Neuerscheinung: 70 Tage Gewalt Mord und Befreiung – Das Kriegsende

Anfang Februar erscheint im Wallstein Verlag Göttingen das Buch „70 Tage Gewalt Mord und Befreiung-Das Kriegsende 1945 in Niedersachsen“ herausgegeben im Auftrag der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten von Jens-Christian Wagner. Die Publikation beinhaltet die leicht überarbeiteten Beiträge eines Blogs, der anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsendes im vergangenen Frühjahr erarbeitet wurde (http://blog.befreiung1945.de/) und der durch einige neue „Tagesmeldungen“ ergänzt wurde.

Gedenkstein Bernhard Döllinger

Gedenkstein Bernhard Döllinger

Auf diesem Blog befindet sich auch der Text über die Ermordung des Bibelforschers Bernhard Döllinger.

http://blog.befreiung1945.de/ermordung-des-bibelforschers-bernhard-doellinger-bei-bad-grund/

 

 

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Urheberrechtstagung am 17.11.2015

Juridicum - Universität Göttingen

Juridicum – Universität Göttingen

Am 17. November 2015 fand in Göttingen

die 9. Urheberrechtstagung in der Paulinerkirche statt. Prof. Dr. Gerald Spindler und Prof. Dr. Andreas Wiebe von der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen hatten die Tagungsleitung inne.
Im Vorfeld war Professor Gerald Spindler bereit, dem StadtRadio Göttingen einige Fragen zu beantworten.(Zusammenfassung)

Warum ist eine Urheberechtstagung nötig und warum findet sie immer in Göttingen statt?

Die Urheberrechtstagung finde in Göttingen statt, weil hier das nötige Fachwissen von Experten bedingt durch das hiesige wissenschaftliche Verlagswesen und die Bereiche Bibliothek und Wissenschaft vorhanden sei. Die Urheberrechtstagung habe sich zu einem Treffpunkt von Verlagen, Bibliotheken und Wissenschaftsorganisationen entwickelt. Eine solche Tagung sei nötig, da sich das Urheberrecht seit zwei Jahrzehnten in einem tiefen Umbruch befinde.

Wozu gibt es das Urheberrecht?

Das Urheberrecht sei die Anreizwirkung für Autoren und Künstler Werke zu produzieren und ihnen für das, was sie schaffen einen gerechten Lohn zu geben.

Ist das Urheberrecht in Zeiten des Internets überhaupt noch zeitgemäß?

Dies sei eine sehr philosophische Frage, man könne sie nicht richtig beantworten. Einerseits gäbe es Personen, die das Urheberrecht für sinn- und nutzlos halten würden, aber andererseits würden Personen am liebsten das Internet abschaffen.
Es ginge darum eine richtige Balance zwischen den Interessen der Autoren, Künstler, Musiker und denen zu finden, die gern Zugang zu den Informationen haben möchten.

Was bedeutet das Urheberrecht im täglichen Leben?

Es bedeute unglaublich viel. Jeder, der ein Smartphone oder einen PC nutze, habe mit dem Urheberrecht zutun. Man dürfe nicht ohne weiteres irgendwelche Werke ohne die Einwilligung des Künstlers bzw. des Rechteinhabers herunterladen z.B. von YouTube und diese dann veröffentlichen, vervielfältigen und verändern. Das Urheberrecht sei dazu da, einen Interessenausgleich finden.

Auf Wikipedia findet man unter Bilder oft den Vermerk CC-BY und andere Kürzel.
Was heißt CC und welcher Auswirkungen hat es auf die Weiterverwendung?
Worauf muss man dabei achten?

CC sei die Abkürzung für die sogenannte Creative-Commons-Lizenz. Diese Lizenz sei in den USA entwickelt worden, um einen allgemeinen Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten aber auch die Rechte der Autoren und der Künstler gewahrt werden. Diese Kürzel gäben die Art der Lizenzen an. Durch sie könne man ersehen, ob eine kommerzielle Verwendung von Werken gestattet sei, auch ob eine Bearbeitung der Werke erlaubt wäre oder nicht. Die Benennung der Autoren oder Künstler sei unabdingbar. Durch die Angabe der CC-Kürzel solle schnell erkennbar sein, wie man Texte oder Bilder verwenden könne.

Im wissenschaftlichen Bereich werden Texte als Open Access Version veröffentlicht. Was bedeutet Open Access?

Open Access bedeute, dass man einen freien ungehinderten Zugang zu einer Information habe, beispielweise zu einem wissenschaftlichen Text und dafür nicht bezahlen müsse.

Was muss man bei einer Veröffentlichung als Open Access Version beachten?
Bevor man etwas unter Open Access stelle, müssten die Rechte für die jeweilige Lizenz geklärt werden. Wenn man etwas unter Open Access stellen wolle, müsse dies mit der vom Rechteinhaber erlaubten Lizenz verknüpft werden. Aber im Prinzip sei jede Creative-Commons-Lizenz eine Open Access-Lizenz. Man könne die CC-Lizenzen variieren und auch Bearbeitungen zulassen.

Gibt es CC-Lizenzen die mit Open Access nicht vereinbar sind?

Aus einem Inhalt (z.B. aus Wikipedia), der unter eine nichtkommerzielle Lizenz gestellt worden sei, also CC-NC, non-commercial, dürfe man nicht selbst ein Buch herstellen und es dann verkaufen. Diese Nutzung sei dann commercial-use. Die Auslegung was kommerziell oder nicht kommerziell sei, sei nicht immer so eindeutig definiert. Es gäbe aber auch Creative-Commons-Lizenzen, die eine kommerzielle Verwendung zulasse und dies könne jeder auch nutzen.

Ein heißdiskutiertes Thema unter Bloggern sind die Bildrechte auf Buchcovern. Darf man einfach davon ausgehen, dass man die Bilder auf Buchcovern auch automatisch auf der eigenen Webseite verwenden kann?

Es komme darauf an, ob dieses Bild oder Cover im Rahmen eines sogenannten Zitates verwendet würde. In einer Buchrezension könne man das entsprechende Cover abbilden. Dies sei ein Zitat. Es diene der Illustration für den Leser, dessen was man eigentlich bespreche. Natürlich müsse der Bezug zu dem entsprechenden Buch vorhanden sein. Das Cover illustriere das Buch und stelle den Zusammenhang dazu her.

Einige Bildagenturen sagen: „Okay, Sie dürfen dieses Bild auf dem Cover benutzen, wenn Sie das Cover 1:1 auf die Webseite stellen. Andere Juristen sagen, dass dadurch wieder eine neue Nutzung entsteht und dass man das Cover benutzen kann, wenn man es abfotografiert. Dann wäre man auf der sicheren Seite. Dann sagen wieder andere Juristen: „Das ist auch nicht korrekt.“

Es herrsche unglaublich viel Verunsicherung darüber und es würden viele Nebelkerzen von denen geworfen, die damit Geld verdienen wollen. Man müsse etwas in seiner eigenen Gedankenführung zitieren. Eine Rezension sei das beste Beispiel dafür. Das Cover mit dem Bild dürfe man dafür verwenden. Dabei könne man auch ein Bild kleiner oder größer machen.
Würde man aber keine Rezension schreiben, wäre das Cover mit dem Bild kein Zitat und man dürfe dies nicht veröffentlichen. Man müsse erst die entsprechenden Rechte einholen. Man könne nicht einfach auf seine Homepage irgendein Buchcover stellen, ohne es in irgendeine Weise in eine eigene Gedankenführung einzubetten.

Es ist in Mode gekommen, das Cover mit Bildern auf Webseiten für Rezensenten zum kostenlosen Download angeboten werden. Darf ich als Blogger dann einfach das Cover downloaden, weil der Verlag die Möglichkeit einräumt? Bei älteren Büchern wird der Verlag nie für die Abbildung auf dem Cover die Rechte für das Internet eingeholt haben.

Ersten: Wenn der Verlag wirklich alle Rechte habe und dies zum Download anbiete, könne der Rezensent zur Untermalung seiner eigenen Gedankenführung das Cover mit dem Bild verwenden.
Zweitens: Die Rechtsprechung ginge davon aus, dass eine konkludente Einwilligung desjenigen vorläge, der das Cover mit dem Bild ins Internet gestellt habe. Wenn derjenige, der es ins Internet stelle, nicht wolle, dass dieses von anderen benutzt würde, müsse ein entsprechender Vermerk angebracht werden. Ein solcher Vermerk könne lauten: „Sie sind nicht berechtigt, das Cover herunterzuladen.“
Dies heiße, dass jemand der etwas ins Internet stelle, auch automatisch einwillige, dass ein anderer diese Sachen herunterlade und auch wieder verwende und zitiere.

Der Blogger wäre dann eigentlich auf der sicheren Seite, aber der Verlag muss die Rechte einholen. Er muss auch sicher sein, dass er das da reinstellen darf.

Wenn ein Verlag oder jemand anders, es beträfe nicht nur die Verlage, irgendetwas ins Netz hineinstellen würde, müsse er auch die Rechte dafür haben. Wenn er diese nicht habe, dann dürfe er das nicht. Leider passiere es immer wieder, dass Verlage etwas verwenden, ohne den Autor oder Rechteinhaber gefragt zu haben. Dies sei rechtswidrig. Gerade bei älteren Werken sei dies ein großes Problem. Für einen bestimmten Übergangszeitraum greife der Paragraf 137L des Urhebergesetzes, aber dies sei eine relativ komplexe Norm und nicht innerhalb von zwei Minuten zu erklären. Es gäbe aber durchaus die Möglichkeit, dass Verlage auch automatisch für ältere Werke die Rechte bekommen könnten.

Welche Veränderungen sind im Urheberrecht geplant?

Es sei noch früh etwas darüber zu sagen, da die in Aussicht gestellte Reform seitens der europäischen Kommission jetzt auf Juni/Juli 2016 vertagt worden sei.

[Die Radiosendung wurde am 16. und 17. 11.2015 im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt.]

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(Prof. Dr. Gerald Spindler verstarb am 11.9´09.2023)

Weiterführende Links:

https://tom.vgwort.de/Documents/pdfs/paperforms/nu_meldeformular.pdf

http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/Merkblatt_unbekannte_Nutzungsarten.pdf

http://de.creativecommons.org/was-ist-cc/

https://www.open-access.net/informationen-zu-open-access/

http://irights-lab.de/assets/Uploads/Documents/Publications/zweitveroeffentlichungsrecht-20150425.pdf

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Buchmesse 2015

Nach einer erholsamen Nacht bin ich zuversichtlich, dass ich trotz Erkältung fit genug für die Buchmesse bin.

Leider klemme ich mir nachdem Frühstück durch eine Bewegung einen Nerv ein. Ich spüre einen einschießenden und stechenden Schmerz. Dieser wird mich den ganzen Tag begleiten und sich besonders bemerkbar machen, wenn ich vom Sitzen aufstehe.

Dieses Jahr verzichte ich darauf mir eine zusätzliche Tasche mit den Papieren umzuhängen, sondern trage alle wichtigen Dokumente dicht am Körper. Mir sitzt der Schock vom letzten Jahr noch in der Gliedern, als ich auf der Messe feststellte, dass mir sämtlich Papiere in der U-Bahn gestohlen worden waren inklusiv der Eintrittskartengutschrift.

Nachdem ich meine Kollegin, die beiden Praktikantinnen und den Auszubildenden in der Bahnhofshalle treffe, wird kurze Zeit später unser Zug angesagt. Seltsam, denn der Zug wäre so 5 Minuten vor der Zeit da. Am Abend werde ich feststellen, dass die Bahnhofsuhr nachgeht. Es hätte mich auch gewundert, wenn der Zug tatsächlich zu früh eingetroffen wäre.

Buchmesse 2015

Buchmesse 2015

Wir sitzen zwar alle in demselben Wagen, aber doch verteilt. Kurz bevor der Zug in Frankfurt hält, treffen wir uns wieder im Gang vor dem Ausstieg. Wir fahren mit der U-Bahn zur Messe. Obwohl die U-Bahn sehr voll ist, war dies eine gute Entscheidung. Später erfahre ich, dass nicht alle S-Bahnen fahren und auch einige U-Bahnen ausgefallen wären.

Am Messeeingang drängen sich die Massen und es dauert lange bis wir durch die Sicherheitskontrolle kommen. Normalerweise werden nur Stichproben bei der Taschenkontrolle vorgenommen, aber heute wird jede Tasche oder jeder Rucksack angesehen. Die Polizei ist in den Hallen auch sehr präsent wie lange nicht mehr.

Erstes Treffen mit Geschäftspartnerin

In Halle 3.1 trennen sich dann unsere Wege, da ich um 9.45 h meinen ersten Termin habe. Leider ist die Kollegin noch nicht an ihrem Stand und so schaue ich mich noch etwas in der Halle um. Beim zweiten Anlauf kommt sie gerade am Stand an. Leider hat sie um 10 h schon wieder einen anderen Termin und so sprechen wir nur kurz zusammen.

Treffen mit Bildagenturen

In Halle 4.1 habe ich dann mein nächstes Gespräch mit einer Bildagentur. Anscheinend sieht man unsere Firma als potentiellen Bildeinkäufer an, der noch mehr zum Kauf animiert werden soll. Die Vorschläge sind interessant, aber ob die Lektorate dafür zu begeistern sind, steht auf einem andern Blatt. Ich verspreche einmal in den Lektoraten nachzufragen, was sie davon halten.

Book Cover Clinic

Book Cover Clinic

Die Zeit bis zum nächsten Termin mit einer anderen Bildagentur nutze ich dazu, um mich zu erkundigen, wie ich später zu den anderen Treffpunkten gelangen kann. Die Orte sind nicht so einfach zu finden.

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Gutenberg Museum: Buchmesse 2015

Ich gehe vorbei an einer Book Cover Clinic, die eher nach einer Zahnarztpraxis aussieht. Auch das Gutenberg Museum Mainz ist mit einer Buchpresse vertreten. Ein Mitarbeiter erklärt den Buchdruck zur Zeit Gutenbergs.

Die zweite Bildagentur finde ich in Halle 4.1 nicht auf Anhieb. Dies liegt daran, dass das junge aufstrebende amerikanische Unternehmen einen Platz an einem Gemeinschaftstand hat. Auch ist die Standnummer nirgends ersichtlich. Ich bin etwas ratlos und krame die Handnummer hervor und rufe an. Wenig später steht ein junger Mann (ca. Ende 20)mit langen braunen Haaren vor mir. Die Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er sieht ein wenig aus wie der Geiger David Garrett, allerdings trägt er keinen Bart dafür aber ein Piercing am Mund. Die kleine Ecke am Gemeinschaftsstand erweist sich als ziemlich ungemütlich, laut und zugig. Wir beschließen uns eine andere Sitzgelegenheit in der Halle zu suchen. Wir sitzen nun nebeneinander auf einer weißen kastenförmigen Bank. Das Angebot klingt sehr interessant und ich lasse mir die Unterlagen nun zusenden.

Fragestunde zu Bildrechten für Mitglieder des Börsenvereins

In Halle 4.2 findet im Raum Brisanz die kostenlose Fragestunde für Mitglieder des Börsenvereins zum Thema Bildrechte statt. Leider ist der Raum noch abgeschlossen und die zwei Mitarbeiterinnen vom Börsenverein versuchen schon einmal die Mikrofonanlage zu testen. Eine davon kenne ich schon und wir unterhalten uns kurz. Nachdem die Referentin und der Referent eingetroffen sind, kommt auch endlich der Hausmeister mit der Schlüsselkarte. Die Mikrofonanlage wird doch nicht genutzt und wir werden aufgefordert, uns möglichst ganz nach vorne zu setzen. Es geht u.a. um Creative Commons Lizenzen. Die Nutzungsbedingungen solle man immer gründlich lesen, denn verstoße man gegen einen Punkt der Nutzungsbedingungen, gingen sämtliche Nutzungsrechte verloren. Wichtig sei es auch, immer die korrekte Quelle anzugeben, da man sonst eine Abmahnung erhalten könne.

Auch die Klage der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen gegen die Wikimedia Foundation wird angesprochen. Hierbei ginge es um das Gemälde von Cäsar Willich, das den Komponisten Richard Wagner zeige. Da der Maler bereits über 70 Jahre tot sei, seien die Urheberrechte des Malers erloschen. Das auf Wikimedia gezeigte Foto des Bildes werde dort als CC (Creative Commons) -Lizenz (gemeinfrei) gekennzeichnet und erwecke den Eindruck, dass das Foto auch gemeinfrei sei und von jedermann kostenlos genutzt werden könne. Das Museum mache aber Urheberrechte an dem Foto des Gemäldes durch den Hausfotografen geltend. Dieser Urheberschutz sei noch nicht abgelaufen. Der kommerziellen Nutzung des Fotos des Gemäldes ohne eine Nutzungsgebühr zu entrichten solle durch diese Klage Einhalt geboten werden.

Es gäbe Programme, mit denen Urheber nach Bildern suchen können. Einige Urheber verlangten eine Gebühr, wenn keine korrekte Quellenangabe angegeben werde.

Abmahnungen im Zusammenhang mit Bildrechten treten inzwischen öfter auf. Eine Kollegin berichtet, sie habe eine bereits einmal erschienene Bildbeschreibung mit Bildern übernommen und dafür eine Abmahnung in Höhe von 13.000,- € erhalten. Ein anderer Kollege wurde abgemahnt, weil er ein Bild von einer Person der Zeitgeschichte auf dem Buchcover verwendet hätte. Dieses Bild sei aber nur für den redaktionellen Teil (innen) bestimmt gewesen.

Das BGH-Urteil zu § 52 b UrhG und RightsLink

Mir bleibt nicht mehr viel Zeit bis zum nächsten Termin, aber ich schaue noch kurz in Halle 4.2 bei Branchen-Fachveranstaltung über „Das BGH-Urteil zu § 52 b UrhG (Urhebergesetz): Enteignung der Verlag?“ vorbei. Unter den Zuhörern entdecke ich ein mir bekanntes Gesicht. Es ist unser Auszubildender. Ich bleibe am Rand stehen und schau nach links und frage mich, ob ich die etwas abseitsstehende Dame ebenfalls kenne. In der Tat ich kenne sie noch aus meiner damaligen Tätigkeit im Bündnis „Gedenken an die Opfer des NS 27.1.“. Sie betreibt nebenbei auch einen kleinen Verlag. Sie kommt auf mich zu und wir unterhalten uns kurz. Wir müssen dann aber beide weiter.

In Halle 4.0 will ich mich mit der Kollegin von der Buchmesse treffen, die für den Bereich RightsLink (automatisierter Verkauf von Kleinlizenzen) zuständig ist. Wir haben uns im Business Club verabredet. Das klingt ziemlich hochtrabend, ist aber auch nur ein Raum mit vielen kleineren Tischen, wo man sich geschäftlich treffen und auch Getränke erhalten kann. Da meine Gesprächspartnerin zu spät kommt, erhalten wir nur noch einen Stehtisch. Meine Probleme sind schnell besprochen. Ich werde es nun noch einmal probieren und wenn es wieder nicht mit der Datenübergabe klappt, muss einmal die hausinterne IT-Abteilung die Einstellungen meines PCs ansehen.

Halle 3.1

So langsam mache ich mich auf zur U-Bahn und gehe wieder durch die Halle 3.1 und halte nur kurz bei unserem Verlag inne. Einer unserer Lektoren ist guter Zuversicht ein gutes Geschäft abgeschlossen zu haben. Ich berichte ihm kurz über das Gespräch mit der zweiten Bildagentur, dass er quasi vermittelt hat.

Nero Büste: Buchmesse 2015

Nero Büste: Buchmesse 2015

Bei dem Stand Podium Rheinland-Pfalz/Verlags-Karree e.V. höre ich kurz zu. Dr. Marcus Reuter, der Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier und der Journalist Andreas Pecht stellen das Ausstellungsprojekt „Nero- Kaiser, Künstler und Tyrann“ vor. Dr. Reuter erklärt gerade, dass Nero blond und blauäugig war und nicht dem von Peter Ustinov geprägtem Bild entspricht. Dies würde auch in die Ausstellung im nächsten Jahr einfließen.

Links in einem anderen Gang hört man verhaltenes Klatschen. „Helge Schneider war aber schon für 15 h angekündigt,“ denke ich. Als ich dann in der Nähe der Standes stehe, stelle ich fest, dass Gregor Gysi sein Buch „Ausstieg links?“ signiert und sich unterhält. Er wird durch einige Sicherheitsbeamte in Anzügen bewacht.

Die U-Bahn fährt pünktlich, aber die nächste fällt aus. Mein Zug fährt fast pünktlich ab. Kurze Zeit später bin ich eingeschlafen. In Göttingen treffen wir nur mit 7 Minuten Verspätung ein. Was ist das schon gegen die gerade angesagte Verspätung von 80 Minuten?

© Ingeborg Lüdtke

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Der Geburtstag – Ein Kommentar

„Kleines Wunder Mensch“

Der Geburtstag ist mit vielen Gefühlen verbunden. Gab es bei der Geburt keine Komplikationen, hat die Mutter die Geburtsschmerzen schnell vergessen. Ein freudiges Lächeln huscht über ihr Gesicht, das noch kurze Zeit vorher schmerzverzehrt war. Vater und Mutter bestaunen das „kleine Wunder Mensch“, das soeben das „Licht der Welt erblickt hat“.
Eigentlich gebührt der Mutter die Ehre an diesem Tag, da sie das Kind geboren hat. Doch in einem Jahr und in den Jahren danach stehen nur noch das Kind und später der erwachsene Sohn oder die Tochter im Mittelpunkt.

Kinder schlafen nicht vor Aufregung

Wieder ist der Geburtstag mit Gefühlen verknüpft. Die Kinder können vor Aufregung Nächte lang nicht schlafen. Sie sind neugierig auf die Geschenke. Die Ernüchterung erfolgt, wenn das heiß ersehnte Geschenk nicht dabei ist und stattdessen etwas anderes geschenkt wird. Meist sind die Erwachsenen aber so lieb und erfüllen die Wünsche der Kinder, wenn sie es sich leisten können.

Erwachsene grübeln Nächte lang

Manche Erwachsene können auch nächtelang nicht schlafen, weil sie sich fragen: „Habe ich auch niemanden vergessen einzuladen? Haben wir genügend Platz zum Feiern? Wie wird das Wetter? Können wir Grillen? Soll ich eine Tischordnung erstellen? Wie kann ich die verfeindeten Familienmitglieder weit genug auseinander setzen? Wie kann ich dieses Jahr verhindern, dass zu viel Alkohol getrunken wird, ohne knickrig zu wirken? Habe ich alles eingekauft?“ Wieviel Stress das „Geburtstagskind“ am Tag der Feier hat, hängt von der Anzahl der Helfer ab. Ständig die Gäste lächelnd zu begrüßen und Geschenke entgegen zu nehmen, kann auch sehr stressig sein. Bei der Vielfalt der oft unnützen oder lieblos ausgesuchten Geschenke kann das Lächeln schon einmal gefrieren. Aber die Freude über ein schönes von Herzen kommenden Geschenks ist riesig. Oft sind es die kleinen Dinge oder Gesten, die erfreuen, nicht die teuren Geschenke bei deren Anblick schon wieder daran gedacht wird, was man zum Ausgleich schenken muss.

Geburtstagsfeiern im Betrieb

Geburtstagsfeiern im Betrieb werden auch unterschiedlich gehandhabt. In einigen Firmen ist es üblich, dass derjenige, der Geburtstag hat, ein Frühstück oder ein Mittagessen ausgibt. Warum muss eigentlich das „Geburtstagkind“ etwas ausgeben? Es kann am wenigsten dafür, dass es an diesem Tag geboren wurde.
Nun sieht es sich aber genötigt einen Partyservice zu beauftragen oder die Brötchen selbst und günstigenfalls gemeinsam mit den Kollegen zu belegen. Als Gegenleistung gibt es ein Gemeinschaftsgeschenk, das man sich bei einem guten Betriebsklima vorher wünschen kann. Die Kollegen wissen, dass ein bestimmter Betrag bei der Sammlung erwartet wird. In einigen Betrieben wird der Betrag für ein Geschenk nicht festgelegt. Der Sammelumschlag scheint manchmal „Löcher zu haben“ oder wie erklärt es sich, dass 10 Kollegen nur knapp 10,- € gesammelt haben? Der oder die Kollegin, die das Geschenk besorgt, legt dann oft zähneknirschend noch eine größerer Summe drauf, damit das Geschenk nicht so dürftig aussieht.

Heuchelei

Immer wieder faszinierend ist es dabei zu zusehen, wie Kollegen beim Anblick eines gedeckten Geburtstagtisches unvermittelt ein „Lichtschalterlächeln“ aufsetzen und freudestrahlend zum Geburtstag gratulieren, sich umwenden und an der nächsten Ecke über die Person herziehen.
Ehrlicher wäre es, wenn man die innerbetrieblichen Geburtstagsfeiern und das Gratulieren einstellen würde. Dies käme dann auch denen entgegen, die aus Prinzip oder aus religiösen Gründen keinen Geburtstag feiern.

Nicht alle feiern Geburtstag

Nicht nur die Zeugen Jehovas feiern keinen Geburtstag. Auch einige Muslime lehnen die Geburtstagsfeier mit der Begründung ab, ihr Prophet Mohamed habe weder selbst Geburtstag gefeiert noch seine Gefährten aufgefordert dies zu tun. Ein saudischer Islamgelehrte ist aber der Meinung, dass das Feiern des Geburtstages nicht verboten sei.
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es bei den Katholiken üblich den Namenstag (meist Todestag eines Heiligen nach dem ein Kind benannt wurde) zu feiern. Inzwischen hat sich auch unter den Katholiken die Geburtstagsfeier durchgesetzt.
In der jüdischen Religion wurde ursprünglich kein Geburtstag gefeiert. In der Bibel werden nur zwei Geburtstagsfeiern erwähnt und zwar die des Pharao von Ägypten (18. Jahrhundert v. u. Z.) und die des Herodes Antipas (1. Jahrhundert u. Z.). Bei beiden Feiern gab es Hinrichtungen. So wurde im ersten Fall der Oberste der Bäcker Pharaos gehängt und im zweiten Fall Johannes der Täufer enthauptet (1. Mose 40:18-22; 41:13; Matthäus 14:6-11; Markus 6:21-28).
In der Bibel findet sich kein Hinweis darauf, dass Jesus Christus seinen Geburtstag gefeiert hätte.

Woher stammt der Brauch Geburtstag zu feiern?

Woher stammt dann der Brauch Geburtstag zu feiern?
Die Schwäbische Zeitung [Magazin „Zeit und Welt] vom 3./4. April 1981 erklärt, dass die Ursprünge der Bräuche im Bereich der Religion und Magie lägen. In alter Zeit seien Glückwünsche, Geschenke und die Feier mit den brennenden Kerzen dazu bestimmt, Dämonen vom Geburtstagskind fernzuhalten und die Sicherheit für das kommende Jahr zu gewährleisten. Außerdem habe das Christentum die Geburtstagsfeier bis ins vierte Jahrhundert als heidnisch abgelehnt.

Feiern mit Menschen, die uns lieben

Am schönsten und stressfreiesten sind harmonische Feiern oder Treffen ohne besondere Anlässe mit Verwandten und Freunden, die uns lieben. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob man ein großes, ein kleines oder gar kein Geschenk mitbringt. Das ungezwungene Zusammensein ist das Wichtigste

(C) Copyright Ingeborg Lüdtke

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Literaturhinweis:

Stafan Heidenreich: Geburtstag – Wie es kommt, dass wir uns selbst feiern; Hanser Verlag

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Ermordung von Bernhard Döllinger bei Bad-Grund

Gedenkstein Bernhard Döllinger

Gedenkstein Bernhard Döllinger

Auf dem Blog „Befreiung 1945.de“ erschien heute der folgende Beitrag von dem Historiker Günther Siedburger:

http://blog.befreiung1945.de/ermordung-des-bibelforschers-bernhard-doellinger-bei-bad-grund/

 

Weiteres Hintergrundmaterial finden Sie unter:

https://www.radio-uebrigens.de/?p=130

https://www.radio-uebrigens.de/?p=132

 

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KZ Neuengamme: Max Liebster, „Hoffnungsstrahl im Nazisturm“

Max u Simone Liebster

Max u. Simone Liebster

Seit dem 9. November 1973 soll das Gedenkmal auf dem Platz der Synagoge in Göttingen, Menschen zum Nachdenken an die Verfolgung der Juden im 3. Reich veranlassen. In meiner heutigen Sendung geht es um Max Liebster, der als jüdischer Mitbürger in Deutschland geboren wurde. Auch er hat die Reichspogromnacht am 9. November 1938 miterlebt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAWir schreiben den 26. Oktober 2003. Max Liebster stellt heute seine deutsche Übersetzung des Buches „Hoffnungsstrahl im Nazisturm“ in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme vor. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme liegt bei Hamburg. Ich möchte sie einladen, mich auf meiner Reise zur Gedenkstätte zu begleiten.

(Musikakzent)

Ich fahre mit dem Auto um 9 Uhr zum Göttinger Hauptbahnhof.

(Motorengeräusch)

Auf Gleis 9 steige ich in den ICE nach Hamburg ein.

„Bitte einsteigen. Türen schließen selbsttätig. Vorsicht bei der Abfahrt“.

(Geräusch der rollenden Räder des Zuges)

In Hamburg angekommen, fahre ich mit der S-Bahn nach Bergedorf, um mit dem Bus zur KZ-Gedenkstätte zu fahren.

(Geräusch des Treppensteigens)

In dem Haltestellenhäuschen sitzen zwei miteinander rangelnde blonde Mädchen. Die Mädchen sind ca. 11-12 Jahre alt. Die Mädchen verlassen nun das Häuschen und ich setze mich.

(Lärm fahrender Autos)

Während ich meine Gedanken nachhänge, höre ich die Mädchen rufen: „Blödmann, Doofmann.“ Ich fühle mich nicht angesprochen. Meine Gedanken gehen zur Filmpremiere von Hermi Schmidtdem Film Das Mädchen mit dem lila Winkel. Der Film handelt von Hermine Schmidt und wurde von Fritz Poppenberg gedreht. Hermine Schmidt erzählt: „Und dann kam schon die SS und dann wurde es hart, dann wurde es sehr schlimm, weil kein Schimpfwort war ihnen zu unflätig, zu gemein, um es nicht über mich ergehen zu lassen. Sie beschimpften mich fürchterlich. Und sagten sie: ‚Das stimmt doch, das bist Du doch alles?’“

Während ich noch so nachdenke, werden die Beschimpfungen der Mädchen beleidigender. Sie rufen unter anderem: „Hure, ficken.“ Und sie meinen tatsächlich mich. Die Kleine kommt nun an und spuckt sogar zweimal vor mir aus. Ich überlege, ob ich die beiden weiterhin ignorieren soll. Doch dann kommt Leben in mich. Ich denke: „ Das muss ich mir nun wirklich nicht von diesen Gören gefallen lassen. Ich muss nicht das Opfer ihrer Langeweile sein. Nicht in diesem Staat.

Ich stehe auf und gehe zu ihnen und motze sie an: „Ihr findest Euch wohl obercool?“ Die Größere sagt: „Das war ich nicht.“ Ich motze die Kleine an: „Hast Dir schon einmal Gedanken gemacht, warum Du das machst?“

Schweigen.

Ich setze mich wieder. Die Kleine äfft mich nun nach: Ihr findet Euch wohl obercool? Hast Du Dir schon mal Gedanken gemacht, warum Du das machst?“

Haupteingang KZ NeuengammeIch reagiere nicht. Die beiden kommen zu mir in das Häuschen und fragen, ob ich eine Freundin besuchen möchte. Ich frage sie, ob sie schon einmal in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme waren. Die Große weiß wovon ich rede. Die Kleine denkt da eher an das Gefängnis, dass es bis vor kurzem dort gegeben hat. Sie sagen noch etwas, aber ich reagiere nicht mehr und hoffe, dass bald ihr Bus kommt.

(Motorengeräusch)

Endlich kommt ihr Bus und sie steigen ein. Sie setzen sich nach hinten und winken mir noch wie wild. Ich schau einfach weg. Endlich fährt der Bus ab. Auch mein Bus kommt.

Während ich im Bus sitze, frage ich mich, was passiert wäre, wenn es jetzt junge Männer mit Springerstiefeln gewesen wären. Oder was wäre passiert, wenn ich mich noch im 3. Reich befunden hätte? Wie hätte ich mich wohl gefühlt, wenn ich Jude wäre und plötzlich ohne Vorwarnung attackiert worden wäre? Vielleicht sogar attackiert von Menschen, die früher meine Freunde oder Nachbaren waren. Ich hoffe darauf während der Veranstaltung eine Antwort zu bekommen.

In der Gedenkstätte angekommen, führe ich als erstes das geplante Interview mit dem Gedenkstättenleiter Dr. Detlef Garbe.

Ingeborg Lüdtke:

Herr Dr. Garbe, von wann bis wann bestand das KZ Neuengamme und welche Häftlingsgruppen gab es?

Dr. Detlef Garbe:

Dr. Detlef GarbeDas Konzentrationslager Neuengamme ist im Dezember 1938 als Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen in der Nähe Hamburgs, in den Hamburger Landgebieten eingerichtet worden. Im Januar 1940 kam der Reichführer der SS Heinrich Himmler hier her und beschloss bei dieser Besichtigung, dass Neuengamme zu einem großen, zentralen Konzentrationslager für den norddeutschen Raum erweitert werden sollte. Es wurde dann im Laufe des Frühjahrs 1940 selbstständiges KZ-Hauptlager und bestand bis zur Auflösung im Mai 1945.

Über 100.000 Menschen waren hier inhaftiert. Es waren Menschen, die in das Lager kamen, weil sie in den von der Deutschen Wehrmacht besetzten Ländern Widerstand geleistet hatten. Sie hatten sich gegen die ihnen auferlegte Zwangsarbeit gewehrt. In das Lager kamen auch Menschen, die aus politischen, rassistischen und religiösen Gründen verfolgt worden waren. Unter den über 100.000 Häftlingen befanden sich zu über 90% Menschen aus dem Ausland. Sie kamen vor allem aus der damaligen Sowjetunion, aus Polen, aus Frankreich und dann auf Grund der Lage Neuengammes im Norden Deutschlands, auch aus Belgien, Niederlande und Dänemark.

Ingeborg Lüdtke:

Was war nun das Besondere an dem KZ Neuengamme?

Dr. Detlef Garbe:

KZ Gedenkstätte Neuengamme BearackenmarkierungDer Zweck des Konzentrationslagers Neuengamme war die Ausnutzung der Arbeitskraft der Häftlinge und zwar unter Bedingungen, die keinerlei Rücksicht auf das Leben nahm. Das heißt, die Menschen wurden sehr schlecht versorgt, ernährt und untergebracht. Aber gleichzeitig wurden sie zu mehr als 12 Std. täglich zu sehr schwerer Arbeit eingesetzt. Sie arbeiteten vor allem im Abbau von Ton und in der Produktion von Klinkersteinen. Das war anfangs der Hauptzweck des Konzentrationslagers Neuengamme. Ab Mitte des Krieges kam die Rüstungsproduktion hinzu. Zunächst arbeiteten sie in Fabriken, die auf dem Gelände des KZ selbst entstanden. Die Häftlinge waren vor allem aber für die Waffenfirma Walther tätig. Später mussten sie aber auch im Bereich der U-Boot-Teile-Fertigung arbeiten und auch Zünder für Flakgranaten herstellen.

Ab 1942 entstanden eine Vielzahl von Außenlagern in den industriellen Ballungsgebieten Norddeutschlands, wie in Hamburg, Bremen, Braunschweig, Salzgitter. In den Außenlager sind die Häftlinge vor allem bei Firmen und auf Werften zu Zwangsarbeiten in der Rüstungsproduktion eingesetzt worden. Insgesamt zählten zum KZ Neuengamme 86 Außenlager.

Ingeborg Lüdtke:

Warum ist das KZ Neuengamme weniger bekannt als zum Beispiel das KZ Bergen-Belsen und wie ging es nach 1945 weiter?

Dr. Detlef Garbe:

Das Konzentrationslager Neuengamme ist, obwohl es mit über 100.000 Häftlingen und über 80 Außenlagern eines der großen Konzentrationslager auf deutschen Boden ist, weniger bekannt als Buchenwald, Dachau und Bergen-Belsen.

Der Grund dafür ist, dass hier am 5.Mai 1945, als britische Truppen das Lager betraten, das Lager vollständig geräumt war. Von Neuengamme gibt es also nicht die Aufnahmen von zu Skeletten abgemagerten Menschen und Leichenbergen, die es von Buchenwald, Bergen-Belsen oder Dachau bei der Befreiung gibt. Und diese Aufnahmen haben sehr stark das Bild und die Bekanntheit der jeweiligen Lager geprägt. Denn von Neuengamme waren die letzten 30.000 Häftlinge vor allen in die Sterbelager Bergen-Belsen, Sandbostel und Wöbbelin transportiert worden. Die letzten über 10.000 Häftlinge des Stammlagers kamen auf Schiffe, die als schwimmende Konzentrationslager genutzt worden. Das bekannteste Schiff ist die „Cap Arcona“, die dann tragischerweise am 3. Mai 1945 durch britische Jagdbomber versenkt worden ist, weil sie dieses Schiff für einen Truppentransporter hielten. Das Lager Neuengamme konnte, da es die Verbrechen verbarg, die sich an diesem Ort zugetragen hatten, ungeachtet moralischer Bedenken sehr bald weitergenutzt werden. Zunächst brachten die britischen Besatzungsbehörden hier Kriegsgefangene und dann Internierte unter, also vor allem Funktionsträger der Nazi-Partei und anderer Nazi-Organisationen. Ab September 1948 befand sich auf dem Gelände, nach Rückgabe an die Stadt Hamburg, ein Gefängnis. Dieses Gefängnis bestand fast 55 Jahre und erst im Juni des Jahres 2003 wurde der Gefängnisbetrieb eingestellt und die zahlreichen noch erhaltenen KZ-Gebäude an die Gedenkstätte übergeben.

(Musik)

(Viele Menschenstimme) Inzwischen hat sich der Saal, in dem die Veranstaltung stattfinden soll gefüllt. Dr. Detlef Garbe beginnt mit den einführenden Worten:

„Ich freue mich sehr, dass Ehepaare Simone und Max Liebster hier begrüßen zu dürfen. Max und Simone LiebsterNicht nur weil es für uns immer eine Freude ist, wenn ehemalige Häftlinge, die den Schrecken von Neuengamme am eigenen Leib erfahren mussten, zu uns kommen, um von dieser Zeit zu berichten, sondern in diesem Fall ist die Freude noch aus zwei weiteren Gründen sehr groß. Ich habe es selber nicht gewusst, sondern eben zum ersten Mal erfahren, dass Herr Liebster, der in vielen Lagern gewesen ist – und das wird gleich noch Gegenstand seines Berichtes sein – davon hier ein Jahr in Neuengamme war. Er kommt jetzt nach 61 Jahren das erste Mal wieder zurück an diesen Ort. Der andere Grund der Freude ist, dass diese Veranstaltung nicht nur ein Zeitzeugengespräch ist, wie das die KZ-Gedenkstätte Neuengamme das regelmäßig einmal im Monat durchführt, sondern die Veranstaltung ist verknüpft mit einer Buchvorstellung.“

Uwe Klages von der Arnold-Liebster-Stiftung erklärt kurz, dass die Arnold-Liebster-Stiftung von Max und Simone Liebster gegründet wurde. Die Stiftung soll zur weiteren Aufklärung über den Holocaust beitragen. Uwe Klages bittet uns die Stiftung zu unterstützen und ein Buch zu kaufen. Er wird nun etwas aus dem Buch (Seite 40, 3. Kapitel) vorlesen:

„Laures Familie empfing mich herzlich. Plötzlich polterte es heftig an Ecksteins Eingangstür. Ein gellender Aufruf ‚Aufmachen! Polizei!‘ ließ Laures Vater aufspringen und zur Tür hasten. Das Entsetzen in Laures samtenen braunen Augen spiegelte meine ganze Bestürzung wider. Augenblicklich wurde mir klar, wie töricht es von mir gewesen war, hierher zu kommen.

Die Beamten bauten sich am Eingang auf und hielten einen von der Viernheimer Polizei ausgestellten Haftbefehl für Max Liebster in den Händen. Ich erstarrte. ‚Sie sind verhaftet! Sie wissen genau, was Ihnen jetzt blüht. Marsch!‘

Im Gefängnis öffnete der Wärter eine Zelle, stieß mich hinein und knallte die schwere Tür hinter mir zu. Der Schock, ohne jegliche Anhörung eingesperrt worden zu sein, machte mich ganz benommen vor Empörung. Ich war doch ein deutscher Bürger. Ich war fest davon überzeugt, dass irgendwann ein Beamter oder vielleicht ein Anwalt erscheinen würde. Dann würde ich alles erklären können: ‚Ich bin unschuldig! Ich ein ehrlicher und arbeitsamer Mensch. Ich bin kein Kapitalist – ich komme von einer armen jüdischen Familie‘. Ständig probte ich im Geist meine Verteidigung: ‚Befragen Sie doch die Kundschaft in Viernheim –man wird Ihnen sagen können, wer ich bin. Mein Vater hat in der deutschen Armee gedient. Ich bin Deutscher. Ich habe doch Rechte‘.“

(Musikakzent)

Dr. Detlef Garbe:

Nachdem wir mit dieser kurzen eindrucksvollen Passage schon direkt ins Thema gestoßen sind, gleich meine erste Frage an Sie Herr Liebster. Viernheim, ein kleiner Ort im Odenwald. Können Sie uns erzählen, wie Sie als Kind empfunden haben, als Sie mit dem aufsteigenden braunen Terror in Kontakt kamen?

War man sich in Ihrem Elternhaus bewusst, was es bedeutete als die Nazi-Horden begonnen haben durch Deutschlands Straßen zu marschieren?

Max Liebster:

Ja, ich bin ja in Reichenbach bei Bensheim geboren, eine Stadt von 2000 Einwohnern. Und all meine Jugendzeit kann ich mich gar nicht beklagen. Ich war der einzige Jude in der Schulklasse und [da war noch] ein katholischer Junge. Alle anderen waren Protestanten. Wir hatten gar keine Schwierigkeiten. In der Stadt waren ungefähr 15 jüdische Familien. Und wir haben nie geglaubt, dass Hitler und das Nazi-System solche Früchte bringen und sechs Millionen Juden umbringen würden, und solch einen Hass in den Herzen und Gedanken der Menschen säen würden. Wo die Menschen nicht wussten, wo sie hingehen unter der Führung von Hitler. Wir hatten keine Schwierigkeiten in der Ortschaft. Mein Vater war Schuhmacher. Er hat viele Male die Schuhe für arme Leute gemacht, die sie später bezahlt haben. [Wenn unsere Familie] nicht genug Geld [hatte, war unser] Nachbar Heldmann, der ein Lebensmittelgeschäft hatte, [so nett und] hat uns immer angeschrieben. Wenn wir wieder Geld hatten, haben wir [die Schulden] bezahlt. In der ganzen Gemeinde waren keine reichen Leute. Meine Mutter war eine geborene Oppenheimer. Mein Großvater hat den Gesangverein in Reichenbach geführt und den Chor geleitet. Er war Schoche. Und wie ich die acht Jahre Schule hinter mir hatte, wurde ich zu [den] Oppenheimers, zu Verwandten nach Viernheim gebracht. Und in Viernheim war ich 10 Jahre im Geschäft von 1929 bis 1939 bis der Krieg ausgebrochen ist. Einen ‚großen Schlag‘ hat es mir in der Kristallnacht im November 1938 gegeben. Es sind alle Synagogen verbrannt wurden und viele [Juden] wurden ins Konzentrationslager gebracht … und weil es so gefährlich war, bin ich nach Pforzheim zu Freunden gegangen. Ich habe gedacht, dass mich dort niemand kennt und ich nicht verhaftet würde. Wie die Einführung im Buch es zeigt, hat die Viernheimer Polizei ganz genau gewusst, wo ich bin und sie hat dort den Antrag gestellt, damit man mich dort verhaftet. So wurde ich von der Gestapo ohne Verhandlung, ohne Gerichtsverhandlung ins Stadtgefängnis gebracht, nur weil ich als Jude geboren wurde.

(Musikakzent)

Und nach vier Monaten hat mich die SS nach Karlsruhe in einem Gefangenenzug gebracht. Und im Gefangenenzug waren auf beiden Seiten Zellen für zwei Personen. Der SS-Wärter hat die Zelle aufgeschlossen und mir einen Fußtritt gegeben: „ Du stinkender, dreckiger Jude. Du wirst niemals mehr lebendig von Sachsenhausen zurückkommen“. Das war im Januar 1940. Das ist jetzt 63 Jahre her und ich bin immer noch am Leben. Ich freue mich, dass ich heute Nachmittag hier sein darf und darüber zu erzählen. Sie können das hier sehen. Das sind Tatsachen, dass die Menschen schlimmer werden wie die Tiere, wenn keine geistige Führung ist, keine Erkenntnis. Die Ideologie von einem Mann kann Millionen Menschen mitreißen, um so etwas zu tun, worüber wir heute alle erstaunt sind.

(Musik Esther Bejarano „Mir lejbn ejbig“= Wir leben trotzdem)

Max Liebster erzählt über seine Erlebnisse im KZ Sachsenhausen:

KZ Sachsenhausen Neustrjelitz Neuruppin Juli 2010 061In Sachsenhausen waren Strohsäcke auf dem Boden und für vier Leute gab es einen Strohsack. Ein Kopf da, ein Kopf da. Manche Leute sind gestorben … Jeden Morgen war hier auf der einen Seite ein Haufen Toter und auf der anderen Seite die Lebenden. Der Appell war sehr schlimm gewesen. Wenn einer gefehlt hat, mussten wir draußen [in der Kälte] stehen. Die Hände und Füße sind uns erfroren. Den Leuten sind die Ohren und Nasen abgefallen und es gab keine Pflege [Anmerkung: medizinische Versorgung]. Ich habe meinen eigenen Urin benutzt, um meine Wunde zu heilen, um den Eiter weg zu waschen, den eigenen Urin. Keine Pflege, kein Verband, nichts für Juden. Wir haben Strafsport machen müssen in den Sitzpositionen und Hände auf dem Rücken. Die haben die Leute gequält, gequält bei … schlechtem Wetter bis sie nicht mehr hüpfen konnten. Sie mussten dann rollen. Wenn sie nicht mehr rollen konnten, hat der SS(-Mann) den Stiefel ins Gesicht gestoßen … Sie wollten so viel wie möglich umbringen. Mein eigener Vater ist vor meinen Augen bei der Kälte in Sachsenhausen gestorben. Der Barackenälteste hat gesagt: „Du kannst ihm einen Dienst leisten und ihn ins Krematorium bringen“. So habe ich meinen eigenen Vater über die Schulter gelegt und ihn an den Beinen gehalten und zum Krematorium gebracht. Dort haben viele Tote gelegen. Sie haben nicht genügend Krematorien gehabt. Diejenigen, die in Sachsenhausen waren, haben gesagt, dass die Fabriken nicht genügend Krematorien fabrizieren konnten, um alle Toten zu verbrennen.

(Musik)

Dr. Detlef Garbe:

Sie haben erwähnt, dass der Schutzhaftführer als Sie nach Sachsenhausen in einer kleinen Gruppe mit 30 jüdischer Häftlinge ankamen, gesagt hat: „Die stecken wir zu den Zeugen Jehovas. Die glauben ohnehin an den gleichen Gott.“ Es ist bekannt, dass die Zeugen Jehovas einen engen Gruppenzusammenhang pflegten. Sie waren als jüdische Häftlinge erstmal Fremde, die man nicht kannte, die nach Auffassung der SS zwar an den gleichen Gott glauben, aber trotzdem waren da ja Unterschiede. Wie ist man Ihnen begegnet? Gab es Vorbehalte? Wie näherte man sich überhaupt an? Wie lernten Sie die Zeugen Jehovas kennen?

Max Liebster:

Die Zeugen Jehovas haben uns in den Baracken wie eigene Brüder empfangen. Sie haben kein Hass gezeigt. Sie haben [uns nicht wie die SS mit „Stinkjude“[ beschimpft]. Sie haben uns nicht gehasst, weil wir Juden sind. Sie haben die Juden wertgeschätzt, weil sie die Verheißungen bekommen haben.

Max Liebster berichtet weiter über das KZ Neuengamme:

Und hier im KZ Neuengamme habe ich die schlimmste Arbeit gehabt. Schubkarren schieben [beim Kaimauerkanalbau] … Wenn einer zu schwach war, konnte er die schwere Schubkarre nicht halten und ist umgefallen. Die SS hat ihn mit dem Kopf in den Schlamm gestoßen, sodass er erstickt ist. [Wir haben acht Stunden gearbeitet und erhielten] mittags nur eine Steckrübensuppe. Und damit sollten wir so schwer arbeiten. … Da war ein Zeuge Jehovas, er hat im Kaninchenstall gearbeitet. Der hat mich manchmal in den Kaninchenstall reingelassen. Ich habe mir dann Kaninchenfutter (Gemüseschalen) in die Tasche gesteckt und das hat mir geholfen auch diese schwere Zeit zu überleben. [Am Sonntag wurde die Suppe in der Baracke ausgeteilt.] Die Zeugen Jehovas haben das gerecht verteilt und Schwache haben einen Nachschlag bekommen.

Wenn eine hohe Persönlichkeit zu Besuch kam, wurden alle Baracken [mit Blumen auf dem Fensterbrettern versehen] und es wurde besseres Essen [aus]gegeben, um einen guten Eindruck zu machen.

Wir waren in „Schutzhaft“. Wir wurden „beschützt“ in dem Lager.

(Musik)

Max Liebster:

Nach zwei Jahren wurde ich nach Ausschwitz gebracht und dort mussten bei der Ankunft alle Häftlinge, [Männer, Frauen und Kinder] nackt an der SS vorbeilaufen. Und die noch etwas Kräftigeren wurden in ca. 30 verschiedene Außenlager gebracht. Ich wurde nach Buna geschickt, um die IG-Farben aufzubauen.

Detlef Garbe:

Sie haben jetzt schon einen großen Überblick über die Zeit gegeben. Ich denke, es wird besser sein, wenn Sie jetzt diesen Überblick erstmal noch fortführen, bevor wir vielleicht noch den einen oder anderen Aspekt vertiefen.

Sie haben beschrieben, dass Sie in Ausschwitz zum Arbeitseinsatz bei der IG-Farben in Monowitz beim Buna-Werk eingeteilt wurden. Wie ging es von dort weiter?

Max Liebster:

Ich muss auch erwähnen, dass nicht alle SS-[Leute] Mörder waren. Da war ein SS-[Mann] der für Mannheim verantwortlich war. Der hat mir zweimal in Buna das Leben gerettet. …Eines Tages hatte ich Durchfall gehabt. Ich konnte nicht mehr laufen. Zwei Jungs haben mich ins [Lager] reingeschleppt. Der [SS-Mann] hat das gesehen und hat gesagt: „Max, morgen früh kommst Du in mein Büro.“ Und hat er mich in die Cafeteria geschickt, um die Tische der Soldaten zu putzen. Da habe ich wieder mehr Essen [erhalten und] wieder Kraft bekommen.

In den sechs Jahren in fünf verschiedenen Lagern war ich vielleicht zehn Mal am Punkt zum Tod. Denn jeden Morgen wurden diejenigen, die nicht mehr arbeiten konnten auf Lastwagen nach Auschwitz gebracht, um vergast zu werden. Zweimal hat mir [der SS-Mann] geholfen zu überleben.

Detlef Garbe:

Wie sind Sie von Auschwitz weggekommen? Wie ging es weiter?

Max Liebster:

Im Januar 1945 sind die Russen nähergekommen. Es waren 30 KZ-Lager um Ausschwitz und man hat uns gesagt, dass wir nach Gleiwitz marschieren müssen. Es war ein ganz kalter Winter. Schneestürme. Wir haben nur die Baumwollkleider gehabt, keine Mäntel, keinen Schutz. Wir mussten vielleicht 40 km im Schneesturm laufen. Alle, die nicht mehr laufen konnten, [wurden von fünf oder sechs SS-Männern] erschossen. Es war ein Todesmarsch. Zweimal haben wir in Scheunen im Heu übernachtet, um nach Gleiwitz zu kommen. Und in Gleiwitz wurden wir im Januar 1945 dann auf offene Kohlewagen geladen. Wir sind dann durch die Tschechoslowakei nach Buchenwald gekommen. Es sind mehr Tote als Lebende angekommen.

(Musik)

Detlef Garbe:

In Buchenwald sind Sie dann im April 1945 von den amerikanischen Soldaten befreit worden.

Können Sie sagen, wie lange sie dort geblieben sind und wie es dann weiterging?

Max Liebster:

img112Wir sind im Januar 1945 nach Buchenwald gekommen und da waren so viele Gefangene von den östlichen KZ-Lagern gekommen. Sie konnten keine Baracken machen. Sie haben große Kästen aufgestellt, wo sonst zwei in einem Kasten waren, haben sie 10-12 wie die Sardinen reingelegt. Typhus ist ausgebrochen. Die haben es das kleine Lager genannt in Buchenwald. Da sind mehr Leute gestorben durch den Typhus und das schlechte Essen. Und da habe ich gehört, dass Jehovas Zeugen in der Küche arbeiten … denn sie haben [nicht gelogen], nicht gestohlen. Ich war schwach. Ich konnte keine 50 l Suppe tragen, aber ich bin doch freiwillig mitgegangen, um die Suppe zu holen. Dort habe ich dann Otto Becker gefunden. In der Küche habe ich ihm erzählt, dass ich aus Reichenbach bin. Da hat er gesagt: Da ist ein [Häftling namens] Kindinger, ein Kommunist. Der ist schon 12 Jahre in Buchenwald und er hat viel zu sagen [Anmerkung: Kapo]. Der kann Dir helfen.“ Und der hat mir geholfen. Der Kindinger hat mich in seine Baracke genommen und mir wieder mehr Essen gegeben. Er hat das Essen verteilt bzw. unter seiner Verwaltung gehabt. Und so habe ich wieder Kraft bekommen. Und da musste ich jeden Tag wieder zur Arbeit ausziehen und da hat ein jüdischer Junge [namens Fritz] Heikorn mit mir zusammengearbeitet. Er hat auch von Hermann Emter aus Freiburg von der Bibel gehört. Da war ich erstaunt, dass sich ein jüdischer Junge für die Bibel interessiert. Der Kindinger hat gesagt, dass man alle Juden vernichten würde, denn die Amerikaner würden näher kommen. [Das war im] März/April 1945. Die [Juden] wurden auf Viehwaggons in den Wald gebracht, Sie mussten ihre eigenen Massengräber ausgraben. Dann wurden sie erschossen. Die nächste Gruppe musste sie wieder zudecken und ihr eigenen Grab machen. Der Kindinger hat gesagt: „Geh nicht ruff. Ich beschütze Dich.“ Da habe ich gesagt: „Ich habe einen Freund, den Heikorn, kann der nicht auch hier in der Baracke bleiben?“ Der Kindinger hat gesagt: „Ich tue meine eigenes Leben in [Gefahr bringen], wenn ich einen Juden beschütze. Das kann ich nicht machen.“ Dann habe ich gesagt: „Dann gehe ich mit dem Heikorn ruff. Mal sehen, wie das geht.“ Heikorn hatte ein paar Blätter vom Herman Enter aus der Offenbarung bekommen. Und er hat gesagt: „Ich möchte das gerne lesen, bevor wir erschossen werden.“ Wir waren hinter einem Holzhaufen [Anmerkung: vermutlich waren es präparierte Eisenbahnschienen aus Holz], den habe ich jetzt noch gefunden. Der ist jetzt noch in Buchenwald, den Rest von dem Holz, hinter dem wir versteckt waren, gibt es heute noch.

Von den Amerikanern haben wir die Maschinengewehre gehört. Die sind näher gekommen. Der Zug ist abgefahren. Die SS ist verschwunden. Dann wurden wir befreit mit 180 img126._1jpgJehovas Zeugen in der Baracke I.

Wir waren letztes Jahr (2002) da, um einen Gedenkstein einzuweihen. Ich war der einzige, der noch kommen konnte, um die Gedenktafel einzuweihen. Da steht drauf Apostelgeschichte 5:29: „Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen.“

Nach der Befreiung konvertiert Max Liebster zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas.

Nach dem Gespräch gibt es noch eine Befragung durch die Zuhörer.

Am Ende reihe ich mich noch in die Schlange, um ein Autogramm in mein Buch zu bekommen.

Glücklicherweise fährt mich ein Bekannter zurück zum Hauptbahnhof und ich muss nicht umsteigen und auch nicht so lange Wartezeiten in Kauf nehmen.

(Motorenbrummen)

Mein Zug fährt auch pünktlich ab.

„Am Gleis 10 bitte einsteigen. Türen schließen selbsttätig. Vorsicht bei der Abfahrt“.

(Geräusch der rollenden Räder des Zuges)

Plötzlich bleibt der Zug aus der Strecke ohne erkennbaren Grund stehen. Das Zugpersonal bittet alle Mitreisenden den Wagen 4 zu verlassen, sonst können wir nicht mehr weiterfahren.

Endlich fahren wir weiter.

(Geräusch der rollenden Räder des Zuges)

In Göttingen komme ich 12 Minuten später an. Aber was sind schon 12 Minuten Verspätung in einem bequemen Zug, im Gegensatz zu dem was Max Liebster alles erlitten hat.

Lange klingen mir seine Worte noch in meinem Ohr: „Und nach vier Monaten hat mich die SS nach Karlsruhe in einem Gefangenenzug gebracht. Und im Gefangenenzug waren auf beiden Seiten Zellen für zwei Personen. Der SS-Wärter hat die Zelle aufgeschlossen und mir einen Fußtritt gegeben: „ Du stinkender, dreckiger Jude. Du wirst niemals mehr lebendig von Sachsenhausen zurückkommen“.

(Motorengeräusch)

© Ingeborg Lüdtke

Text- und Data-Mining: Ich behalte mir eine Nutzung aller Inhalte dieser Webseite für kommerzielles Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

(Die Sendung wurde am 2.12.2003 im StadtStadio Göttingen ausgestrahlt.)

Max Liebster ist am 28. Mai 2008 gestorben.

Bilder zum KZ Neuengamme: mit freundlicher Genehmigung der KZ Gedenkstätte Neuengamme

Text aus Liebster, Hoffnungsstrahl: mit freundlicher Genehmigung der Arnold-Liebster-Stiftung

Weiterführende Links:

http://www.alst.org/pages-de/stifter/max-liebster/max-liebster-ableben.html

http://www.morgenweb.de/region/bergstrasser-anzeiger/lautertal/denkmal-fur-max-liebster-eingeweiht-1.1088744

Weiterführende Literatur zum KZ Neuengamme:

Publikationen der KZ Gedenkstätte Neuengamme Stand Februar 2015

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KZ Breitenau und das „Arbeitserziehungs-“ und Konzentrationssammellager Breitenau

Übrigens….eine Sendung von und mit Ingeborg Lüdtke

Jedes Mal wenn ich auf der A7 Richtung Süden fahre, sehe ich das Hinweis Schild Guxhagen“.

Jedes Mal frage ich mich, was eigentlich mit Gux gemeint ist. Kommt das Wort von „Gucken“?

So schnell wie mir der Gedanke kommt, so schnell ist er auch wieder vergessen.

Ich bin nie auf die Idee gekommen den Ort zu googlen oder einfach mal in diesen Ort zu fahren.

Später höre ich davon, dass es in Breitenau bei Kassel ein KZ gegeben hat.

Noch immer stelle ich keine Verbindung zwischen dem Autobahnhinweisschild „Guxhagen“ und dem Kloster Breitenau in der Nähe von Kassel her. Doch diesmal beschließe ich nachzuforschen, was es mit dem KZ Breitenau auf sich hat.

ehemaliges KZ Breitenau

ehemaliges KZ Breitenau

Ich erfahre, dass das Kloster Breitenau im Jahr 1113 von dem hessischen Gaugrafen Werner IV. von Grüningen und dessen Frau Gisela in der Breitenau gegründet wurde.

In dem Besitz des Klosters Breitenau befand sich auch das Dorf Guxhagen. Guxhagen liegt gegenüber dem Kloster, getrennt durch die Fulda.

Das Kloster für Benediktinermönche wurde nach über 400 Jahren durch die Reformation aufgehoben.

Das eindrucksvolle romanische Kloster und seine Mauern sind auch heute noch gut erhalten, sowie ein Teil des Klausurgebäudes und die Zehntscheune.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAIn dem ehemaligen Gebäude der Zehntscheune befindet sich heute die Gedenkstätte Breitenau.

Ich habe mit dem Gedenkstättenleiter Dr. Gunnar Richter [inzwischen in Rente] über die wechselhafte Geschichte des Klosters Breitenau gesprochen. Bleiben Sie einfach dran und hören einfach mal rein.

(Musik)

Das Kloster Breitenau in Guxhagen hat eine sehr wechselhafte Geschichte. Dr. Gunnar Richter von der Gedenkstätte Breitenau [inzwischen in Rente] erklärt, wie es nach Auflösung des Klosters weiterging:

„Nachdem das Kloster aufgelöst worden ist, hat man dann die Kirche zunächst umgebaut zu einem Speicher und Stall und hat sie also mehrere Jahrhunderte auch so verwendet. Und am Ende des 19. Jahrhunderts hat man dann, das war 1874, in diesem leerstehenden Klostergelände ein Arbeitshaus eingerichtet. Im Grunde kann man sagen ein Zuchthaus für Bettler, Landstreicher und Prostituierte, in das dann … auch andere Menschen, … , aus Randgruppen der Gesellschaft eingesperrt wurden. Und dazu hat man zum Teil die alten Klostergebäude benutzt und zum anderen Teil hat man neue errichtet“.

Eine Besonderheit dieser Klosterkirche Breitenau ist, dass sie zum Teil als Haftstätte benutzt wurde:

„Man hat diese alte Klosterkirche, … wieder innen leer gemacht und … in der Mitte durch eine Mauer in zwei Teile geteilt und hat dann in den östlichen Teil, wenn man von Süden schaut im rechten Teil, hat man dann die evangelische Gemeindekirche eingerichtet. Und das gesamte Mittelschiff, … hat man in große Etagen unterteilt. Und da kamen Schlafsäle herein für männliche Gefangene.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAUnd in das Westwerk, in dem Turm, kam ein Treppenhaus mit Einzelzellen und Waschräumen. Und so hat man 1874 aus dieser alten romanischen Klosterkirche auf der einen Seiten ein Gotteshaus gemacht. Da haben die Menschen aus Guxhagen sonntags gesungen und gebetet … und hinter der Orgelwand … da waren dann Menschen eingesperrt. Und … diese Doppelfunktion hat die Kirche einhundert Jahre lang beibehalten, von 1874 bis 1973, denn nach dem 2. Weltkrieg waren in diesem Teil der Kirche noch ein Teil der Mädchen eines späteren Mädchenerziehungsheim untergebracht. Während der NS-Zeit war in diesem Mittelschiff hinter der Wand zunächst das frühe Konzentrationslager für die deutschen politischen Gefangenen.“ (O-Ton Dr. Gunnar Richter)

Diese Doppelfunktion der Kirche war für die Bevölkerung von Guxhagen ein offenes Geheimnis:

„ Es gab in dieser Zeit, diesem frühen KZ-Lager, viele Zeitungsberichte. Und da gibt es z.B. einen Bericht im Dezember 1933, der trägt die Überschrift „Weihnachten im Konzentrationslager“. Und da steht drin, dass in der Kirche eine Weihnachtsfeierstunde stattfand. Und zwar für die Insassen des Konzentrationslagers und die Guxhagener Bevölkerung und das dort ein Weihnachtskrippenspiel aufgeführt worden ist mit dem Titel “ Deutsche Weihnachten“, … und das zeigt noch mal die Nähe … von, … Verfolgten und der Bevölkerung.“ (O-Ton Dr. Gunnar Richter)

(Musikakzent)

Das Kloster Breitenau wurde vielfach zur Verwahrung von Gefangenen eingesetzt.

Dr. Gunnar Richter bezeichnet das Kloster als einen „Ort des Einsperrens und Ausgrenzens von unangepassten oder gesellschaftlich unerwünschten Menschen“. Dies geschah 100 Jahre lang, angefangen vom Kaiserreich über die die Weimarer Republik und die NS- Zeit bis in die Nachkriegszeit.

Erste Erfahrungen mit dem Einsperren in dem Klostergelände machten französische Kriegsgefangene im Jahr 1871.

Im Oktober 1874 wurde auf dem Gelände ein Arbeitshaus eingerichtet. Es wurde als Correktions- und Landarmenanstalt Breitenau bezeichnet. Wie der Name schon sagt, war der Hauptzweck der Einrichtung, die Korrektur oder sittliche Besserung des Insassen.

Zuerst war es nur ein Arbeitshaus für Männer. Hauptsächlich wurden Bettler und Landstreicher eingeliefert. Ein Jahr später kamen auch Frauen hinzu. Der hauptsächliche Grund für die Inhaftierung von Frauen war der Prostitutionsvorwurf.

Männer und Frauen waren streng getrennt untergebracht. Sie durften nicht miteinander sprechen.

1877 wurde eine Landarmenanstalt eingerichtet. Hier wurden Fürsorgeempfänger untergebracht, die ihren festen Wohnsitz verloren hatten. Landarme wurde fälschlicherweise als Arbeitsscheue diskriminiert. Landarme waren freiwillig in der Landarmenanstalt, soweit die Theorie. Tatsächlich hatten sie wegen ihrer sozialen Not keine andere Möglichkeit als in Breitenau zu bleiben. Immerhin durften sie die Anstalt sonntags für einige Stunden verlassen. Auch durften sie von den Aufsehern nicht geduzt werden.

Ab 1903 wurden männliche und weibliche Fürsorgezöglinge eingeliefert. Diese Fürsorgezöglinge sollten besser bewacht werden, als es in den normalen Erziehungsheimen üblich war.

Aufgrund eines neuen Gesetzes wurden ab 1913 wurden im Landarmenhaus auch Arbeitsscheue und nichtzahlende Unterhaltspflichtige untergebracht.

1920 bis 1925 kamen auch Strafgefangene nach Breitenau.

Breitenau war eine Sammelstelle für viele unterschiedliche Insassengruppen, die gleichzeitig untergebracht waren. Die größte Insassengruppe blieben aber männliche Bettler und Landstreicher.

Die vielen Insassen mussten mit Kleidung, Möbeln und Lebensmittel versorgt werden. Um Kosten zu sparen, wurden möglichst alle Arbeiten in den Werkstätten der Anstalt von den Insassen ausgeführt. Es gab eine Schneiderei, Schusterei, eine Schreinerei und eine Schlosserei. Die meisten Lebensmittel stammten vom anstaltseigenen Gutshof.

Um die Kosten der Besserungsanstalt Breitenau zu decken, benötigte man Geld. Die Anstalt vermietete deshalb Insassenkolonnen an öffentliche und private Arbeitgeber. Die wichtigsten Arbeitsgeber waren die Bauern und Gutsbesitzer.

In der Zeit zwischen 1929 und 1932 gingen die Zahlen der Einweisungen stark zurück. Auch wurde die Strafgefangenenabteilung aufgelöst. Die Anstalt befand sich in einer Finanzkrise und das Hauptgebäude stand leer.

(Musik)

Ab Juni 1933 wurde auf der Klosteranlage Breitenau in Guxhagen bei Kassel ein Konzentrationslager eingerichtet. Das KZ bestand bis März 1934. Das KZ Breitenau gehörte zu den sogenannten frühen Konzentrationslagern. Es war kein Vernichtungslager. Die Häftlinge wurden gedemütigt, schikaniert und misshandelt. Man wollte diese Häftlinge zwingen sich dem NS-Staat unterzuordnen.

Während des Kriegs befand sich in Breitenau ein Arbeitserziehungslager der Geheimen Staatspolizei Kassel. Es war ein Straflager für ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen und eine Haftstätte für viele unterschiedliche deutsche Gestapo-Gefangene.

Lange Zeit geriet dieses dunkle Kapitel der NS-Geschichte des Klosters Breitenau in Vergessenheit. Durch das Forschungsprojekt „Kassel im Nationalsozialismus“ an der Gesamthochschule Kassel kam die Geschichte des Klosters Breitenau wieder in den Blickpunkt. Der Historiker Prof. Dr. Diefrid Krause-Vilmar erhielt einen Hinweis darauf, dass sich in Breitenau noch Unterlagen über das KZ befinden müssen. Der Hinweis kam von einem ehemaligen Häftling des KZ Buchenwald.

Der heutige Leiter der Gedenkstätte Dr. Gunnar Richter war an dem Forschungsprojekt beteiligt:

„Und da hat sich dann tatsächlich herausgestellt, dass dort …, in einem Aktenkeller neben vielen Akten des Arbeitshauses, … noch ungefähr 3000 Akten von der Gestapo aus der Kriegszeit war(en) und ein Häftlingsaufnahmebuch von Gefangenen eines frühen Konzentrationslagers, … und ganz viele Akten über Arbeitseinsätze und Deportationen von Gefangenen aus Breitenau in die verschiedenen Konzentrationslager.“ (O-Ton Dr. Gunnar Richter)

Dieser Aktenfund war etwas Besonderes, da die SS vor Kriegende versucht hatte, Aktenbestände zu vernichten.

„Ja, in dem Fall muss man sagen, sind diese Akten offenbar durch einen Zufall erhalten geblieben. Meine Erklärung ist die: Dieses Lager wurde endgültig am Karfreitag 1945 von der Gestapo geräumt. Kurz vorher hatten die noch dort in der Nacht vom Donnerstag auf den Karfreitag, … einen Massenmord an 28 Gefangenen begangen und dann haben sie den ganzen Karfreitag über Akten verbrannt, bis abends. Und abends hörte man dann schon den Geschützdonner der amerikanischen Soldaten und die letzten Gestapoleute sind dann im Grunde fluchtartig gegen 23 Uhr von dort nach Kassel geflohen, … ; und am nächsten Morgen um 6 Uhr waren bereits die ersten Amerikaner da. Und die Akten, die erhalten geblieben sind, die befanden sich im Grunde in einem anderen Gebäude, … oder auch Gebäudekeller als die Gestapo damals gewesen ist. Und in dieser Hektik, davon gehe ich aus, wurde das einfach übersehen und so wurde dieser Aktenbestand erhalten.“ (O-Ton Dr. Gunnar Richter)

Die Akten wurden unter der Leitung von Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar ausgewertet:

„… weil wir merkten, dass das besondere Akten sind, also keine normalen Verwaltungsakten, die man auswertet und dann kehrt man wieder zum nächsten Forschungsprojekt zurück, sondern hier sind ja die Geschichten von Menschen bewahrt, auch die Leidensgeschichten. Wir haben uns dann entschlossen ein größeres Projekt damit zu verbinden. Die Studenten und ich haben eine Projektgruppe gegründet und haben gesagt: ‚Das gehört eigentlich an die Öffentlichkeit hier in und um Kassel.‘“

(Musikakzent)

Eine erste Ausstellung wurde vorbereitet und in der Hochschule für bildende Künste in Kassel gezeigt. Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar erinnert sich:

„Und dann haben wir verschiedene Nächte hintereinander 41 große Tafeln hergestellt, die über die Geschichte Breitenaus informieren, auch einen ersten großen Katalog gemacht.“

Eigentlich hatten er und seine Mithelfer gedacht, dass das Interesse an der Ausstellung schnell versiegen würde:

„Das war ein Irrtum, denn kaum hatten wir die Ausstellung gemacht und auch kaum wurde hier in der regionalen Zeitung darüber berichtet, meldeten sich ehemalige Verfolgte, die dort drin waren, Angehörige von Verfolgten und wir haben dann sehr schnell festgestellt, wir können das nicht beenden, sondern das ist etwas, was uns weiter fordert.“ (O-Ton Prof. Dr. Krause-Vilmar)

Die Projektgruppe um Prof. Dietfrid Krause-Vilmar nahm Kontakt zum Eigentümer der ehemaligen Klosteranlage Breitenau auf. Der Grundstückseigentümer, der Landeswohlfahrtsverband Hessen erlaubte eine Ausstellung in Guxhagen am historischen Ort.

Auch diesmal gab es Kontakte zu ehemaligen Inhaftierten:

„Und wieder hörte das nicht auf, sondern es …kam(en) noch mehr Ehemalige, jetzt auch aus der Kriegszeit inhaftierte Zwangsarbeiter.“ (O-Ton Prof. Dr. Krause-Vilmar)

Nun begann die eigentliche Aufgabe der Auswertung:

„Und wir begannen dann an der wissenschaftlichen Auswertung deren Lebensgeschichten und das war eigentlich der Kern unserer Arbeit, weshalb wir es nicht beenden wollten und auch nicht beenden konnten. Wir haben unzählige von Biografien von ehemals Verfolgten recherchiert, in persönlichen Gesprächen, in Tonaufzeichnungen, in Videoaufzeichnungen und sind durch die Arbeit auch ungemein selbst bereichert worden.“ (O-Ton Prof. Dr. Krause-Vilmar)

OLYMPUS DIGITAL CAMERANach der Auswertung der Dokumente war es möglich eine Gedenkstätte auf dem Gelände der ehemaligen Klosteranlage Breitenau einzurichten:

„… sodass wir dann nach ein, zwei Jahren dachten: ‚Ja, wir können das hier noch immer nicht beenden‘, und haben dann 1984 auch mit Zustimmung des Eigentümers des Landeswohlfahrtsverbands Hessen diese Gedenkstätte eingerichtet …“ (O-Ton Prof. Dr. Krause-Vilmar)

Anfänglich war es schwer die Bevölkerung von Guxhagen mit in die weitere Forschungsarbeit einzubeziehen. Diese Erfahrung machte der Leiter des Gedenkstätte Breitenau Dr. Gunnar Richter:

„In Guxhagen selber … gab es zunächst auch … große Abwehr. Das war nicht nur da der Fall, das war auch an vielen Orten der Fall. Die Menschen hatten Angst gehabt, dass da vielleicht ihre Familiengeschichte mit einbezogen wird.

Ja und da war auch Angst da, dass wir da den Ort schlecht machen oder die Leute. … Denn es war im Grunde … ein Prozess von ungefähr 10 Jahren, …, bis das wirklich auch angenommen und akzeptiert wurde.“

Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar drückt es so aus:

„ … wir kamen von der Universität in dieses sehr große Dorf Guxhagen mit der Mentalität: ‚Es kommen schon wieder welche aus Kassel‘. Und wir hörten auch den Satz: ‚Von Kassel kommt nichts Gutes.‘ Erst die Gestapo, die ja in den Gebäuden auch im Krieg saß. … und dann die Gesamthochschule …“

Zweifel und Kritik der Bewohner in Guxhagen wurden im direkten Gespräch angesprochen und entsprechende Dokumente als Beweis vorgelegt.

„… ich bin mehrfach in die Gastwirtschaften gegangen und hab Dokumente … mit Diaprojektor an die Wand geworfen, um also ein Argument zu liefern. Man hat doch nach und nach, wenn man sich Zeit nimmt, auch Verständnis gefunden auch für unsere Arbeit.(O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Um mit ehemaligen Zwangsarbeitern zu sprechen, wurden Fahrten nach Polen, in die Niederlande, Belgien, Italien und in die damalige Sowjetunion organisiert.

Damit die Kosten für die Reisen und weitere Dokumentationen gedeckt werden konnten, wurde ein Verein gegründet:

„Wir haben dann auch einen Verein gegründet, 1986, … mit … 16 Mitgliedern, um die Möglichkeit zu haben, auch Fördermittel zu beantragen … Aber ich hatte mit der Vereinsgründung auch noch eine zweite Absicht und zwar kam (e)s mir drauf an, … dieses Thema in die Gesellschaft auch zu tragen und mir in der Gesellschaft Stützpunkte zu holen, die das auch weiter thematisieren. So dass aus den umliegenden Gemeinden Vertreter drin waren von der evangelischen und auch von der katholischen Kirche, also praktisch sich auch öffentlich auftretende Persönlichkeiten damit verbinden konnten …, so dass wir praktisch uns auch Rückendeckung in der Realgesellschaft verschaff(ten).“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

(Musikakzent)

Dr. Gunnar Richter war als Student in der Projektgruppe „Kassel im Nationalsozialismus“. Heute ist er der Leiter der Gedenkstätte Breitenau in Guxhagen. Über die Auswertung der Akten berichtet er:

„Als wir die Akten ausgewertet haben ….haben wir erst richtig verstanden, was während der Nazi-Zeit eigentlich existiert hatte, nämlich dass parallel zum Arbeitshaus, das dort 1884 eingerichtet worden ist, parallel dazu zu Beginn der Nazi-Zeit zunächst einmal neun Monate ein frühes Konzentrationslager für deutsche politische Gefangene eingerichtet worden ist, für Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter. …In Breitenau war dieses frühe KZ, wie die allermeisten, nur für Männer. Das hat dann neun Monate existiert und dann wurde es aufgelöst. Ein Teil der Gefangenen kam in die ersten Zentral-Konzentrationslager. Ein Teil wurde entlassen. Ein anderer Teil kam vor Gerichte, wurde wegen Hochverrats angeklagt. Das bedeutete für viele einen ganz langen Verfolgungsweg.“

Doch von wann bis wann bestand das frühe KZ Breitenau in Guxhagen? Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar fand heraus:

„ … das KZ Breitenau bestand vom 16. Juni 1933 bis zum 17. März 1934 und ist vom Kasseler Polizeipräsidenten eingerichtet worden. Es war also ein staatlich geführtes Konzentrationslager, allerdings von Anfang an waren die Instanzen, die damit beschäftigt waren nationalsozialistisch koloriert. Also auch der Polizeipräsident, der es eingerichtet hat, war ein hoher SA-Führer. Und die Wachmannschaften waren Hilfspolizisten der SA, später der SS. Also die Abrechnung, die verwaltungsmäßige Abrechnung der Kosten liefen staatlich.“

Wie viele Häftlinge hat es insgesamt im KZ Breitenau gegeben?

„… es hat 470 Häftlinge gegeben, von denen einige mehrfach inhaftiert waren, zweifach und dreifach, so dass insgesamt 511 Häftlingsaufnahmen erfolgt sind. Also man sagen 41 von den 470 sind mehrfach in Breitenau nachgewiesen.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Gab es auch Tote im KZ Breitenau?

„Es hat in Breitenau in der Frühzeit 1933/1934 keine Todesfälle gegeben, aber es ist ein kommunistischer Häftling so misshandelt und geschlagen worden, dass sein Tod, der später eingetreten ist, ich meine 1935, als Spätfolge dieser Misshandlung wahrgenommen wurde.“ ((O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Es gab verschiedene Gründe, warum man in das KZ Breitenau bei Kassel eingeliefert wurde:

„.. in aller ersten Linie war es ein Lager, das zielte auf die politischen Parteien, auf die Kommunisten, die Sozialdemokraten, auf die Anarchisten, auf die freien Sozialisten (ab). … Aber in erster Linie zielte es darauf den politischen Gegner zu treffen und dort dann die Verantwortlichen, also die sogenannten Funktionäre. … wenn man so etwas einrichtet …, nutzt man es auch für viele weitere Zwecke. Es sind sehr früh auch schon Juden durch Denunziationen dort inhaftiert worden, … auch konservative Gegner des Nationalsozialismus von dem Tannenbergbund ... Und es sind dann auch zunehmend Liebhaber des freien Wortes da inhaftiert worden. Also dann sag mal jemand irgendwas bei einer Versammlung: ‚Naja, der Führer macht sich auch die Taschen voll.‘ Und schwubs war er in Breitenau. Oder andere, die einfach kritische Rückfragen gestellt haben. …“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Es gab zwar noch keine Kennzeichnung der verschiedenen Häftlingsgruppe, aber:

„… die Häftlinge sind praktisch schon klassifiziert worden in zwei Stufen. Also Stufe 1, Stufe 2. Stufe 1 war der harte Kern. Stufe 2 waren die, die man vielleicht noch in die Volksgemeinschaft umerziehen kann. Es spielt ja auch der Erziehungsbegriff in der Frühzeit der KZ´s eine merkwürdige Rolle. Das hatte mit Erziehung ja nichts zu tun nach unserem Verständnis, sondern das hieß ja sie wieder gefügig machen für die Zwecke der Volksgemeinschaft.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Der sogenannte „harte Kern“ der Häftlinge wurde dann in die neu gegründeten größeren Lager gebracht, vor allem in die Emslandlager und in das KZ Lichtenburg in Prettin bei Torgau. Manche der Häftlinge sind 12 Jahre lang in den Lagern geblieben.

Das System der Konzentrationslager wurde im Laufe der Jahre immer ausgefeilter und brutaler. Nicht minder brutal war die Behandlung der Häftlinge im frühen KZ Breitenau bei Kassel. Dies bekamen die Häftlinge schon bei ihrem Eintreffen im Lager zu spüren.

Über die Ankunft im KZ Breitenau berichtet der ehemalige Häftling Willi Belz:

„Wir kamen dort rein […] – dort vorne an diesem Wachgebäude, an diesem Wachhäuschen […] und wurden […] sofort mit Fußtritten und mit Schlägen und mit allem Möglichen – also mit Hundepeitschen und Gummiknüppeln – ‚bearbeitet’.

Und wir wurden erstmal eine gute Stunde im Gelände hier von Breitenau herumgejagt:

An der Kirche vorbei und immer so rundherum dort […] – so eine Art ‚Spießrutenlaufen’.“

Das Wachpersonal bestand anfangs aus sogenannten Hilfspolizisten. Es handelte sich um SA-Angehörige aus Kassel. Die Wachmannschaft bestand überwiegend aus jüngeren Männern.

Die meisten Bewacher hatten eine Volksschulausbildung. Nur wenige hatten eine höhere Schule besucht. Viele der Bewacher waren Handwerker, einige waren auch Kaufleute. Einer von ihnen studierte Rechtswissenschaft und Theologie.

Das Wachpersonal behandelte die Häftlinge unterschiedlich.

(Musikakzent)

Die Gefangenen waren im Hauptgebäude des ehemaligen Klosters Breitenau untergebracht. Die Fenster des Hauptgebäudes waren vergittert. Im Erdgeschoss waren die Duschräume, im ersten Stock gab es für die Gruppen Tagesräume. Im 2. Stock waren die Unterkunftsräume der Wachmannschaften. Zwei große Schlafräume und die Waschräume befanden sich im 3. Stock.

Über die Verpflegung ist ebenfalls wenig bekannt. Nur eine Einkaufsliste der Lebensmittel ist aus der Anfangszeit des KZ Breitenau erhalten geblieben. Die Liste zeigt an, dass Brot, Kartoffeln, Fleisch, Zucker, Käse, Wurst. Kaffee u.a. eingekauft wurden. Prof. Dr. Dietfried Krause-Vilmar bat eine Ernährungswissenschaftlerin zu berechnen, ob die Lebensmittel ausreichend waren:

„…die hat sich das mal angeschaut und wenn man das mal umrechnet auf die einzelnen Gefangenen, dann war das, … ausreichend nicht üppig. … Unter der Voraussetzung, dass diese Ernährung gleich aufgeteilt wurde zwischen den Wachmannschaften und den Gefangenen, das wissen wir nicht, …“

(Musikakzent)

Die Häftlinge befanden sich nicht den ganzen Tag in den Tagesräumen. Sie mussten verschiedene Arbeiten verrichten.

„… einige sind tatsächlich, es war ja Sommer, zu Bauern aufs Feld gegangen. (Sie) haben mit bei der Ernte, beim Heu, bei der Kartoffelernte und allem Möglichen geholfen. Die meisten haben Rodungsarbeiten am Fuldaberg gemacht, dort wieder aufgeforstet. Und man hat offenbar auch beschäftigungstherapeutische Dinge finden müssen, weil nicht genug Arbeit da war. Man wollte auch nicht mit der Privatwirtschaft konkurrieren und dann mussten die am Fuldaberg ein Ehrenmal für die SS bauen.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Die Häftlinge wurden auch schikaniert und aus unterschiedlichen Gründen von den Bewachern geschlagen.

„Also einige berichten, dass die Gefangenen noch nach der Arbeit mehrfach im Kreis rumlaufen mussten, bis sie sozusagen fast nicht mehr konnten. Und es ist davon auch auszugehen, wir wissen es ja von dem einen Fall auch, dass sie auch geschlagen wurden. Also die Schläge gehörten dazu und wer Jude war …, der sah sich dann bei der Arbeit auch Schikanen ausgesetzt. Das war jetzt keine förmliche Strafe, aber wenn eben etwas besonders Unangenehmes oder besonders Schweres zutun war, dann mussten die das halt unter entsprechenden Bemerkungen machen. … Es gab auch mal Essensentzug als Strafe, dass man eben ein, zwei Tage nichts zu essen bekam.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Trotz der schlechten Behandlung im KZ-Breitenau ist kein Häftling geflohen.

Es gab auch keinen offenen Widerstand.

„ … es gibt so Geschichten, die erzählt werden, zum Beispiel dass man bei diesem Ehrenmal, das ich genannt hab(e), … ein Manifest eingebaut hat. Was ein Zeugnis von Selbstbehauptungswillen der politischen Gefangenen gewesen sein soll.

Dass sie auch mal auf dem Weg zur Arbeit Lieder abgewandelt gesungen haben. So etwas wird berichtet. Aber aktiver Widerstand im Lager selbst, nein.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

(Musikakzent)

Erfreuliche Momente im Lagerleben des KZ Breitenau waren die wenigen kurzen Besuche von Verwandten.

Besuch war sonntags möglich, aber nur ganz kurz, in der Zeit von 14-17 Uhr und auch nur 10-15 Minuten unter der Bewachung von SA- oder SS-Leuten.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Die Häftlinge in den einzelnen Häftlingsgruppen stärkten sich gegenseitig durch Gespräche. So war es ihnen möglich den grausamen Lageralltag zu überstehen.

Einige Häftlinge wurden auch aus dem KZ Breitenau entlassen:

„Es hat eine Weihnachtamnestie gegeben. … Und da sind dann eben immer die entlassen worden, von denen man nach sehr gründlicher Prüfung feststellte, die können uns nicht weiter gefährlich werden. … Es hat auch sonst immer mal eine Entlassung gegeben, aber immer unter diesem Selektionsgesichtspunkt.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

(Musik)

Prof. Dietfrid Krause-Vilmar hat sich auch eingehend mit der Frage beschäftigt, was die Bevölkerung über das KZ Breitenau bei Kassel wusste. Der Bevölkerung standen bis Ende 1933 viele Zeitungsberichte zur Verfügung:

„Also die Außenwelt ist gerade von dem frühen KZ Breitenau wie auch von anderen frühen Lagern noch im Sommer 1933 ausführlich informiert worden. Also die Kasseler Zeitungen haben berichtet, auch die Zeitungen aus den Gemeinden … Fritzlar, Melsungen, Homberg, Hofgeismar … Zum Teil haben auch die Redakteure an einer Presseführung teilgenommen.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Allerdings war die Berichterstattung der Zeitungen nicht objektiv:

„Und diese ganzen Berichte sind natürlich nicht realistisch gewesen, sondern beschönigend, verharmlosend unter dem Vorzeichen. Jetzt erziehen wir die praktisch auf den Abweg gekommenen Menschen wieder zur Volksgemeinschaft. Die Ernährung ist gut. Die Unterkunft ist gut. … aber manchmal rutschten eben doch schon zynische Formulierungen durch. Also wenn´s heißt: ‚Jetzt lernen die Funktionäre endlich mal wieder das Arbeiten …‘ Da merkte man die Absicht, die dahinterstand und es war nicht schwer zu interpretieren.“ (O-Ton Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Viele der Häftlinge des KZ Breitenau kamen in die neuen KZ und erlangten erst bei Kriegsende in die Freiheit. Keiner der Täter, also niemand von den SA- und SS-Wachmannschaften im KZ Breitenau wurde für seine Taten bestraft.

(Musik)

Nach der Auflösung des KZ Breitenau bei Kassel am 17. März 1934 diente es wieder als Arbeitshaus meist für Bettler und Landstreicher.

OLYMPUS DIGITAL CAMERALaut Dr. Gunnar Richter [inzwischen in Rente] von der Gedenkstätte Breitenau: „… ist dort während des 2. Weltkrieges parallel zum Arbeitshaus ein sogenanntes Arbeitserziehungslager eingerichtet worden und das war in erster Linie ein Straflager für ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. Zusätzlich wurden in dieses Lager auch deutsche Gefangene der unterschiedlichsten Verfolgtengruppen eingewiesen.“ (O- Ton Dr. Gunnar Richter)

Eine der deutschen Gefangenen war die Zeugin Jehovas Hilde Lapp. Sie berichtet über Ihre Verhaftung:

„Eine Luftschutzanweisung gab es da [in unserem Heimatort]. Da mussten wir dorthin, da haben sie uns direkt hinbestellt.

Und alle sind aufgestanden und haben den Hitlergruß geleistet, und meine Cousine und ich nicht!

Und daraufhin gab es schon ein kurzes Gespräch.

Na, ja, weniger ein Gespräch, sondern eher so eine bissige Bemerkung.

Ja, das kam von unserem Bürgermeister!

Und dann, zwei Tage später, kam die Gestapo und hat uns abgeholt.“

Der ehemalige polnische Zwangsarbeiter Marcin Blaszczak war Mitte Februar 1943 für 2 Wochen in Breitenau:

„Wir sind nachts angekommen; und ich habe es noch vor Augen, als hätte ich es erst gestern erlebt. Wir sind als erstes hineingejagt worden in eine Badeanstalt oder so etwas. Ich weiß nicht, ob es so etwas Entsprechendes gegeben hat, aber etwas ähnliches wie eine Badeanstalt; es waren jedenfalls Duschen da. Wir mussten uns alle ausziehen. Ich kann mich noch gut erinnern, dass es sehr kalt war, und man hat eiskaltes Wasser von oben herab gerissen, hat uns mit Gummiknüppeln angetrieben, wir mussten uns also schnell waschen. Dann haben wir unsere Kleider unter den Arm genommen und sind hinausgejagt worden mit Gummiknüppeln ins Freie und mussten da nackt durchlaufen.“ (Lesen)

Die ehemalige sowjetische Zwangsarbeiterin Alexandra Penkowa war von Januar bis Ende März 1945 wegen Widerstandes in Breitenau inhaftiert. Sie erinnert sich:

„In Breitenau kamen wir am späten Abend an. Wir haben in einem kleinen Raum ohne Möbel auf dem nackten Fußboden übernachtet.

Am nächsten Morgen mussten wir uns waschen und bekamen danach die Lagerkleidung und wurden in ein dreistöckiges Gebäude gebracht. Dort zeigte man uns die Stockbetten und gab uns jeweils eine Decke. Ein Frühstück haben wir nicht bekommen, obwohl wir sehr hungrig waren. Wir haben den ganzen Tag nichts gegessen, 24 Stunden. Zum Mittag bekamen wir einen halben Liter Suppe und am Abend genauso. […] Geschlafen haben wir im ersten Stock auf den zweistöckigen Betten und hatten eine Decke. In den Zimmern war es sehr kalt. Und so haben wir uns zu zweit in ein Bett gelegt und uns mit zwei Decken zugedeckt; so war es wärmer zum Schlafen.“ (Lesen)

René B., ein ehemaliger französischer Zwangsarbeiter war von Februar 1945 bis Ende März 1945 ebenfalls wegen Widerstandes in Breitenau. Er kennt noch genau seinen Tagesablauf:

„Um 5 Uhr morgens wieder diese Glocke. Um 6 Uhr wurde auf dem Appellplatz ein neues Kommando gebildet. Um 7 Uhr Abmarsch zum Instandsetzen von Waldwegen. Es hatte fast die ganze Woche geregnet, und wir hatten nichts als unsere dürftige Kleidung auf dem Leib. Und wieder gab es mittags nichts zu essen. Am Abend nach unserer Rückkehr ins Lager wurden wir durchgezählt, und dann hatten wir endlich unsere Ruhe. Aber wir waren so ausgekühlt und so übermüdet, dass wir nur mit Mühe die eklige Suppe essen konnten.“

Sinn und Zweck des Aufenthalts im Arbeitserziehungslager Breitenau war es, die Zwangsarbeiter zu bestrafen:

„Kurz aber heftig. Das heißt also in 1-2 Monaten so sehr, dass es ihnen wirklich ganz ganz schlecht geht, aber dahinter steckte zum einen, dass diejenigen dann nicht mehr auf die Idee kommen sich zu verweigern. Und das andere war und das steht sogar in diesen Erlassen, dass wenn sie dann zurückkommen an die Arbeitsstellen, wo sie vorher waren, dass sie für die anderen die sie sehen, ein abschreckendes Beispiel darstellen.“ (O-Ton Dr. Gunnar Richter)

(Musikakzent)

Während des 2. Weltkrieges diente die Klosteranlage Breitenau auch als Sammellager für Menschen über deren Schicksal in den Verfolgungsbehörden noch entschieden worden war. Zahlreiche deutsche Juden aus dem Regierungsbezirk Kassel befanden sich unter ihnen.

Ein letztes Kriegsverbrechen durch SS- und Gestapo-Männer fand in der Nacht vom 30. März 1945 am Fuldaberg bei Breitenau statt:

„Dieses Lager wurde endgültig am Karfreitag 1945 von der Gestapo geräumt … In der Nacht vom Donnerstag auf den Karfreitag hatten die dort noch einen Massenmord an 28 Gefangenen begangen …“(O-Ton Dr. Gunnar Richter)

(Musikakzent)

OLYMPUS DIGITAL CAMERADie Klosteranlage Breitenau blieb bis 1949 noch Arbeitshaus. 1952 wurde dort ein geschlossenes Fürsorgeheim für Mädchen untergebracht. 1973 wurde das Fürsorgeheim aufgrund von Protesten gegen die Heimerziehung geschlossen.

Es folgte nun die Nutzung der Klosteranlage als Außenstelle des Psychiatrischen Krankenhauses Haina und seit 1981 des Psychiatrischen Krankenhauses Merxhausen. Zurzeit gibt es dort ein Wohnheim und eine Rehabilitationseinrichtung für seelisch kranke Menschen.

Auf dem ehemaligen Klostergelände befindet sich in der ehemaligen Zehntscheune die heutige Gedenkstätte Breitenau in Guxhagen.

Wenn ich wieder einmal auf der Autobahn A7 hinter Kassel das Abfahrtsschild Guxhagen lese, weiß ich, dass der Name von dem ursprünglichen Ortsnamen Kuckuckhain stammt. Aus Kuckuckshain wurde später Guckshain, und dann Guxhagen.

Der Ort Guxhagen liegt gegenüber der ehemaligen Klosteranlage Breitenau.

Das Schild Guxhagen wird mich immer an meinen Besuch in der Gedenkstätte Breitenau auf dem Gelände der ehemaligen Klosteranlage Breitenau erinnern.

Erinnern werde ich mich an dicke Klostermauern, hölzerne Etagenbetten in kleineren Zellen, an einen großen Schlafraum unter dem Dach, Strohsäcke, weißgekachelte Duschräume, und eingeritzte Striche an der Wand von Häftlingen, die dort ihre Tage zählten.

Denken werde ich besonders an die ehemaligen KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, die hier gequält wurden.

(Sprecher: Ingeborg Lüdtke. Gudrun Stockmann und Matthias Schneider-Dominco)

© Ingeborg Lüdtke

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Die Zeitzeugenaussagen wurden freundlicherweise von der Gedenkstätte Breitenau zur Verfügung gestellt.

Reaktionen auf die Sendung:

Im Freien Radio Kassel gingen einige sehr positive Reaktionen ein. Es gab sogar einen Hörer, der durch den Beitrag „zum ersten Mal überhaupt vom Lager Breitenau gehört hat – obwohl er schon sehr lange in Kassel wohnt und sich prinzipiell für das Thema interessiert.“

Literaturhinweis:

Gunnar Richter (Hrsg.), Breitenau – Zur Geschichte eines nationalsozialistischen Konzentrations- und Arbeitserziehungslagers

Verlag Jenoir & Pressler

Dietrid Krause-Vilmar, Das Konzentrationslager Breitenau – Ein staatliches Schutzhaftlager 1933/34

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Weiterführende Links:

http://www.gedenkstaette-breitenau.de/geschichte.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Breitenau 

http://www.guxhagen.de/bildung-und-kultur/kultur/gedenkstaette-breitenau-und-kloster-breitenau/index.html

http://www.memorialmuseums.org/denkmaeler/view/49/Gedenkst%C3%A4tte-Breitenau#

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KZ-Lichtenburg Teil 2

In der Lichtenburg ist das Singen verboten,

da sollen die Frauen in sich gehen,

die finsteren Mächte wüten und toben,

und möchten uns sterbend am Boden sehen.

Man nennt die Frauen Verbrecher und dumm

und dreht die Wahrheit zur Lüge um.

In der Lichtenburg gibt es wenig Brot

und selten ein freundliches Wort.

Dieses Gedicht stammt von Klara Schwedler. Sie war im KZ Lichtenburg inhaftiert.

SDC12562Das KZ Lichtenburg befand sich Schloss Lichtenburg in Prettin bei Torgau.

Im 16. Jahrhundert ließ Kurfürst August von Sachsen das Schloss Lichtenburg für seine Frau Anna als Nebenresidenz und Witwensitz erbauen.

Über 200 Jahre später wurde das Schloss in ein Zuchthaus umgewandelt und ab 1933 bestand hier eines der ersten größeren Konzentrationslager in Deutschland.

In den dunklen Kellerverließen wurden Häftlinge brutal geprügelt. Einige der Geprügelten

überlebten die Prügelstrafe nicht.

In dem ersten Teil der Sendung ging es um die Opfergruppen und ihre Bewacher, die Unterbringung der Häftlinge, die Arbeiten und Strafen.

Die heutige Sendung befasst sich u. a mit Möglichkeiten sich der SS zu widersetzen, der medizinischen Versorgung, mit Kraftquelle zum Durchhalten und der Ausgrabung eines Häftlings-Tagesbuches in der Lichtenburg.

Der Historiker Sven Langhammer, der über das KZ Lichtenburg geforscht hat und Zeitzeugen kommen ausführlich zu Wort.

(Musikakzent)

Welche Möglichkeiten es gab nun für die Häftlinge, um der Brutalität der SS zu entfliehen?

Wäre Flucht oder aktiver Widerstand eine Möglichkeit gewesen?

Ein Häftling, der flüchtete, konnte nicht mit der Hilfe der Zivilbewohner rechnen.

Die Wahrscheinlichkeit wieder gefasst zu werden, war sehr hoch.

Die SS bestrafte entflohene und wieder gefasste Häftlinge brutal.

SDC12540Der Historiker Sven Langhammer berichtet, dass im Februar 1935 drei sogenannte Berufsverbrecher aus dem KZ Lichtenburg flohen. Er weist auf den Bericht von Irmgard Litten in ihrem „Eine Mutter kämpft gegen Hitler“ hin. Sie berichtet, wie es den drei Männern nach der Ergreifung erging. Alle Häftlinge mussten auf dem Appellplatz bei der Bestrafung zusehen. Die drei Flüchtlinge mussten einen Tisch auf den Hof tragen, der als Prügelbock benutzt wurde. Die Prügelstrafe umfasste üblicherweise 25 Schläge, aber jeder dieser drei Häftlinge erhielt ca. 150-180 Schläge. Laut Berichten, soll ein Häftling verstorben sein, ein weiterer habe sich das Leben genommen, und was mit dem Dritten geschehen wäre, ist unbekannt.

(Musikakzent)

Im Männer-KZ Lichtenburg in Prettin gab es keinen nennenswerten Widerstand, aber es gab einen Hungerstreik der Häftlinge:

Laut Sven Langhammer gab es im August 1933 einen Hungerstreik. Die Rädelsführer sind in den Bunker gebracht und dort misshandelt worden. Der Hungerstreik wurde ausgelöst durch die Misshandlung eines Häftlings, und die Häftlinge haben versucht ihre Solidarität mit dem Häftling zum Ausdruck zu bringen.

Andere Widerstandsformen waren nicht so offensichtlich:

Sven Langhammer berichtet von kritischen Bemerkungen einiger Häftlinge zu ihr Haftsituation während der Weihnachtsfeiern. Die Kritik zwischen den Zeilen der Aussagen wurde i. d. R. von den SS-Angehörigen nicht erkannt. Als Widerstand würde Sven Langhammer dies nicht bezeichnen. Der passive Widerstand der Häftlinge zeigte sich dadurch, dass Aufgaben nur widerwillig ausgeführt wurden und man sie nicht mit vollem Eifer umgesetzt hat. Man hat versucht hat einen entsprechenden Schaden anzurichten, ohne sich selbst oder Mithäftlinge in Gefahr zu bringen. Man musste natürlich sehr aufpassen, dass man nicht ins Visier der Wachmannschaften geraten ist. Hätte man gegen die Lagerordnung verstoßen, wären sie mit Strafen wie z. B. Bunker oder Prügelstrafe bestraft worden.

 

Im Frauen-KZ Lichtenburg gab es eine größere Aktion des Widerstandes:

Sven Langhammer führt als Beispiel für den Widerstand im Frauen-KZ Lichtenburg die Weigerung der Zeuginnen Jehovas im Herbst/Winter 1938 an, sich sich eine Rede von Adolf Hitler anzuhören. Die Zeuginnen Jehovas sind dann gewaltsam mit Feuerwehrschläuchen aus ihrer Unterkunft vertrieben und die Wendelstände nach unten gespült worden.

Erna Ludolph war eine der Frauen, die sich weigerten. Sie berichtet in dem Film „Fürchtet Euch nicht“ [3] von Fritz Poppenberg:

Ludolph Hesse„Wir weigerten uns die nationalistische Rede anzuhören und haben uns verschanzt. Dann haben sie versucht uns mit Gewalt rauszuholen, haben Hydrantenschläuche geholt und uns damit beschossen, so dass der Saal unter Wasser stand Diejenigen, die von der ganzen Wucht getroffen wurden, hatten später blutunterlaufende Stellen. In diesem Zustand hat man uns mit Gewalt die Treppe heruntergestoßen, so dass wir nachher nass auf dem Hof standen.“ (Bild Erna Ludolph mit Dr. Hans Hesse)

Änne Dickmann kann sich noch an die Reaktion der SS erinnern:

„Mit den dicken Hydranten Wasser wurde man bespritzt. Und die haben dann getobt.

(Musikakzent)

Die österreichische Widerstandskämpferin Hanna Sturm berichtet in dem Buch „Die Lebensgeschichte einer Arbeiterin“ über eine Solidaritätsbekundung mit den Zeuginnen Jehovas.

Während die SS die Wasserschläuche auf die Zeuginnen Jehovas richtet, hört man im ganzen Lager den Ruf „Mörder, Mörder!“ Die SS beendet daraufhin diese Aktion.

Die Häftlinge werden nie wieder gezwungen eine Hitler-Rede anzuhören. Allerdings bekommen die Zeuginnen Jehovas eine Woche lang kein Mittagessen. Die politischen Häftlinge teilen das Essen mit ihnen.

(Musikakzent)

Der Historiker Sven Langhammer erwähnt, dass aufgrund des stundenlangen Draußenstehens in nasser Kleidung, Erkältungskrankheiten nicht ausblieben.

Erkältungskrankheiten waren im KZ Lichtenburg sicherlich nur die harmlosesten Krankheiten.

Im Männer-KZ traten Blasen- und Nierenleiden durch die katastrophalen Hygienezustände häufig auf.

Auf eine lindernde ärztliche Behandlung hofften die die meisten Kranken vergeblich.

Zum einen gab es zu wenige Ärzte und zum anderen wurden die Kranken so behandelt, dass sie freiwillig auf eine weitere Behandlung verzichteten. Kranke wurden auch als Simulanten bezeichnet.

Über die geringe medizinische Versorgung im Männerlager konnte laut Sven Langhammer bisher (Forschungsstand 2013) folgendes ermittelt werden:

Es gab eine Eingangsuntersuchung, einen Zahnarzt, einen Allgemeinmediziner. Beide Ärzte kamen in der Anfangszeit des KZ Lichtenburgs aus dem Ort in das Lager. Die kranken Häftlinge konnten an den Sprechtagen bei ihnen vorsprechen. Die medizinische Ausrüstung des Krankenreviers in dem Männer-Konzentrationslager ließ nur eine Betreuung von leichten Krankheitsfällen zu. Häftlinge, die schwerer erkrankten, wurden in das Stadtkrankenhaus nach Torgau überführt. Todkranke Häftlinge wurden zum Sterben nach Hause entlassen.

Im Frauen-Konzentrationslager Lichtenburg gab es einen SS-Arzt. Anders als im Männer-Konzentrationslager kam kein Arzt mehr aus den umliegenden Orten in das Lager, um die Untersuchungen vorzunehmen. Bei den Frauen war es ähnlich, wie bei den Männern: schwerere Krankheitsfälle kamen nach Torgau ins Krankenhaus und Frauen, die kurz vor dem Tod standen, wie Paula Billstein aus Krefeld, sind nach Hause entlassen worden.

Medizinische Versorgung erhielten einige Häftlinge aber von Mithäftlingen, die im Krankenrevier arbeiteten. Wenn möglich schmuggelten sie Medikamente und andere Dinge heraus, um zu helfen.

(Musikakzent)

In späteren Konzentrationslagern gab es auch Kinder. Auch in dem KZ Lichtenburg hat es Kinder gegeben.

Laut Sven Langhammer gibt es nur einen bekannten Bericht von der politischen Gefangenen Erna Raum. Sie berichtet, dass schwangere Frauen in das KZ Lichtenburg eingeliefert wurden und dort ihre Kinder bekommen haben. Sie sei dabei beigewesen, als diese Kinder vom Arzt getötet worden sind. … Der Arzt … habe den Schädel eines Kindes am Türpfosten zerschmettert. Sven Langhammer sieht keinen Grund, den Bericht von Erna Raum anzuzweifeln.

Medizinische Versuche an den Häftlingen im KZ Lichtenburg sind wissenschaftlich nicht belegt.

(Musik)

Täglich Misshandlungen ansehen zu müssen, ging nicht spurlos an den Häftlingen im KZ Lichtenburg vorüber.

Der Schauspieler Wolfgang Langhoff schreibt bereits 1935 in seinem Buch „Die Moorsoldaten“ [1]:

„Man könnte also sagen, dass ich ein glänzendes Leben hatte, und dass mir, abgesehen von der Freiheit, nichts fehlte! Aber das war nicht so… . Dort bin ich erst richtig ‚fertig‘ gemacht worden. Täglich mit ansehen zu müssen, wie die Kameraden geschlagen, getriezt werden, wie dieselben SS-Männer, denen man abends humoristische Einakter und Gedichte einstudierte und sogar die Hand drückte, sich tagsüber gegen die Mitgefangenen in der brutalsten Weise benahmen … .“ (gesprochen von Peter Bieringer)

Der Tod habe sie kaum berührt, sagt Lina Haag in ihrem Buch „Eine Hand voll Staub“ [2]. Diese Erkenntnis habe sie erschüttert. Sie sei traurig, weil in den Herzen der Mithäftlinge kein Platz für die Empfindungen für das Unglück der Anderen gewesen sei.

Auch war die Angst ein ständiger Begleiter. Der ehemalige Häftling Ernesto Kroch beschreibt es so:

Es war ein ständig schwelendes Angstgefühl. Natürlich nicht so, dass man jeden Moment fürchten musste. Aber man fühlte sich immer unsicher. Dieses Wissen darum, dass man in jeden Moment unerwartet rausgerufen werden konnte, nich. Schon wenn Namen aufgerufen wurden, manchmal wurden Namen aufgerufen, weil Leute irgendwo, gar nicht aus Deiner Zelle, zu einem Verhör gerufen wurden. Denn es gab ja auch Verhöre da, nich. Ich wurde niemals verhört, aber man war immer mit dem Ohr, wird nicht etwas mein Name gerufen.“

(Musikakzent)

 

Für die Häftlinge gab es auch Möglichkeiten sich auszutauschen:

Laut Sven Langhammer konnte man im KZ Freundschaften schließen. Man hatte die Möglichkeit zum Austausch während des Freigangs auf dem Appellplatz, wenn man neben einem anderen Häftling gegangen ist. Miteinander sprechen war zwar nicht erlaubt, aber man hat Möglichkeiten gefunden, um miteinander sprechen zu können.

 

Laut Änne Dickmann waren die Aufseherinnen nicht den ganzen Tag im Raum. Für sie gab es eine Möglichkeit: „das wir uns gegenseitig stärkten durch biblische Besprechungen und der Gleichen.“

 

Sven Langhammer weist darauf hin, dass man immer aufpassen musste, dass man nicht bespitzelt wurde. Häftlinge wurden aus unterschiedlichen Gründen schwach und haben um ihres eigenen Vorteils willen auch Mithäftlinge denunziert. Diese wurden daraufhin bestraft. Die Häftlinge waren in verschiedenen Häftlingskompanien untergebracht. Die Häftlingskompanien hatten untereinander keinen Kontakt. Kontaktaufnahmen waren aber bei den zahlreichen Appellen möglich gewesen. Wurden aus unterschiedlichen Häftlingskompanien einzelne Arbeitskommandos zusammengestellt, gab es auch einen Austausch zwischen den Häftlingen.

Die Häftlinge benötigten Kraftquellen zum Durchhalten. Kraftquellen z. B. geistige und kulturelle Aktivitäten.

Der Rechtsanwalt Hans Litten arbeitete in der Häftlings-Bibliothek. Hans Litten war bekannt durch den Edenpalast-Prozess von 1931. Er hatte Hitler bei einer Zeugenaussage in die Enge getrieben.

Hans Litten übersetzte frühhochdeutsche Werke. Auch arbeitete er an einem Lehrbuch für Schüler mit Beispielen der bildenden Kunst und Literatur. (Quelle: Werner Dietrich)

Hans Litten vermittelte sein Wissen auch an Mithäftlinge.

Es gab weitere Kraftquellen für die Häftlinge:

Sven Langhammer bemerkt, dass Intellektuelle versuchten nicht abzustumpfen, indem sie Gedichte geschrieben, Lieder komponierten und Zeichnungen angefertigt haben.

Einer dieser Häftlinge war der Schriftsteller Hans Lorbeer.

Sven Langhammer verweist eine Zeichnung von September 1933 über die Schlafsituation unter dem Dach und die viele Gedichten und Aphorismen, die Hans Lorbeer geschrieben hat.

Einige Häftlinge fertigten als Überlebensstrategie Gegenstände aus Holz an.

Sven Langhammer spricht davon, dass es in der Lagertischlerei Möglichkeiten gab, sich Holz zu besorgen. Gustav Hammermann … hat viele Intarsien-Arbeiten angefertigt, die er später seiner Tochter Hildegard geschenkt hat. Es gibt aus dieser noch ein Schachspiel und mehrere Holzschatullen.

 

Änne Dickmann nennt eine andere Kraftquelle:

„Nur im Gottvertrauen, anders geht das nicht. Wie haben eben wie gesagt unser Leben Gott anvertraut und ihm überlassen, was er jetzt macht. Und dass er uns auch die Kraft geben möchte, dass wir standhaft bleiben. Zu seiner Ehre natürlich.“

 

(Musik)

Den Häftlingen des KZ Lichtenburg in Prettin war es möglich Briefe und Pakete zu empfangen. Die Häftlinge selbst durften Briefe oder Postkarten an die Verwandten schreiben. Der Historiker Sven Langhammer beschreibt, was dabei zu beachten war:

Sie konnten in regelmäßigen Abständen Postkarten und Briefe schreiben. Sie mussten Deutsch und deutlich schreiben. Die Postkarten und Briefe wurden zensiert und sind dann erst freigegeben worden. In den erhaltenen Briefen findet man keine Interna aus dem Lageralltag. Die Häftlinge beschönigten ihre Situation. Von Heinrich Adam ist allerdings überliefert, dass er im Vorfeld Codes abgesprochen hat. Er konnte so geheime Nachrichten nach draußen vermitteln.

 

Die SS benutzte allerdings gerne die Postsperre als Strafe für kleinere Vergehen gegen die Lagerordnung. Die Postsperre wurde besonders bei den Zeugen Jehovas eingesetzt. Die Häftlinge durften wochen- oder monatelang weder Briefe schreiben, noch erhalten.

Änne Dickmann beschreibt dies so:

„Wie gesagt ein ganzes Jahr überhaupt nicht schreiben. Keine Post empfangen, galt man wie abgestorben.

„… als dann das Schreibverbot aufgehoben wurde, dann durften wir jeden Monat 4-5 Zeilen schreiben: ‚Mir geht es gut. Wie geht es Euch? ‘ Da war der Brief voll.

Der eigentliche Briefwechsel war auch nur auf wenige Zeilen beschränkt.“

(Musikakzent)

Die Häftlinge durften auch Besuch empfangen:

 

Sven Langhammer bemerkt, dass vor einem Besuch zuerst eine Besuchserlaubnis erteilt werden musste. Ein Besuch war immer mit einem entsprechenden Aufwand verbunden. Oft kamen die Angehörigen der Häftlinge aus dem Arbeitermilieu und konnten sich eine Fahrt nach Prettin zum Konzentrationslager nicht leisten. Aufgrund dieser Tatsache waren Besuche nicht so häufig.

 

Über die Besuche gibt es unterschiedliche Aussagen:

Sven Langhammer berichtet von unterschiedlichen Aussagen ehemaliger Häftlinge. Einige wurden mit ihrem Besuch kurzzeitig allein gelassen. Andere Häftlinge berichten, dass die Häftlinge auf der einen Seite standen und die Frauen einen Meter von ihnen entfernt auf der anderen Seite. Dazwischen patrouillierten SS-Angehörige. I. d. R. war immer ein SS-Mann bei den Gesprächen anwesend.

 

Kinder durften bei den Besuchen nicht mitgebracht werden.

(Musikakzent)

Die Zustände im KZ Lichtenburg blieben der Außenwelt nicht verborgen.

Entlassene Häftlinge oder Anwohner gaben ihr Wissen an die Öffentlichkeit weiter.

Auch im Ausland wusste man von den Konzentrationslagern. Die SS erlaubte deshalb bestimmten Personenkreisen das KZ Lichtenburg zu besuchen. Unter ihnen befanden sich Journalisten aus Schweden, England, den USA und Japan.

Die realen Verhältnisse sahen die Besucher allerdings nicht. Das KZ wurde auf Hochglanz gebracht. SS-Leute in Zivil wurden als Häftlinge ausgegeben. Es wurden nur ausgewählte Räume und Bereiche gezeigt.

Die Besucher erhielten ein ausgezeichnetes Essen. Kein Wunder, dass bei diesem Täuschungsmanöver die Berichte sehr gut ausfielen.

(Musik)

Es kam durchaus vor, dass Häftlinge aus dem KZ Lichtenburg entlassen wurden.

Der Historiker Sven Langhammer bestätigt, dass die einfachen politischen Häftlinge im Schnitt ca. ein halbes Jahr im Männer-Konzentrationslager waren und einige von ihnen nach einem halben Jahr entlassen wurden. Bei den kriminellen Häftlingen war dies anders. Bei den politischen Häftlingen wurde der Haftgrund alle drei Monate überprüft. Bei kriminellen Häftlingen war dies alle 12 Monate der Fall und konnten deshalb nicht innerhalb eines halben Jahres entlassen werden. Für Funktionäre der KPD oder SPD, deren Rückkehr nicht erwünscht war, sah man vor, dass sie den Rest ihres Lebens im Konzentrationslager inhaftiert bleiben sollten.

Viele Häftlinge des Männer-Konzentrationslagers Lichtenburg sind in andere Konzentrationslager überführt worden. Es gab größere Häftlingstransporte im Februar 1934 und 1935. Diese Häftlingstransporte gingen in das KZ Esterwegen im Regierungsbezirk Osnabrück. Im Oktober 1936 gab es einen größeren Häftlingstransport von 300 Häftlingen, die in das neuerrichtete KZ Sachsenhausen überstellt wurden. Die über 1200 verbliebenen Häftlinge sind im Juli/August 1937 bei der Auflösung des Konzentrationslagers Lichtenburg nach Buchenwald überführt worden.

Ernesto Kroch kam1937 frei.

„Wir waren gerade beim Kohlenabladen, als die Namen aufgerufen wurden: Isack, Müller, Kroch. Da bekamen wir einen furchtbaren Schreck …`Im Laufschritt zur Kommandantur. Marsch. Marsch.´ Es blieb uns nichts anderes übrig als begleitet von einem Posten da zu der Kommandantur zu laufen. Also wir dachten: ‚Was erwartet jetzt uns? … irgendeine Strafe?‘

Man war ja immer gewärtig 25 Schläge, 100 oder vielleicht auch Versetzung in ein anderes Lager. Man wusste ja, was alles passieren konnte. Man wusste ja nicht wann und weshalb. Natürlich war enorm die Überraschung als er sagte: ‚ … wenn ihr das und das unterschreibt, dann könnt Ihr heute noch raus.‘“ (verstorben am 11.3.2012)

Sven Langhammer ergänzt, dass Ernesto Kroch als jüdischer Häftling in der Lichtenburg inhaftiert wurde und seine Eltern während seiner Haftzeit seine Ausreise vorangetrieben haben. Mit den Ausreisepapieren hatte er die Möglichkeit innerhalb von zehn Tagen das Deutsche Reich zu verlassen. Diese Möglichkeit hatten einige jüdische Häftlinge. Sie mussten binnen zehn Tagen das Reichsgebiet verlassen. Diese Möglichkeit gab es nur bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges.

 

Auch im Frauen-KZ gab es Entlassungen.

Laut Sven Langhammer waren im Frauen-KZ 1414 Frauen in den 18 Monaten inhaftiert. Davon wurden 974 nach Ravensbrück überführt. Alle anderen sind in der Zwischenzeit entlassen worden. Man kann von ca. 1000 Frauen ausgehen, die von der Lichtenburg nach Ravensbrück überführt wurden und ca. 400-450 Frauen sind entlassen worden.

 

(Musikakzent)

Im Schloss Lichtenburg in Prettin bei Torgau gab es mehrere Konzentrationslager.

Der Historiker Sven Langhammer stellt fest, dass das Schloss Lichtenburg zwischen 1933 und 1945 als Konzentrationslager genutzt wurde. Es bestanden mehrere Lagerformen. Das KZ Lichtenburg für männliche Häftlinge existierte von Juni 1933 bis August 1937. Anschließend waren ab dem Dezember 1937 bis Mai 1939 Frauen in der Lichtenburg inhaftiert. Da war es dann ein Frauen-Konzentrationslager. Dann wurde die Lichtenburg kurze Zeit als Kaserne für ein SS-Ersatzbataillon genutzt und ab Herbst 1941 war in der Lichtenburg das Außenkommando Prettin untergebracht. Das war ein Außenkommando des KZ Sachsenhausen. Es hat im Schloss bis zum April 1945 existiert.

 

Stanislaw Nikitowitsch Grizenko kam im Oktober 1943 in das Außenlager Prettin:

„In Sachsenhausen fing ich am 3. Mai 1943 an zu schreiben, nach dem ich mich dort umgesehen hatte. Ich glaube ab dem 3. Mai 1943. Ich musste ja als erstes, einen Bleistift besorgen. Ich arbeitete schon in der Küche als Kartoffelschäler. Ich schmuggelte die Kartoffeln in meinen Schuhen. Die Kartoffeln tauschte ich bei einem Polen gegen einen Bleistift. Dann brauchte ich das Papier. Schreibpapier gab es nicht. Die Polen bekamen Pakete von zu Hause. Die waren in Packpapier eingewickelt. Das Papier schnitt ich mir zurecht, faltete es und schrieb. Als ich nach Prettin kam, legte ich in eine Tasche eine Portion Brot und versteckte dahinter das Papier. Es lag in einem Stück Stoff eingewickelt, wo noch Knöpfe, Garn und Nadel darin waren. Wir waren damals zu fünft. Ich aus der Häftlingsküche, einer aus der Soldatenküche, ein Pole, der andere Pole war aus der Offiziersküche, einer kam, um Zähne zu ziehen und der Fünfte war der Älteste von uns. Er wurde Präsident genannt, war auch ein Häftling und transportierte Kleidung in das Lager. Der Soldat am Tor fragte mich, was ich da hätte. Ich sagte: „Brot.“ Er fragte, was dahinter läge. Ich gab es ihm. Er schaute und sagte leise zu mir: „Du hast Glück, dass ich aus Jugoslawien komme! Sonst…“ er zeigte auf den Galgen. Er wickelte das wieder ein und sagte zu dem Ältesten: „ Hinter dem Tor schmeißt du das weg!“ Er wusste ja, dass er mir das zurückgeben wird. Die anderen schimpften mit mir. Ich hätte das hinten, in der Hose verstecken sollen. In der Hose gab es keine Taschen, nur in der Jacke. Aber ich kam durch. Hier in Prettin arbeitete ich am Aufbau der Wasserpumpstation mit. Wir hatten einen Vorarbeiter, der immer freitags kam. Die Maurer waren Zivilarbeiter. Das waren drei ältere Männer, Hans, Ernst und den Dritten habe ich vergessen. Ein paar Häuser weiter von der Lichtenburg war ein Gebäude, ich glaube das war früher eine Bar. Dort war eine Bühne. Der Raum war ungefähr so groß wie diese hier. Dort waren Regale mit Papier. Din A4, Schulhefte und dicke Hefte. Ich organisierte mir zwei Dicke und ein oder zwei Schulhefte. Wir hatten nicht mehr viel zu bauen. Die Montage war fertig, es blieb nur die Elektrizität. Es ging schon dem Ende zu und die SS- Männer sahen, dass das nicht mehr gebraucht wird. Also wurde ich verlegt und sollte Papier packen. Ich erkannte dass alles bald zu Ende geht. Mit mir arbeitete noch ein Weißrusse. Er sollte sich an die Tür stellen. Da waren Dinge, ich nenne sie Essensbehälter für Soldaten. Ein Monat zuvor kamen Autos und brachten diese Essensbehälter. Ich fragte den Fahrer, was das ist. Er sagte italienische Essensbehälter für Soldaten. Das war so ein Aluminiumbehältnis wo man die Suppe reintat, dann konnte man das zumachen. Dann der Kasten, der später ausgegraben wurde, hatte eine Abteilung für etwas trockenes, zum Beispiel Brot oder so was und oben noch Holz. Das Holz ist ja vergammelt. Ich legte meine Tagebücher rein und buddelte sie in der Erde ein. Der Weißrusse hielt Wache, damit es keiner sah. Ich dachte, ich hole ihn später ab. Dazu kam es nicht.“ (Übersetzung gelesen von Peter Bieringer)

Erst 2008 war es ihm möglich zur Lichtenburg zurückzukehren und nach den Aufzeichnungen zu graben.

Der Historiker Sven Langhammer war dabei:

Es war ein sonniger Tag und es waren viele Leute dort vor Ort, die … zusehen wollten, ob wir das Objekt tatsächlich finden. Stanislaw Grezenko hat im Vorfeld eine Skizze geschickt, wo er die Aufzeichnungen vergraben hat. Wir haben vor Ort die Stelle, die er gekennzeichnet hat, woher von dem Brombeerstrauch befreit, so dass man dort überhaupt etwas finden konnte. Und dann haben wir mit (ei)nem Metalldetektor versucht, den Metallkasten zu finden. Diese Stelle war mit Müll aufgefüllt war und es waren dort viele Metallgegenstände, wie z.B. Kronkorken von Bierflaschen. Bei jedem Piepen dachte man, man hätte etwas gefunden, aber letztlich war es nur wertloser Schrott gewesen. Die Suche ging, nachdem wir die Grasnarbe abgestochen haben, um etwas tiefer zu gelangen, bis Mittag und wir hatten das Objekt nicht gefunden gehabt. Stanislaw Grezenko war schon sehr unglücklich, dass wir noch nichts gefunden haben.

 

Die Suche wurde an einer anderen Stelle fortgesetzt.

… wir haben dann an einer Stelle, an der wir noch nicht gesucht haben, das Objekt gefunden. Und Sie können sich vorstellen, dass dann helle Aufregung gewesen ist und dass Stanislaw Grezenko ein ganz, ganz breites Lächeln im Gesicht hatte.

Man ging in der allgemeinen Aufregung davon aus, dass wir den Metallkasten aus dem Erdreich rausnehmen und dass man ihn öffnet und die Aufzeichnungen lesen kann. Dem war nicht so gewesen. 2002 gab es in Prettin eine große Flut. Die Elbe ist über die Deiche getreten bzw. es sind Deiche gebrochen. Es lag 63 Jahre lang im Erdreich und entsprechend groß war der Schaden. Der Metallbehälter war komplett korrodiert und das Papier, dass sich in dem Behälter befand, war stark mineralisiert. Alles war miteinander verbacken und es war nicht möglich es herauszuziehen und lesen. Die Aufzeichnungen sind dann zunächst in das Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege nach Halle gebracht worden. Dort ist der Metallbehälter aufgetrennt worden, um an diesen eigentlichen Papierblock ranzukommen.

Das Problem bei den Aufzeichnungen von Stanislaw Grezenko ist, dass er in einem schmalen Heft seine Erlebnisse codiert, vermutlich mit einem Kopierstift reingeschrieben hat. Und aufgrund dieses feuchten Milieus ist diese Schrift, sind diese Aufzeichnungen verlorengegangen. Hätte er mit einem Bleistift geschrieben, dann wären die Aufzeichnungen lesbar geblieben, aber durch das Schreiben mit dem Kopierstift ist nichts mehr vorhanden.

 

Konnte man wirklich gar nichts mehr machen?

Sagen wir es mal so. Es sind einige Seiten von dem Papierblock abgelöst worden. In dem Behälter befanden sich neben den Erinnerungen von Stanislaw Grezenko auch ein Buch auf Tschechisch über Motorenbau, da waren auch Bleistifte und ein Paar Socken mit drin. Er ging davon aus, dass er das nur für eine kurze Zeit versteckt und bald wieder aus dem Erdreich herausholt. Da er auch andere Papiere mit reingesteckt hat, ist unklar an welcher Stelle sich eigentlich das Heft befindet und man müsste eine größere Geldsumme aufwenden, um alles frei zu präparieren. Man spricht davon, dass es ungefähr 10.000 € kosten würde. Dieses Geld ist momentan nicht vorhanden. Die Tatsache, dass er mit einem Kopierstift geschrieben hat und nicht klar ist, ob die Aufzeichnungen tatsächlich erhalten sind, hindert momentan … die Restauratoren daran, weiter vorzugehen.

(Musikakzent)

Leider leben nur noch wenige ehemalige Häftlinge des KZ Lichtenburg. (Auch Ernesto Kroch ist am 11.3.2012 verstorben.)

Die Erinnerung an das erlittene Leid der Häftlinge muss bewahrt werden.

Deshalb ist es gut, dass die Gedenkstätte des KZ Lichtenburg neu konzipiert wurde und immer wieder neue Zeitzeugenberichte Forschungsergebnisse an die Öffentlichkeit kommen.

(Sprecher: Ingeborg Lüdtke, Gudrun Stockmann und Peter Bieringer)

© Ingeborg Lüdtke

Text- und Data-Mining: Ich behalte mir eine Nutzung aller Inhalte dieser Webseite für kommerzielles Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Gesendet am 10.11.2014 im StadtRadio Göttingen

Die gesprochenen Texte von dem Historiker Sven Langhammer wurden leicht redigiert und beruhen auf dem Forschungsstand aus dem Jahr 2013.

O-Töne von Ernesto Kroch und Stanialaw Grizenko wurden von Alternatives Jugendzentrum e.V. in Dessau zur Verfügung gestellt.

Quellenangaben:

[1] Wolfgang, Langhoff, Die Moorsoldaten, 1975 m Aufbau Verlag erscheinen, Rechte jetzt bei: Verlag Neuer Weg in der Mediengruppe Neuer Weg GmbH, Essen, die die freundliche Genehmigungam 10.4.12 erteilte.

[2]  Lina Haag,  „Eine Hand voll Staub“ 

http://www.silberburg.de/index.php?581-Eine-Hand-voll-Staub

Silberburg-Verlag GmbH, Tübingen mit freundlicher Genehmigung vom 25.5.12

[3] Film „Fürchtet Euch nicht“ von Fritz Poppenberg, Dreilindenfilm

http://www.dreilindenfilm.de/shop/fuerchtet-euch-nicht-p-133.html

mit freundlicher Genehmigung vom 30.5.12

Bild: Erna Ludolph im Gespräch mit dem Histotiker Dr. Hans Hesse

(c) Ingeborg Lüdtke)

 Weiterführende Links:

 http://www.stgs.sachsen-anhalt.de/gedenkstaette-kz-lichtenburg-prettin/

http://www.gedenkstaettenforum.de/nc/gedenkstaetten-rundbrief/rundbrief/news/lichtenburg_vergangenheit_und_zukunft/

http://www.foerderverein-lichtenburg.com/?navitem=13

 

 

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KZ-Lichtenburg Teil 1

Mögen Sie Burgen und Schlösser? Faszinieren Sie dunkle Geheimnisse der Verließe?

Geheimnisse in Verließen werden in Romanen oft verklärt dargestellt.

Manches dunkle Geheimnis ist in der Realität oft grausamer als in den Romanen. Romane haben meist ein Happy End.

Ich möchte Sie auf das dunkle Geheimnis des Schlosses Lichtenburg in Prettin bei Torgau aufmerksam machen. Für einige Häftlinge in den dunklen Verließen gab es kein Happy End.

KZ LichtenburgHört man den Namen Lichtenburg, denkt man eher an helle freundliche Räume.

Kurfürst August von Sachsen ließ im 16. Jahrhundert das Schloss Lichtenburg für seine Frau Anna erbauen. Das Schloss diente als Nebenresidenz und Witwensitz.

200 Jahre später wurde das Schloss in ein Zuchthaus umgewandelt. 60 Jahre danach wurde das Zuchthaus um einen Zellenbau erweitert. Der Zellenbau hatte 3 Stockwerke.

1928 wurde das Zuchthaus geschlossen. Das Schloss befand sich in einem schlechten baulichen Zustand.

1933 entstand im Schloss Lichtenburg eines der ersten größeren Konzentrationslager in Deutschland. An dem schlechten baulichen Zustand hatte sich aber nichts geändert.

Häftlinge mussten mit primitiven Mitteln in harter Zwangsarbeit die Gebäude und Außenanlagen in Stand halten.

Wer waren diese Häftlinge und warum wurden sie in das KZ eingeliefert?

Wie waren die Lebensbedingungen dieser Häftling?

Was geschah in den dunklen Verließe der Lichtenburg?

Antworten auf diese und andere Fragen erhalten Sie durch den Historiker Sven Langhammer und Aussagen von Zeitzeugen in der nächsten dreiviertel Stunde.

(Musik)

Obwohl das KZ Lichtenburg in Prettin bei Torgau eines der ersten großen Konzentrationslager war, besteht noch ein großer Forschungsbedarf.

Einer der über das KZ Lichtenburg geforscht hat, ist der Historiker Sven Langhammer. Er hat auch an der neuen Ausstellung über das KZ Lichtenburg mitgearbeitet.

Von wann bis wann bestand das KZ-Lichtenburg?

Laut Sven Langhammer wurde das Schloss Lichtenburg zwischen 1933 und 1945 als Konzentrationslager genutzt. Es gab mehrere Lagerformen. Das KZ Lichtenburg für männliche Häftlinge existierte von Juni 1933 bis August 1937. Anschließend waren Frauen in der Lichtenburg inhaftiert. Das Frauen-Konzentrationslager bestand von Dezember 1937 bis Mai 1939. Für kurze Zeit wurde die Lichtenburg als Kaserne für ein SS-Ersatzbataillon genutzt und ab Herbst 1941 war in der Lichtenburg das Außenkommando Prettin untergebracht. Dieses Außenkommando des KZ Sachsenhausen existierte im Schloss bis zum April 1945.

Wie viele Häftlinge hat es insgesamt im KZ Lichtenburg gegeben hat.

Laut Sven Langhammer hat es im Männer-Konzentrationslager um die 8000-9000 Häftlinge gegeben. Namentlich bekannt sind ca. 6600. Die männlichen Häftlinge kamen aus den mittleren und östlichen Provinzen Preußens. Da sie in der Lichtenburg keine Häftlingsnummern trugen, kann man die genaue Häftlingszahl nicht ermitteln. Im Frauen-Konzentrationslager gab es insgesamt 1414 Frauen. 1415 Häftlingsnummern wurden vergeben. Bei einer Frau weiß man, dass sie zweimal inhaftiert war und deshalb zwei unterschiedliche Häftlingsnummern bekommen hat,

Man geht davon aus, dass ca. 120 Männer in dem Außenkommando Prettin waren (Forschungsstand 2013): in der Regel waren 65 Häftlinge in der Lichtenburg, 50 Häfttlinge waren für das SS-Hauptzeugamt tätig und 15 Häftlinge im Versorgungslager.

Das KZ Lichtenburg war ein Vorgängerlager der KZs Buchenwald und Ravensbrück.

Es gab in dem KZ Lichtenburg nicht so viele Tote wie in den großen Konzentrationslagern.

Laut Sven Langhammer kann man über die Sterbefälle im KZ Lichtenburg folgendes feststellen:

Im KZ Lichtenburg hat es ca. 20 Sterbefälle gegeben. Hinzu kommen die Toten, die während des sogenannten Röhm-Putsches https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/roehm-putsch.html

[30. Juni 1934 bis zum 2. Juli 1934) erschossen worden sind. Hier geht man von bis zu 14 Personen aus. Standesamtlich nachgewiesen und belegt sind zwei Personen. Rechnet man diese 14 zu den 20 verstorbenen Häftlingen dazu, kommt man auf eine Sterbezahl im KZ Lichtenburg (von 1933 bis 1945) von ca. 35 Personen.

Im Frauen-Konzentrationslager sind insgesamt drei Frauen verstorben, davon verstarben eine Frau direkt im Schloss und zwei schwerkranke Häftlinge im Stadtkrankenhaus Torgau. Sie werden aber als Sterbefälle des Frauen-KZ Lichtenburg gezählt. Alle drei Frauen waren Zeuginnen Jehovas.

Das KZ Lichtenburg war kein Vernichtungslager, deshalb gab es nur wenige Sterbefälle. Die meisten Sterbefälle sind im Winter 1933/ 1934 vorgekommen. Aus dem Außenlager Prettin sind keine Sterbefälle bekannt.

(Musik)

Eine Besonderheit des KZ Lichtenburg ist, dass das KZ von 1933 bis 1945 fortlaufend bestanden hat.

Es gab nur eine kurze Phase, in der das Schloss als Kaserne diente.

Sven Langhammer sagt, dass das Schloss Lichtenburg von 1933 bis 1945 durch die SS unterschiedlich genutzt wurde. Zuerst gab es ein Männer-Konzentrationslager (bis 1937), dann ein Frauen-KZ, später war es eine Kaserne (von Ende 1939 bis Mitte 1940). Im Anschluss daran wurde es als Außenlager des KZ Sachsenhausen genutzt. Es gibt neben der Lichtenburg nur das KZ Dachau, das kontinuierlich von 1933 bis 1945 durch die SS als Lager genutzt worden ist.

Anfangs gab es in den KZs noch keine einheitliche Lagerordnung. Heinrich Himmler beauftragte den SS-Brigadeführer Theodor Eicke mit der Reorganistion der Konzentrationslager. Theodor Eicke hatte bereits für das KZ-Dachau eine Lagerordnung erstellt. Diese Lagerordnung wandte er dann 1934 auch auf das KZ Lichtenburg an.

Schon in der Anfangsphase des KZ Lichtenburg gab es dieselben Opfergruppen wie in den späteren KZs. Die Namen der Opfergruppen legte die SS fest.

Laut Sven Langhammer kam man als politischer Häftling in das KZ Lichtenburg.

Zuerst waren es Angehörige der KPD, später dann der SPD. Auch Personen, die offen gegen den Nationalsozialismus aufgetreten sind, wurden inhaftiert.

Im Männer-Konzentrationslager Lichtenburg gab es neben politischen Häftlingen auch kriminelle Häftlinge, sogenannte Berufsverbrecher oder polizeiliche Vorbeugungshäftlinge. Daneben gab es auch Zeugen Jehovas, homosexuelle Männer und jüdische Häftlinge, und wenige sogenannte asoziale Männer.

Ein Drittel der im Frauen-KZ Lichtenburg inhaftierten Häftlinge waren Zeuginnen Jehovas. Es gab politische Häftlinge, jüdische Häftlinge und einige sogenannte asoziale Häftlinge.

(Musikakzent)

Die Häftlingsgruppen erhielten unterschiedlich Kennzeichen an ihrer Kleidung. Zum Beispiel hatten die Politischen eine rote Binde an den Hosenbeinen und Längsstreifen auf dem Rücken und zusätzlich einen Kreis auf der Brust

Jüdische Häftlinge erhielten einen gelben Kreis auf der Brust. Jüdische Häftlinge, die intime Beziehungen zu Nichtjüdinnen hatten, trugen zusätzlich eine rote Binde mit einem R . Das R stand im Nazi-Jargon für „Rasseschänder“.

Die Bibelforscher hatten einen blauen Kreis auf der Brust.

Homosexuelle wurden mit einer gelben Binde mit einem A gekennzeichnet. Das A stand im Nazi-Jargon für „Arschficker“.

Ein schwarzer Kreis auf der Brust kennzeichnete die Kriminellen.

 

Die Kennzeichen der Häftlinge wurden in den späteren KZs vereinfacht. Änne Dickmann, die im Frauen KZ Lichtenburg inhaftiert war, erinnert sich:

„In Ravensbrück bekamen wir alle Winkel.“

(Musik)

Besucher eines Schlosses wurden früher normalerweise sehr freundlich begrüßt. Das Personal stand bereit, um dem Gast den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Die Häftlinge des Männer-KZs erhielten bei ihrer Ankunft im Schloss Lichtenburg allerdings eine menschenverachtende Begrüßung.

Diese „Begrüßungzeremonie“ stammt von Edgar Entberger. Er war SS-Wachkommandant im KZ Lichtenburg.

Der Schauspieler Wolfgang Langhoff schreibt bereits 1935 in seinem Buch „Die Moorsoldaten“[1]:

„ … Zunächst stehen wir bei eisiger Kälte endlos lange in Burghof und warten auf den Kommandanten. Schließlich kommt er an. Ein kleiner, sehniger Mann mit schwarzen Haare, schwarzen Augen, einer großen Nase im Gesicht, das einen dummdreisten Ausdruck hat. Ehemaliger Dorfpolizist. Jetzt Sturmführer der SS, Fanatiker und Sadist. Er stemmt die Hände in die Seiten: ‚Vor allen Dingen bitte ich mir einen anständigen Hitlergruß aus! Aber nicht so die Arme hoch geschlakst und herum gewunken, sondern vorschriftsmäßig! Ausgestreckter Arm, gestreckte Hand bis in die Augenhöhe. Jeder SS-Mann im Lager ist so zu grüßen. Ihr seid hier in keinem Mädchenpensionat, sondern im Konzentrationslager.“

(gesprochen von Peter Bieringer)

Ernesto Kroch kann sich noch gut an die Ankunft im KZ Lichtenburg erinnern:

„Ich erinnere mich, dass wir durch das große Tor führen und ich erinnere mich an das Bild des Schlosses, so wie es heute ist. Da kamen wir an und wir wurden gleich gehetzt, hierhin und dorthin und beschimpft. Also wir merkten sofort: Hier weht ein anderer Wind. Das merkte man sofort. Und dann kam man in die Umkleidekammer. Klamotten ablegen und bekamen diese Kleidung. Das war ehemalige Polizeikleidung. Natürlich ohne Taschen, ohne Achselklappen. Ohne Alles, nur die Jacken, die Hose, wo solche Pantoffeln mit Holzsohlen, mit dicken Holzsohlen und wurden kahlgeschoren und dann ging es nochmal auf den Exerzierhof. Und [wir]wurden hin und her gehetzt mit Kniebeugen und mit Liegestützen und wer weiß nicht was. Und dann kamen wir in die Zellen.“

Wolfgang Langhoff berichtet über seine persönliche „Begrüßungszeremonie“ weiter:

Im Hinterhof müssen wir „Sport“ machen. Laufschritt, Paradeschritt usw. Dann werden wir auf die Stationen verteilt. Auf der Stationswache wird erst einmal mit uns weiter exerziert. Anklopfen, strammstehen, „Bitte eintreten zu dürfen ..“

(gesprochen von Peter Bieringer)

(Musikakzent)

Über die Ankunft eines Frauentransportes in Torgau schreibt Lina Haag in ihrem Buch „Eine Handvoll Staub“ [:

„Die SS erwartet uns in Torgau. Empfängt uns mit Kommandogebrüll und scharfgeladenen Revolvern. Treibt uns auf bereitgestellte Lastwagen. Wie Vieh werden wir verladen.“

(Gelesen von Gudrun Stockmann)

Über ihre Ankunft in der Lichtenburg berichtet sie:

„Im Innenhof werden wir aufgestellt. Etwa 30 Frauen, Politische, Jüdinnen, Kriminelle, Dirne und Bibelforscherinnen. Wachtmeisterinnen umkreisen uns wie graue Wölfe … die großen Wolfshunde, die sie mit sich führen, zerren bedrohlich an den Leinen.“

(Gelesen von Gudrun Stockmann)

(Musikakzent)

Die Touristikbranche bietet heute auch die Möglichkeit an, in Schlössern zu übernachten. Wer in einem Schloss übernachten möchte, träumt oft von Komfort in den Räumen und von Himmelbetten.

Leider mussten die Häftlinge im KZ Lichtenburg auf jeglichen Komfort verzichten.

ehemaliger Zellbau des KZ LichtenburgDer Historiker Sven Langhammer berichtet, dass der Zellenbau 1878/1879 errichtet worden ist. Eine Zelle war damals für eine Person vorgesehen. Je nach Belegungsstärke des Lagers wurden unterschiedlich viele Leute in einer Zelle untergebracht, im Durchschnitt waren es drei bis vier Personen in einer Zelle. Es gibt aber auch Erlebnisberichte, in denen von drei Personen gesprochen wird, bei den Frauen wird von zweien gesprochen. Es werden ab 1936 die jüdischen Häftlinge in wenigen Zellen konzentriert (Ernesto Kroch spricht dann von einer Belegung einer Zelle von sechs Personen. In den etwas größeren Eckzellen waren dann bis zu neun Personen untergebracht). Es ist überliefert, dass dort in den Zellen dreietagige Betten standen und wenige Schemel (Tische und Schränke gab es nicht in den Zellen, weil kein Platz dafür da war). Hinter der Tür war dann der Kübel, wo die Häftlinge in der Nacht ihre Notdurft verrichten konnten.

Dies bestätigt auch Ernesto Kroch:

„Ich kam in eine Zelle zusammen mit 8 anderen. Aber mit mir in der Zelle, da war auch der Hans Isack und der Lothar Müller. Wir 3 mit 6 anderen, die waren schon drin. Und das waren ungefähr 4 x 4 Meter der Raum und in dem stand(en) 3 Bettgestelle zu je 3 Etagen für die 9 Leute, die wir waren und dazwischen stand eine Bank. Es können auch 2 Bänke gewesen sein. Also war ganz wenig Platz, wo man sich überhaupt da bewegen konnte. In einer Ecke stand ein Kübel, wo man die kleine Notdurft machen konnte.“

ehemailges KZ Lichtenburg hinterer HofSven Langhammer ergänzt, dass die Häftlinge nicht nur im Zellenbau untergebracht waren, sondern auch in dem Renaissance-Schloss Lichtenburg. Die einzelnen Häftlingskompanien verbrachten ihre Zeit außerhalb der Arbeitszeit in den Tagesräumen. Im Schloss Lichtenburg befanden sich im Erdgeschoss Lagerräume und Werkstätten. Im ersten und zweiten Obergeschoss befanden sich die Tagesräume für die Häftlinge. Das war im Männer-KZ und im Frauen-KZ identisch. Und es befanden sich auch die Tagesräume der SS-Wachmannschaften in diesen Bereichen. Die Schlafsäle der Häftlinge befanden sich unter dem Dach.

 

(Musikakzent)

Anscheinend war die Unterbringung im Frauen-KZ Lichtenburg etwas besser als im Männer-KZ. Änne Dickmann war eine der ersten Frauen, die aus dem Frauen-KZ Moringen in die Lichtenburg kam:

„Jedenfalls war die Unterkunft etwas geräumiger. Nich, wir hatten jeder einen Stuhl,

Jeder sein Bett und es war auch außerhalb von den Betten noch etwas Platz, was in Moringen nicht der Fall war.“

Ehemalige Inhaftierte berichten sogar, dass in ihrem Saal Hocker und Tische standen. Auch habe es „schmale Holzschränke mit einen Geschirr-Kleidungsfach“ gegeben. (s. Werner Dietrich)

(Musikakzent)

Die hygienischen Zustände im Männer-Konzentrationslager waren laut Sven Langhammer sehr einfach.

 

Die Männer wuschen sich unter den Pumpen und für ihre Notdurft gab es eine Latrine (ein Holzbau). Die Benutzung der Latrine war früh und abends möglich. Man ging gemeinsam als Gruppe zur Latrine und musste seine Notdurft schnell verrichten, da die nächste Gruppe schon davor stand. Es gab keine Intimsphäre in diesem Bereich. In der Nacht benutzten die Häftlinge dann in ihren Unterkünften (in den Zellen im Zellenbau bzw. in den Schlafsälen) Kübel.

Bei den Frauen sah die Situation etwas anders aus. Man hat 1938 ein Badehaus errichtet, wo die Frauen auch duschen konnten. Bei den Männern ist auch überliefert, dass es Duschen und Wannen gegeben hat, aber es ist unklar, ob die Häftlinge diese nutzen konnten, oder ob sie für die Wachmannschaften vorgesehen waren.

 

(Musik)

Denkt man an die Schlossküche, sieht man im Geist emsige Köche und Küchenhilfen. Sie alle bereiten viele köstlichen Speisen.

Köstliche Speisen gab es in KZ Lichtenburg allerdings nur für die SS.

Sven Langhammer beschreibt das Essen der Häftlinge als einfach und schlicht. Das Essen war in bestimmten Phasen reichhaltiger, aber es gab Zeiten, in denen die Häftlinge die „dünne Suppe“ als „Rennfahrersuppe“ bezeichneten. Es ist überliefert, dass 1936/1937 sehr viele Häftlinge in der Lichtenburg gewesen sind und Häftlinge in der Abfallgrube nach Essbarem suchten. Krankheiten traten zum Beispiel auf, weil Häftlinge verschimmeltes Brot aßen.

 

Häftlinge, die Geld von Familienangehörigen oder Freunden übersandt bekamen:

 

… konnten sich, laut Sven Langhammer, zusätzlich mit Lebensmitteln versorgen. Die Möglichkeit bestand in der Regel für alle Häftlinge, sofern sie keine jüdischen Häftlinge waren; Berufsverbrecher waren von diesen Vorzügen auch ausgeschlossen.

(Musikakzent)

In einem Schloss steht das Personal früh auf und weckt die Herrschaften zum Frühstück. Der Tagesablauf ist festgelegt.

Auch im Männer-Lager des KZ Lichtenburg in Prettin bei Torgau gab es einen festen Tagesablauf.

Allerdings war es die SS, die die Häftlinge um 5:00 Uhr weckte.

Ernesto Kroch schildert den weiteren Tagesablauf:

„Da musste man ganz schnell aufstehen, denn kurz danach musste man schon auf den Gang raustreten und schnell zur Dusche gehen und schnell wieder zurück. Man hatte kaum Zeit sich richtig zu waschen, trocknen schon gar nicht. Da musste man schnell anziehen, kurz danach gab es das Frühstück, dann gab es den Gang zur Latrine. Man war ständig in Hast und man hatte auch Angst nicht mitzukommen, denn kleinste Verfehlungen, wenn man zurückblieb, das konnte fatal werden, mit Arrest und sonst was.“

Sven Langhammer fügt hinzu, dass dann das Bett gebaut und die Zelle bzw. die Schlafstätte in Ordnung gebracht wurde. Nach dem Frühstück wurden die Häftlinge zum Zählappell herausgeführt. Diese Appelle gab es früh, mittags und abends. Nach dem Zählappell sind die Häftlinge zu ihren Arbeitsstellen geführt worden. Bei den Frauen war es so, dass nur ca. 200 mit Arbeit beschäftigt werden konnten. Die anderen Frauen sind zurück in die Tagesräume gegangen, und haben sich dann dort mit vielerlei Arbeiten beschäftigt. I. d. R. hatten sie sich Wolle schicken lassen, um Pullover stricken zu können. Sie haben auch gehäkelt und gelesen.

(Musikakzent)

Ähnlich wie bei einem hochherrschaftlichen Schloss mussten viele Arbeiten verrichtet werden.

Auch hier wurden laut Sven Langhammer die Häftlinge im KZ Lichtenburg herangezogen, um den Lagerbetrieb aufrecht zu erhalten. Sie haben alle anfallenden Arbeiten ausgeführt:

 

Im Männer-Konzentrationslager gab es ein Außenkommando, das dafür zuständig war, das Holz zum Heizen des Lagers heranzubringen. Das Außenkommando hat aber auch Kies abgebaut, in Prettin einen Stadtpark oder eine Badegelegenheit an der Elbe errichtet. Im Lager selbst gab es viele kleine Arbeitskommandos: Es gab zum Beispiel eine Hofkolonne, die dort Reinigungsarbeiten durchgeführt hat. Es gab die Jauchekolonne, die sich um die Latrine gekümmert hat.

Ernesto Kroch arbeitete in der Jauche-Kolonne:

„Und später kamen wir zur Jauche-Kolonne und da haben wir die Latrinengrube – ich schätze, die waren 50 Kubikmeter ungefähr –mussten wir ausschöpfen mit Kellen mit langen Stangen in eine Lore, die daneben stand. Es waren mehrere Loren, die auf Gleisen standen die und dann wenn nur noch wenig bedeckt war der Boden, dann musste, dann ließ man einen Schlauch darunter und mit einer Handpumpe musste man das in die Loren pumpen. Und da erinnere ich mich, dass … die Pumpe war nicht zu diesem Zweck konstruiert. Die verstopfte sich oft das Rückschlagventil und saugte nicht mehr. Und da musste ich als gelehrter Mechaniker das Oberteil abmontieren und das Rückschlagventil frei machen. Das heißt das Stückchen Kot, das dazwischen klemmen blieb rausnehmen. Das war eine regelrechte Scheißarbeit.

Und wurden wir wie Pferde mit Stricken vor die Loren gespannt und zogen das über die Landstraße, die davor geht ziemlich weit. Aber ich weiß jetzt nicht mehr wie weit, bis auf die Felder der Bauern. Das Schlimmste war dann immer das letzte Stück. Das war ja nicht asphaltiert. Das waren Sandwege und wenn es geregnet hat waren es schlammige. … Wir waren wohl ein Dutzend Leute, die davor gespannt waren und ziehen mussten. Das waren schwere … und der Posten, der dabei stand mit einem Gewehr im Anschlag und manchmal mit dem Kolben auf uns einhieb, der schrie „Hü und Hott“. Also der machte uns noch verrückter, Dann auf den Feldern der Bauern wurde das dann umgekippt.

Na, der Rückweg war dann ja leichter.“

(Musikakzent)

Sven Langhammer erklärt, dass einige Häftlinge auch als Messerschärfer oder Strümpfestopfer arbeiteten. In der Häftlingsbibliothek waren zum Beispiel Armin T. Wegener und später der Rechtsanwalt Hans Litten tätig. Es gab eine Schlosserei. In der Tischlerei sind Betten für das Lager gebaut worden. Es gab eine Gartenkolonne, die im Garten, im Schlossgarten, Lebensmittel, Früchte, Kartoffeln, Rüben, Möhren angebaut haben.

Ernesto Kroch musste auch Kohlen tragen und war dabei der Willkür der SS ausgesetzt:

„Nachher kamen wir erst mal zum Kohle tragen. Da fuhr ein Lastwagen vor im Hof mit zentnerschweren Kohlesäcken. Die musste man sich auf den Buckel laden und dann die Treppen runter in den Keller bringen, den Kohlekeller. Das war an sich schon schwer, aber den Posten gefiel es oft, sich einen Spaß draus zu machen, einen die Treppe raufzuschicken noch einmal mit dem Kohlesack auf dem Rücken, die Treppe wieder runter. noch mal rauf, noch mal runter … bis man zusammenbrach. Das hielt man ja nicht aus. (Das) sind 50 Kilo, nich, ohnehin schon schwer. Also ich habe das irgendwie immer noch ausgehalten, aber die älteren Leute, die sind oft zusammengebrochen. Leute haben auch Herzinfarkt bekommen, nich also. Für die ist es unerträglich gewesen, was für mich noch gerade am Rande des Ertragbaren war.“

(Musikakzent)

Bei den Frauen war es ähnlich.

 

Sven Langhammer berichtet von einer Gartenkolonne. Es gab auch ein Außenkommando, das aus jüdischen Frauen bestand, die Gräben reinigen mussten. Es gab vermutlich auch eine Jauchekolonne. Es wird berichtet, dass Frauen auch die Exkremente beseitigen mussten, vorrangig wurden jüdische Frauen für diese dreckigen Arbeiten herangezogen. Einige Frauen haben in der Küche gearbeitet, viele waren mit Reinigungsaufgaben beschäftigt, sie haben die Unterkünfte der Aufseherinnen gereinigt, und die Reinigungsarbeiten in der Kommandantur durchgeführt. Im Frauen-Konzentrationslager Lichtenburg sind vorrangig Zeuginnen Jehovas mit Arbeiten beschäftigt worden.

Die Zeugin Jehovas Änne Dickmann berichtet:

„Es wurden freiwillig immer Arbeiter rausgeholt. Es kam dann die Aufseherin: „Wir brauchen welche für diese Arbeit, für diese Arbeit.“ Und dann sind wir freiwillig aufgestanden. Ich hab(e) dann von Anfang an, fast immer mitgearbeitet. Und dann durft(e) ich mit nach draußen in die Kommandantur, die Kommandantur putzen, wo die SS ihre Räume hatten. Und danach war ich in der Küche eine Weile. … Und eines Tages wurde ich dann rausgerufen und aus den anderen Stationen auch noch ein paar. Wir waren dann fünf oder sechs. Zur Aufseherin und sagt sie: Die SS hat bis jetzt draußen im Ort gegessen und sie wollen jetzt eine eigene Kantine für die SS machen und dann suchen sie die besten Leute aus, die da bedienen sollen. Da habe ich gedacht: „So, vorher sind die Verbrecher besser als wir und nun sind wir die Besten für die Arbeiten. Für zuverlässige Arbeiten dann waren wir immer dann die Besten.“ Und dann haben wir immer hinten im Garten von der Lichtenburg, war so ein, unten so wie so ein Einfamilienhaus. Unten ein große Stall und oben Wohnungen und haben wir dann für die SS gekocht und die bedient“.

(Musik)

Die Oberaufsicht eines Schlosses hat oft ein Verwalter. Auch das Schloss Lichtenburg in Prettin musste während seiner Zeit als KZ verwaltet werden. Laut dem Historiker Sven Langhammer wurde das KZ Lichtenburg durch die SS verwaltet.

 

Anfangs wurde das Männer-Konzentrationslagers zunächst von Polizeibeamten verwaltet. Es gab einen Direktor, dem der Schutzhaftlagerführer untergeordnet war. Dieser ist in der SS gewesen ist. Nach kurzer Zeit sind die Polizeitruppen abgezogen worden. Die SS hat dann die Verwaltung des Lagers bis 1945 komplett übernommen.

ehemaliges Kommandanturgebäude des KZ LichtenburgEs gab einen Lagerführer, dem einzelne Abteilungen des Konzentrationslagers unterstanden wie die Kommandantur, das Schutzhaftlager und der Lagerarzt. Dem Lagerführer war der Schutzhaftlagerführer unterstellt. Diesem unterstanden dann die sogenannte Kompanieführer (SS-Männer), die direkt mit den Häftlingen zu tun hatten.

Wichtig ist noch, dass es den Lagerkommandanten und verschiedene Abteilungen in der Verwaltungsstruktur gab. Vorhanden war auch ein Kommandanturbereich. Es gab eine politische Abteilung, wo Häftlinge verhört wurden, wo die Personalakten der Häftlinge verwaltet wurden. Über die politische Abteilung sind die Besuche des Lagers geregelt worden. Über die politische Abteilung sind auch die Entlassungen, Einweisungen und Überführungen organisiert worden.

 

(Musikakzent)

 

Wer waren diese Menschen, die die Häftlinge bewachten, schlugen, über sie bestimmten, und aus welchen sozialen Verhältnissen kamen sie?

Sven Langhammer weiß zu berichten, dass SS-Angehörigen den Wachdienst versehen haben und in dem KZ Lichtenburg angestellt waren. Sie kamen vorwiegend aus einfachen Verhältnissen, aus der Mittelschicht. Sie gehörten selten der Intelligenz an und hatten z. T. ganz einfache Beweggründe gehabt: sie wollten Geld verdienen, sie haben nach sozialer Anerkennung gesucht. Eine Uniform war damals in der Außendarstellung sehr viel wert gewesen. Es waren meistens junge Menschen, die als SS-Angehörige, SS-Rekruten angeworben wurden. Diese waren leicht verführbar für die NS- Ideologie.

Die SS-Männer in der Lichtenburg waren von ihrem Dienst überzeugt. Sie dachten, dass sie für eine gute Sache ihren Dienst versehen. Es gab unter ihnen einige, die sehr brutal waren und die Häftlinge geschlagen haben. Es gab aber auch SS-Angehörige, die erkannt haben, dass das was sie dort tun, nicht menschenwürdig ist. Sie haben z. T. die Häftlinge mit Lebensmitteln unterstützt, Briefe für sie rausgeschmuggelt und haben den Häftlingen ihr Los soweit es möglich war erleichtert.

 

Die unterschiedliche Behandlungsweise der Bewacher beschreibt auch Wolfgang Langhoff in seinem Buch „Die Moorsoldaten“ [1]:

Es gab eine Schlägergruppe, die die Gefangenen schikanierte und quälte, und ebenso auch eine humane Gruppe, die nur ihren Wachdienst versah und sich sonst nicht um uns bekümmerte. Nur das die Schlägergruppe noch brutaler und gemeiner war und die Gesamtatmosphäre quälender, unsicherer und nervöser. (Gesprochen Peter Bieringer)

 

(Musikakzent)

Bei den Frauen konnte Sven Langhammer feststellen, dass in dem Frauen-Konzentrationslager Lichtenburg erstmals Aufseherinnen eingesetzt wurden, die speziell für das Lager angeworben wurden, mit dem Hintergrund, dass sie für verwahrloste Frauen zu sorgen und zu zu achten haben. Einige Aufseherinnen sind sehr hart mit den Häftlingen umgegangen.

Es ist bekannt, dass einige Aufseherinnen den Dienst wieder quittiert haben, weil sie mit der Situation im Lager und ihrer Aufgabe nicht klargekommen sind. Die Aufseherinnen, die sich mit dem System arrangiert haben, sind besonders brutal gewesen. Sie sind im Mai 1939 gemeinsam mit den Häftlingen nach Ravensbrück überführt worden. Sie haben später in anderen Lagern wie zum Beispiel in Auschwitz ihre Karriere fortgesetzt. Ein Beispiel für diese brutalen Aufseherinnen ist die Maria Mandel.

 

Lina Haag schreibt in ihrem Buch „Eine Hand voll Staub“ [2] über die Aufseherinnen:

Ich sehe diesen neuen Idealtyp der deutschen Frau zum ersten Mal. … Manche haben leere, manche brutale Visagen, der gemeine Zug um den Mund ist allen gleich. Sie gehen mit großen Schritten und wehenden grauen Capes hin und her, ihre Kommandostimmen gellen über den Hof, die großen Wolfshunde, die sie mit sich führen, zerren bedrohlich an den Leinen. Sie sind phantastisch und furchterregend, an graue Sagen gemahnend, mitleidlos und wahrscheinlich noch viel gefährlicher als die brutalen SS-Henkersknechte, denn es sind Frauen. Sind es Frauen? Ich zweifele daran. Es könne nur Wesen sein, Wesen mit grauen Hunden und mit allen Instinkten, Tücken und aller Wildheit ihrer Hunde. Unwesen.“ (Gelesen Gudrun Stockmann)

(Musikakzent)

Eine Häftlingsselbstverwaltung wie sie in späteren Lagern existierte, gab es im KZ Lichtenburg nicht.

Im Männer- und auch im Frauen-KZ Lichtenburg waren meist politische Häftlinge als Funktionshäftlinge in den Stationen eingesetzt.

Sie konnten die Lebensbedingungen für die Häftlinge ein wenig erträglicher machen.

Manchmal schlichteten sie zwischen den Häftlingen. Ein anderes Mal schützten sie ihre Mithäftlinge vor den Bewachern oder versuchten Strafen auf zu heben.

(Musikakzent)

Ein Schlossherr hatte früher meist nur das Recht, seine Diener für kleinere Vergehen mit Prügel zu betrafen. Größere Vergehen wurden von Gerichten geahndet.

In dem Schloss Lichtenburg gab es unterschiedliche Formen der Strafen im Männer-KZ.

Sven Langhammer nennt als Strafen aufgrund von Verstößen gegen die Lagerordnung

z.B. Einzelhaft, Isolierungshaft, gelinden Arrest, verschärften Arrest, Prügel, Krummschließen bzw. Totschlag. Das sind die sieben Strafen, die angewendet wurden. Der verschärfte Arrest ist zum Beispiel im Bunker im Schloßflügel B vollzogen worden. Es wird berichtet, dass die Häftlinge bei Strafantritt und bei Beendigung der Strafe jeweils 25 Schläge mit dem Gummiknüppel bekommen haben. In den Einzelzellen, in denen vor den Fenstern Lochbleche waren, um die Zelle abzudunkeln. hatten die Häftlinge eine Decke zur Verfügung. Öfen gab es nicht und die Häftlinge waren bei Wasser und Brot in der Zelle. Der Bunker wird auch von den Häftlingen als „Färberei“ bezeichnet, weil die Häftlinge grün, blau, schwarz geschlagen wieder rausgekommen sind. Kamen die Häftlinge nach der Dunkelhaft wieder ans Tageslicht, waren, sie zuerst geblendet. Im Bunker gibt es an der Giebelseite eine sogenannte Stehzelle, eine Mauernische in der Außenwand, wo der Häftling für unbestimmte Zeit drin gestanden hat. In einer solchen Dunkelzelle verliert die Person relativ schnell jegliches Gefühl für Zeit und Raum. Die Enge in der Stehzelle konnte zu Platzangst führen. Es ist überliefert, dass einige Häftlinge des Konzentrationslagers Lichtenburg dem seelischen Druck nicht gewachsen waren. Sie sind verrückt geworden und dann in Nervenheilanstalten überführt worden. Es gibt bislang keine Zeugnisse darüber, dass man so eine Biografie nachzeichnen konnte.

 

(Musikakzent)

 

Auch aus dem Frauen-KZ gab es Berichte über Prügelstrafen mit tödlichem Ausgang. Geprügelt wurde oft in den Kellerverließen. Nicht allen Häftlingen war bekannt, was in diesen dunklen Kellerverließen geschah. Dies zeigte der Historiker Dr. Hans Hesse während einer Lesung im Kunsthaus Zürück (O-Ton Lesung Kunsthaus Zürich 1.-9. 10.1999) anhand des Zeitzeugenberichtes von Maria Zeh:

„Maria Zeh erzählt weiter:

 

‚An einem frühen Morgen wurde eine Bibelforscherin in den sogenannten Bestrahlungsraum in dem Revier gebracht. Mit schweren Stiefeln stieß ein SS-Mann die schmächtige Frau in den Raum, schwach und leise sprach die Frau: „Herr vergib Ihnen, Sie wissen nicht, was sie tun.“

Am nächsten Tag holte mich die Oberschwester, Sophie und Schneiderheinze. Wir mussten nun tief in den Keller der Burg. Es war ein Verließ mit Eisenstäben wie in einem Zoo. In dem Verließ befand sich an einer Seitenwand ein aus Beton gegossenes Lager. Auf dem Betonsockel lag die Bibelforscherin. Sie war tot und hatte unsere KZ-Uniform an. Am Körper befanden sich Spuren von Peitschenschlägen und anderen Misshandlungen. Überall waren grüne und blaue Flecken. Wir mussten sie einsargen. Obwohl wir schon 3 Monate in der Lichte (Lichtenburg) waren, erfuhren wir erst jetzt, dass es in diesem Kellerverlies einzelne Gefangene gab… .“

(Musikakzent)

Vielleicht fragen Sie sich auch gerade, welche Möglichkeiten es gab, um dieser Brutalität der SS zu entfliehen.

Wäre Flucht oder aktiver Widerstand eine Möglichkeit gewesen?

Dieses und einiges mehr erfahren Sie in dem 2. Teil dieser Sendung.

(Musikakzent)

(Sprecher Ingeborg Lüdtke, Gudrun Stockmann und Peter Bieringer)

© Ingeborg Lüdtke

Text- und Data-Mining: Ich behalte mir eine Nutzung aller Inhalte dieser Webseite für kommerzielles Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Gesendet am 9.11.2013 im StadtRadio Göttingen

 

Die gesprochenen Texte von dem Historiker Sven Langhammer wurden leicht redigiert und beruhen auf dem Forschungsstand aus dem Jahr 2013.

O-Töne von Ernesto Kroch  wurden von Alternatives Jugendzentrum e.V. in Dessau zur Verfügung gestellt.

Quellenangaben:

[1] 1975 im Aufbau Verlag erscheinen, Rechte jetzt bei: Verlag Neuer Weg
in der Mediengruppe Neuer Weg GmbH, Essen
, die die freundliche Genehmigungam 10.4.12 erteilte.

[2]  Lina Haag,  „Eine Hand voll Staub“  http://www.silberburg.de/index.php?581-Eine-Hand-voll-Staub

Silberburg-Verlag GmbH, Tübingen mit freundlicher Genehmigung vom 25.5.12

Weiterführende Links:

http://www.stgs.sachsen-anhalt.de/gedenkstaette-kz-lichtenburg-prettin/

http://www.gedenkstaettenforum.de/nc/gedenkstaetten-rundbrief/rundbrief/news/lichtenburg_vergangenheit_und_zukunft/

http://www.foerderverein-lichtenburg.com/?navitem=13

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Film: Der Name Gottes

(c) mit freundlicher Genehmigung von Fritz Poppenberg

(c) mit freundlicher Genehmigung von Fritz Poppenberg

Dreilindenfilm.de

Fritz Poppenberg

Titel: Der Name Gottes

Filmlänge etwa 60 Min.

Drehorte: Jerusalem, Rom, Paris

Sprachen: Deutsch, Englisch, Dänisch, Französisch.

Die Uraufführung des Filmes „Der Name Gottes“ fand am Freitag, den

28. Nov. 2014 im Humboldtsaal in der Urania, An der Urania, 17 10787 Berlin statt.

Mehr als 900 Gäste aus Deutschland, den USA, Frankreich und anderen Ländern füllten den fast ausverkauften Saal.DNG_-_Werbeflyer_deutsch_-_E-Mail

Auch die Filminterviewpartner Gérard Gertoux aus Frankreich (http://mom.academia.edu/GerardGERTOUX, Member of the International Society of Assyriology Autor des Buches The Name of God) und Rolf Furuli aus Norwegen (http://uio.academia.edu/RolfFuruli , ehemaliger Professor an der Universität Norwegen) waren anwesend.

(c) Ingeborg Lüdtke

 

 

 

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