaligen Gebäude des Jugend-KZ, dem heutigen Fachkrankenhaus für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Moringen des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen

Er erklärt kurz den Unterschied der heutigen Nutzung des Gebäudes und damals in der Zeit der Nationalsozialisten. Jugendliche wie Max, die mit „komischen“ Freunden abhingen, die etwas mit Drogen zutun hatten, wären sehr wahrscheinlich als „Asoziale“ in das Jugend-KZ eingeliefert worden.

„Asozial“ konnte für manche Jugendliche das Todesurteil sein.

Nach dem Tod seines Großvaters habe er erst erfahren, dass sein Großvater Wachmann in dem Jugend-KZ gewesen sei. Auch später war dieser noch der Meinung, dass alle diese Jugendlichen Kriminelle waren und vernichtet gehörten.

Max glaubt, dass der Großvater ein kranker Typ gewesen sein müsse. Er ist erstaunt, dass er nur ein ganz normaler Mann war, der sich einreden ließ, dass er etwas Besseres sei.

Der Gerechtigkeitssinn von Max verlangt nach Strafe oder Anzeige des Großvaters. Der alte Mann gibt zu bedenken, dass es zwar nicht mehr den Nationalsozialismus gab, aber dass die Menschen nicht plötzlich andere Menschen wurden. Die überlebenden Häftlinge seien immer noch mit dem Stigma „asozial“ behaftet gewesen. Sie seien froh gewesen, noch am Leben zu sein und wollten nicht, dass jemand erfährt, warum sie inhaftiert waren.

Max hat nun größere Schmerzen und der alte Mann bringt ihn ins Krankenhaus und informiert die Eltern. Er verspricht Max, ihn nicht zu verpetzen und bittet ihn ein Referat über das Jugend-KZ in Moringen zu schreiben.

Üblicherweise erinnert man sich an den Schluss eines Filmes zuerst.

Die hauptsächlichen Fragen, die mir durch den Kopf schießen sind:

Wie geht es weiter? Was passiert, wenn er wieder auf seine „Mobbing-Freunde“ trifft?

(Wenn man wie ich in der Schule über 2-3 Monate gemobbt wurde, ist dies eine berechtigte Frage. Man weiß nie, was am nächsten Tag passiert, welche Methoden diesmal angewandt werden.)

Warum wird der Jugendliche zum Täter? Er ist doch gerade selbst erst ein Mobbing-Opfer gewesen?

Der Film lässt sich aber nicht auf diese beiden Fragen reduzieren. Es lohnt sich auf alle Fälle ihn ein zweites Mal anzusehen:

https://www.youtube.com/watch?v=KAoAYSAW2EU

Als Darstellungsform wird das Feature gewählt. Dies bietet die Möglichkeit Zusatzinformationen zum Begriff „Asozial“ und zur wandelnden Geschichte des Moringer Werkhauses durch Interviews mit Expert:innen als Klammer um die eigentliche Handlung zu legen.

Allerdings hat mich diese Form der Darstellung auch von der Handlung abgelenkt und viele wertvolle Informationen der Interviewpartner gingen unter.

Beim Einsatz im Unterricht würde ich mir noch eine Zusatzbroschüre wünschen, die sich neben dem geschichtlichen Aspekt des Jugend-KZ auch mit Fragen im Umgang von Mobbern oder des Schutzes gegen Mobbing beschäftigen.

© Ingeborg Lüdtke

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(Film „ASOZIAL“ , der in Zusammenarbeit mit stille hunde theaterproduktionen (im Auftrag des Apex Kultur e.V.), der KZ-Gedenkstätte Moringen

und KnockWood Films GmbH Göttingen entstand.)

Interviewpartner sind Dr. Dirk Hesse (medizinischer Direktor des Maßregelvollzugszentrums), Christa Zieker (psychologische Mitarbeiterin der Einrichtung), Heike Müller-Otte (Bürgermeisterin der Stadt Moringen) und Dr. Dietmar Sedlaczek (und der Leiter der KZ-Gedenkstätte Moringen).

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