„Alle Jahre wieder …“

»Alle Jahre wieder, kommt das Christuskind auf die Erde nieder …«, schallt es aus der unteren Etage zu mir hoch, während ich am Schreibtisch arbeite.

Mir schießen einige Fragen durch den Kopf: Wenn Jesus Christus auf die Erde käme, würde es ihm gefallen, jedes Jahr aufs Neue als kleines hilfloses Kind gefeiert zu werden? Ich wäre sicherlich nicht erfreut, als erwachsener Mensch einmal jährlich wie ein Kleinkind behandelt zu werden. Irgendwie hätte ich das Gefühl, man nimmt mich nicht ernst.

Woher kommt eigentlich der Brauch, Weihnachten im Dezember zu feiern?

Ich beschließe in den Büchern, die mich umgeben und im Internet zu recherchieren.

Mit dem christlichen Weihnachtsfest verbindet man die Geburt von Jesus Christus. In der Bibel findet man aber kein Geburtsdatum von Jesus. In der Einheitsübersetzung heißt es in dem Bibelbuch Lukas Kapitel 2 Vers 6-8: »Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.«

Das Klima in Israel kann man ja nun schwerlich mit dem Wetter in Deutschland vergleichen. Welches Winterwetter herrscht denn in Bethlehem vor? Lagerten die Hirten mit ihren Schafherden tatsächlich nachts draußen auf dem Feld?
Henri Daniel-Rops erklärt in dem Buch »Er kam in sein Eigentum« (Stuttgart 1963, S. 226): „Die Herden … verbrachten den Winter in Schafställen, und diese Einzelheit genügt, um zu beweisen, daß unser vertrautes Weihnachtsdatum im Winter kaum richtig sein kann, denn das Evangelium sagt uns, daß die Hirten auf dem Felde waren.“
Bedenkt man, dass in Israel zwischen November und März der meiste Regen fällt, versteht man gut, dass die Hirten kein Bedürfnis verspürten, nachts draußen zu sein.

Wenn Jesus aber nicht im Dezember geboren wurde, wieso gedenkt die christliche Welt dann seiner Geburt am 25. Dezember? Der 25. Dezember war sowohl für die Germanen als auch die Römer ein besonderer Tag: Der Tag der Wintersonnenwende. Die Germanen feierten das Mittwinter- oder Julfest für den Lichtgott Mithra, während die Römer die Saturnalien zu Ehren ihres Gottes Saturn begingen. Zum Stichwort »Saturnalien« findet man im Brockhaus-Lexikon (1982) den Hinweis auf das »gegenseitige Beschenken mit Kerzen und kleinen Tonfiguren, öffentliche und private Gelage«.
Das Weihnachtsfest verdrängte dann diese beiden Feste. Im Evangelischen Kirchenlexikon (EKL) kann man unter »Weihnachten« lesen: »Um 330 bestimmte die römische Kirche den 25. Dezember als den Geburtstag Christi. Am Ende des 4.Jahrhunderts wurde diese römische Praxis überall übernommen«.

Es war aber noch ein langer Weg bis zum heutigen Weihnachtsfest mit seinen Bräuchen.
Mir fehlt einfach die Zeit zur weiteren Recherche über die Entstehung des Krippenspieles, der Weihnachtslieder und die Bedeutung des Weihnachtsbaumes.
Tatsache ist, dass sich Weihnachten immer mehr zum Familienfest entwickelt hat und bestimmte Wirtschaftszweige gerade in der Weihnachtszeit die größten Umsätze verzeichnen. Schon in den 70er Jahren wurde das Lied »Süßer die Glocken …« umgedichtet in »Süßer die Kassen nicht klingeln als in der Vorweihnachtszeit … «
Leider findet man zurzeit nur wenige Gesprächspartner, die sich über die Bedeutung der Geburt Christi unterhalten möchten.

(c) Copyright Ingeborg Lüdtke

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